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Eine Nacht am Meer

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06.01.2009
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Eine Nacht am Meer

I​

Das Meer war in der Dunkelheit nur schwer zu erkennen. Leise hörte man in der Ferne die Wellen an die steinige Küste rollen. Roman Saltora stand auf der Terrasse der kleinen Penthouse Wohnung in dem abgelegenen schwedischen Fischerdörfchens und starrte auf das, was sich vor seinen Augen an dem dünnen Küstenstreifen abspielte. Er war erst seit ein paar Tagen in dem Ort, um sich auszuruhen und wieder zu sich zu kommen, wie ihm sein Manager empfohlen hatte. Nach der Entziehungskur in einer Klinik voller ähnlich solventer, versoffener und halbwegs berühmter Klienten hatte sein Arzt ihm zu einer Auszeit geraten.

Roman Saltoras Schwester Gulia hatte vor drei Jahren einen Schweden geheiratet und lebte seitdem als Innenarchitektin in dem Dorf am Meer, das sich genug von dem Charme und Authentizität vergangener Tage bewahrt hatte, um als beliebter Anziehungspunkt für schwedische Prominenz und einige versprengte Intellektuelle zu gelten. Im Gegensatz zu Los Angeles, London oder New York erschien es Roman Saltoras Manager als die ideale Bastion für Roman, die letzten Tage vor dem kommenden Dreh zu verbringen. Ruhig, jedoch nicht langweilig, verträumt, aber nicht weltfremd, so präsentierte sich das Fischerdorf seinen Gästen. Als Roman Saltora auf der Terrasse der Wohnung eines von Guilas Musiker-Freunden stand, dachte er ernsthaft darüber nach, wie er von seinem striktem Vorhaben, dem Alkohol zu entsagen und sich voll und ganz auf die bevorstehenden Dreharbeiten zu konzentrieren, so schnell und von ihm fast gänzlich unbemerkt abgekommen war.

Geradezu gleitend und schwerelos geschah der Rückfall in alte Muster, die er doch so unbedingt hinter sich lassen wollte. Mit dem Blick auf das friedlich rauschende Meer forschte er nach den Gründen, die zu seinem neuerlichen Kontrollverlust geführt hatten. Er betrachtete die Flasche schwedisches Bier in seiner Hand und rekapitulierte den bisherigen Verlauf des Abends: Abendessen mit Gulia und ihrem Mann Sören, Diskussion über Sinn und Unsinn von Roman Saltoras Teilnahme an der Release-Feier des Musiker-Freundes, die in angeblich kleinem Rahmen stattfinden sollte, Einverständniserklärung von Gulia zur Teilnahme unter der Bedingung, stets in ihrer Nähe zu bleiben und den Verlockungen des Alkohols mit eisernem Willen zu widerstehen und schließlich Ankunft in der kleinen, aber stilvollen Mietwohnung des Musikers. An irgendeinem entscheidendem Punkt musste sein eiserner Wille gebrochen und seine guten Vorsätze ihre Bedeutung verloren haben. Vermutlich in dem Moment, als Gulia verkündete, für einen kurzen Moment ein dringendes Telefongespräch vor der Tür führen zu wollen. Kurz darauf hielt Roman Saltora seinen ersten Wodka seit mehreren Monaten in der Hand, dem in schneller Reihe weitere folgen sollten.

Draußen auf der geräumigen Terrasse hörte er Placebos "Every You Every Me" aus dem Inneren der Wohnung schallen. Um ihn herum schlängelten sich Körper an- und umeinander, machten verschwommene Augen Blickkontakt und tauschten seltsam verzogene Münder scheinbar in Zeitlupe Nichtigkeiten aus. Roman Saltora dachte daran, wie ähnlich sich die schwedische Provinz und Hollywood doch waren. Er drehte der wogenden Meute seinen Rücken zu und starrte wieder Richtung Meer.

