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Eine kleine Lüges-Geschichte

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17.05.2007
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Eine kleine Lüges-Geschichte

Eine kleine Lüges-Geschichte

„Oh je, da war aber jemand lange nicht mehr beim Frisör."
Tina, mit der Schere in der einen Hand, steht hinter ihm und fährt mit der anderen durch die nicht vorhandene Frisur. Sie schaut ihn an, beinahe wie verliebt. Bis über beide Ohren sind seine Haare mal wieder gewachsen und er schämt sich ein wenig. Auch weil Tina ihm gefällt, mit ihrem Schultertatoo und dem Nasenpiercing.

'Soll ich ihr gestehen, dass ich total Pleite war in den letzten Wochen und kein Geld für einen vernünftigen Haarschnitt hatte?', denkt er.
„Ich war auf Weltreise", sagt er.

„Aha", grinst sie überlegen. „Und wie soll's denn jetzt geschnitten werden?"
'Aha?! Nur ein schnödes Aha für einen Weltenbummler?', denkt er 'Oder hab ich da zu dick aufgetragen? Nein ich weiß schon - Ich bin zu blass. Natürlich - das ist es. Mist! Sie hat mich durchschaut.'
„Am Polarkreis war ich zuletzt. Nur drei Stunden Sonne am Tag."
„Sag mir nur schnell, wie ich schneiden soll, dann kannst du mir ein bisschen von deiner Weltreise erzählen."
'Oh man, sie sagt schon Du zu mir. Das ist ein gutes Zeichen.'
„Kannst du mir eine Frisur wie George Clooney machen?"
„Oh nein - nicht George Clooney. Soll ich dir etwa die Schläfen grau färben?", fragt sie.
'Dumm gelaufen – Sie steht nicht auf George Clooney. Aber eigentlich macht sie das noch sympathischer', denkt er.
„Welcher Schauspieler gefällt dir denn?"
„Johnny Depp", schwärmt sie.

'O.K. Sie ist geschäftstüchtig. Will mir wahrscheinlich Extensions verkaufen. Aber dafür reicht mein Geld nicht', denkt er.
„Dafür reicht meine Haarlänge nicht", sagt er.

„Wie wär's mit Kojak?", schlägt sie vor.
'Hey, Sie ist richtig witzig und kennt sich mit alten TV-Serien aus.'
„Schneid einfach so, wie es am besten zu mir passt", sagt er.
'Hoffentlich verschandelt sie mich nicht', denkt er.

Tina lässt die Schere flitzen.
„Und jetzt erzähl doch mal. Wie war es denn so …. auf deiner Weltreise?"
„Na ja – Afrika war zum Beispiel toll. Besonders die Niagarafälle."
„Ich dachte immer, die sind in Nordamerika."
„Hab ich Niagarafälle gesagt? Äh, ich meinte natürlich die… na die anderen eben. Weißt du, ich kann mir schlecht Namen merken. Warst du schon mal bei den Niagarafällen?"
„Nein, ich war nur mal an der Ostsee."
„Soll auch sehr schön sein da."
„Du hast eine Weltreise gemacht und warst noch nie an der Ostsee?"

'Natürlich war ich schon mal da', denkt er, 'aber vielleicht ist es besser, ich lasse sie im Glauben, mir etwas voraus zu haben.'
„Nein" ,sagt er.

„Mein Vater hat da ein Ferienhaus", sagt sie und sprüht ihm die Haare mit Wasser ein.
„Toll. Irgendwann möchte ich auch mal an die Ostsee."
„Ich kann dich ja mal einladen."
'Das läuft ja wie am Schnürchen', freut er sich. 'Jetzt ein bisschen Zurückhaltung heucheln.'
„Na hör mal, ich weiß ja nicht einmal, wie du heißt."
„Tina. - steht doch auf meinem Namensschild."
Jetzt sieht er es auch.

'Mein bescheuerter Name ist Justin', denkt er.
„Mein Name ist Justin", sagt er.

„Klingt wie gelogen", sagt sie.
„Wie bitte? Ich lüge nie. Soll ich dir meinen Pass zeigen?"
Jetzt ist er sauer. Hält sie ihn etwa für einen Lügner?
„So meinte ich das doch nicht. Justin klingt nur eher wie ein Künstlername. So unecht, eben gar nicht deutsch."
„OK - Ich heiße eigentlich nur mit Zweitnamen Justin. In Wirklichkeit heiße ich Michael. Verzeihst du mir?"
„Das weiß ich noch nicht."
Sie packt den Fön aus, und das Gespräch wird für lange drei Minuten vom Geräusch des Gebläses unterbrochen. Dann hält sie ihm einen Spiegel hin, um ihn die neue Frisur begutachten zu lassen.
„Und?"
„Gefällt mir nicht."
„Was?"
„Kleiner Scherz. Doch, klar gefällt es mir."
Sie gehen zusammen an die Kasse und er bezahlt. Dann fasst er sich ein Herz.
„Und? Wann fahren wir an die Ostsee?", fragt er sie.
„Gar nicht. Mein Vater hat da gar kein Ferienhaus."
„Du hast also gelogen, einfach so?", fragt er.
Und sie:
„Du etwa nicht?"