Obwohl sein Alkoholpegel wie in alten Zeiten messbar in die Höhe schnellte und seine sinnliche Wahrnehmung nur noch langsam und durch einen dichter werdenden Schleier funktionierte, war er sich sicher, dass er auf dem schmalen Bootssteg unten an der Küste Bewegungen gesehen hatte. Der Steg verlief in L-Form und machte nach einem längeren geraden Stück einen Knick nach links, so dass dieses letzte Stück über dem dunklen Wasser ragte. Der Steg war gesäumt von drei schwach leuchtenden Lampen, die nur wenig Licht spendeten. Zwei kleinere Boote lagen dort vor Anker, soviel er konnte er problemlos erkennen. Die zwei Besitzer schienen gerade eine heftige Diskussion zu führen. Roman Saltora machte zwei Männer aus, die sich mit ausladender Gestik stritten. Wie ein Torrero seinen Stier umkreiste der eine den anderen, bis dieser fast bis an die Kante des Stegs zurückweichen musste, um den gehobenen Fäusten des anderen zu entkommen. Ihr Gebaren glich einem aggressiven Tanz, den keiner vorzeitig verloren geben wollte. Mit ihrer ganz in schwarz gehaltenen Kleidung und den tief ins Gesicht gezogenen Baseball-Caps sahen sie zwar nicht nach typischen schwedischen Bootsurlaubern aus, aber was wusste Roman Saltora schon davon? Seine Welt war die alkohol- und drogeninduzierte, geile, geldgierige Welt Hollywoods, in die er in wenigen Tagen für seinen nächsten Film zurückkehren sollte.

Bevor er sich von dem Spektakel vor seinen Augen abwandte, um sich ein weiteres Glas Wodka zu genehmigen - wer weiß, wann Gulia wieder auftaucht?, dachte Roman Saltora bei sich - sah er, wie sich die erhitzten Gemüter scheinbar beruhigt hatten und die zwei Männer nacheinander auf das Boot stiegen und unter Deck gingen. Mit der Verabschiedung der beiden Protagonisten gab auch Roman Saltora seinen Beobachtungsposten auf der Terrasse auf und drängte sich durch die Menge zurück in die warme Umarmung eines kühlen Wodkas.


II​

Am nächsten Morgen klingelte Roman Saltora an Gulias Haustür. Ihren Zweitschlüssel, den sie ihm für seinen Aufenthalt gegeben hatte, musste er auf der Party verloren haben. Vielleicht aber auch auf dem Weg zu der Wohnung der jungen Kunststudentin, die es ihm in den letzten Stunden der Nacht leicht machte, die Sünden des Abends zu vergessen und Absolution in ihren Armen zu finden. Gulias Mann Sören öffnete nach kurzem Klingeln stürmisch die Tür: "Wo warst du die ganze Nacht? Und wo ist Gulia?". Roman Saltora kniff die Augen zusammen und versuchte durch die einsetzenden Kopfschmerzen hindurch adäquate Antworten auf diese Fragen zu finden: "Auf der Party. Im Bett?". "Genau da war und ist sie eben nicht. Ich dachte, sie wäre mit dir unterwegs oder hätte bei Hakan übernachtet. Ich rufe jetzt die Polizei", gab Sören zurück. Roman Saltora folgte ihm auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer, wo Sören schon dabei war, einem Polizeibeamten am Telefon das Verschwinden seiner Frau zu schildern.

Die Polizei fand später heraus, dass Gulia für ihr Telefongespräch bis vor die Haustür gegangen sein musste. Vermutlich war der Empfang ihres Handys schlecht oder der Lärm aus der Wohnung machte es ihr unmöglich, zu telefonieren. Auf der Straße sprach sie ein Mann aus einem Wagen heraus an und bat sie um Hilfe bei der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Sein Komplize überrumpelte sie und gemeinsam schafften sie es, Gulia in den Kofferraum zu sperren. Sie fuhren dann mit ihr an den Bootssteg, versiegelte ihr den Mund mit Klebeband und führten sie auf ihr Boot, wo sie sie mehrfach vergewaltigten. Nach einem kurzen Disput, was mit ihr nun zu tun sei, fuhren sie mit ihr aufs offene Meer und versenkten sie geknebelt im Wasser. Drei Wochen, nachdem man die Täter mit Hilfe eines DNA Vergleichs gefasst hatte, fand man Gulias Leiche, aufgeschwemmt und verstümmelt.