 
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Hallo dr. time,

ein Besuch beim Friseur. Mit dem klassischen leeren Gequatschte. Soso.
Er erzählt halbherzige Lügengeschichten, um ihr zu imponieren. Letztlich hat auch sie gelogen, vermutlich, weil sie seine Lügen durchschaut hat.
Hm, weiß nicht. Daraus könnte man natürlich schon eine ansprechende Geshcichte stricken (wurde schließlich schon etliche Male getan;) ), aber in dieser Form, die du darbietest, vermag mir das nichts zu geben.
Dafür ist mir das ganze zu statisch: Sagt er. Denkt er. Sagt sie.
Da fehlt der Pepp, der Kitzel.

„Wie wär's mit Kojak?" schlägt sie vor.
'Hey, Sie ist richtig witzig und kennt sich mit alten TV-Serien aus.'
na, wenn das nicht richtig (!) witzig ist und beweist, dass sie sich mit alten Tv-Serien auskennt Die Frau muss man einfach klasse finden :dozey:

„So meinte ich das doch nicht. Justin klingt nur eher wie ein Künstlername. So unecht, eben gar nicht deutsch."
neben den abenteuerlichen Anführungszeichen (von denen es im Text wimmelt) finde ich die Aussage sehr bemerkenswert :susp:

Zudem: kein Punkt in der wörtlichen Rede, wenn Redebegleitsatz folgt
Und auch kein Leerzechen nach "

Ach ja, der Titel tut übrigens jeden Spraches-Liebhaber wehtun. Der ist ganz schön ziemlich am fälschesten. ;)

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Weltenläufer - erst mal danke für die Kritik. Ich möchte aber erklärend noch hinzufügen:

Der Titel ist ein Kunstwort aus Liebesgeschichte und Lügengeschichte. Ich dachte nicht, dass ich jemanden mit der Nase darauf stoßen muss. Ich habe es absichtlich noch mit Bindestrich geschrieben, damit es sofort als konstruiert erkennbar wird.

Einfache Anführungszeichen benutzt man klassischerweise bei Gedanken des Protagonisten, doppelte Anführungszeichen bei wörtlicher Rede. Und zwischen dem, was er sagt und dem, was er denkt bestehen schließlich erhebliche Unterschiede. >Denkt er< und >sagt er< wird hier von mir zum Teil auch als Stilmittel eingesetzt.

Das mit dem Punkt in wörtlicher Rede stimmt natürlich. Ich werde es ändern.

 

Och, ich fand's amüsant. Anfangs stärker als zum Ende, das starre Muster (er denkt, er sagt) erschöpft sich dann halt. Die einfachen Anführungszeichen sind aber ganz zu Recht aus der Mode gekommen, sie nerven nämlich, wenn sie so viel eingesetzt werden wie hier. Einfach doppelte Anführungszeichen, gar keine Markierung oder kursiv. So wirkt es leider auch arg formelhaft.
Also formal wäre die Geschichte einwandfrei, wenn die ungewohnten einfachen Anführungszeichen nicht wären.
Inhaltlic ist die Geshichte schon - das klingt immer so hart - auf niedrigem Niveau durchaus gelungen, ist aber besser als wenn sie auf mittelmäßigem Niveau mißglückt wäre. :)
Die Pointe ist leider ein wenig vom Fließband und könnte auch einen Witz abrunden.

Gruß
Quinn

 

Hi Dr. Time!

Jau, das hat kurz Spaß bereitet - aber leider verlief sich das Ganze dann am Ende etwas.

Das eine denken, das andere sagen; sich um Kopf und Kragen reden - kennt jeder (Kerl), kommt gut an.

Einfache Anführungszeichen ausmerzen! Da geb ich Quinn recht; das hat mich auch gebremst. Warum hast Du nicht einen Ich-Erzähler gewählt? Damit wäre es einfacher gewesen, die Gendanken einzuflechten:

Ich war pleite und hatte kein Geld für einen Frisörbesuch.
"Ich war auf Weltreise", höre ich mich sagen.
Idiot!

So in der Art ... ich fänd's lustig. :)

Diese unkonventionelle Absatzverteilung; die hat mich auch gebremst. Das kam nie so richtig in Fahrt, immer wurde unterbrochen, schade.

Aber ja: Zu Beginn amüsant. Dann abfallend. Nett. Zum Glück kurz genug. Genau wie diese Rückmeldung. :)

Bis denne,
Fisch

 

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