Roman Saltora befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits wieder in Behandlung, diesmal nicht nur wegen seiner wiederkehrenden Alkoholsucht, sondern auch wegen schweren Depressionen. Taumelnd vor Selbstvorwürfen und Verachtung für seine eigene Schwäche betäubte er seinen Selbsthass in immer mehr Alkohol. Die Traumfabrik gab ihn dank seiner immer heftiger werdenen Exzesse vorerst frei. Losgelöst von allen Verpflichtungen kannte er keine Grenzen mehr, bis er sich eines Tages in einer Gruppe psychisch kranker Patienten wiederfand, die wie er die Traumata ihres Lebens zu begreifen versuchten.

 

Hallo zusammen,

danke schon mal an jeden, der sich die Zeit nimmt, meine Geschichte zu lesen und auch für kritisches Feedback!

LG Madrugada

PS: Hoffe, sie ist in der richtigen Rubrik....

 

Guten Abend, madrugada, und willkommen hier im Forum!

Dein Held hat ja mal Pech gehabt, daß er gerade an dem Abend betrunken war, könnte man meinen. Andererseits hätte er aus der Szene, die er beobachtet hat (zwei streitende Männer) auch in stocknüchternem Zustand nicht schlußfolgern können, daß er Zeuge eines Verbrechens wird und es noch verhindern könnte. Sehr wahrscheinlich hätte er auch dann weder die Polizei gerufen noch Giulia mit der Szene in Verbindung gebracht.
Das Verbrechen und der Zustand bzw. das Verhalten des Helden sind zwei Paar Stiefel. Er wird erst rückfällig und später depressiv, als Anlass hat er sich die Geschehnisse dieser Nacht ausgesucht, die wahren Gründe liegen in seinem Wesen.
Wäre er in dieser Nacht stattdessen mit Giulia im Bett gelandet, es hätte einen ebenso brauchbaren Grund für Selbsthass etc abgegeben. Was hätte er getan, wäre Giulia nie gefunden worden oder mit einem Surfer nach Alaska durchgebrannt? Nichts anderes wahrscheinlich.

Ich finde, daß die Geschichte in der falschen Rubrik steht, denn a) gibt es keine Spannung und b) ist es kein Krimi, denn das Verbrechen und seine Aufklärung passieren nebenher, sind aus kriminalistischer Sicht unspektakulär und bieten lediglich den Aufhänger für den Absturz des Helden, für den ich im Übrigen weder Mitgefühl noch Sonstgefühl aufbringen konnte.

Die Geschichte ist sehr plakativ erzählt: Grobumrissene Handlung, Schlagwörter und Schlaglichter, spontan fallen mir x Prominente ein, die solche Phasen durchmachen und deren Phasen (Erfolg, Probleme, Sucht, Entzug in Einrichtung für Begüterte, Rückfall, tragisches Scheitern etc) man in Zeitschriften verfolgen kann.
Spannung kommt nicht auf, weil der Erzählton sehr allgemein und distanziert ist, Berichtston wie in: "Aus dem unglücklichen Jungen wurde ein Samurai. Er bestand viele Prüfungen und starb eines Tages den ehrenvollsten aller Tode." Da könnte schon das unglaublichste Drama enthalten sein, aber es ist nicht greifbar; man liest und denkt: Aha, und wann gibt's Kaffee?

Das soll jetzt nicht heißen, daß ich die Geschichte schlecht finde. Nur eignet sich dieser Ton eben nicht, um eine lebendige Geschichte zu erzählen. Eine "warme Umarmung" zwischendurch reicht nicht.
Du formulierst recht routiniert, ich denke, daß Du auch so schreiben könntest, daß die Geschichte den Leser packt.

Hier z.B. glaube ich folgenden Wunschfaden zu erkennen: Der Mann trinkt im falschen Moment, darum stirbt die Frau, und der Mann geht aus Schuldgefühl zugrunde. Ein Moment, der alles kaputtmacht, Nachlässigkeit fordert gewaltig Tribut etc: Klassiker.
Nur daß die Situation das eben nicht hergibt. Du könntest die Szene am Steg umschreiben, sie etwas eindeutiger machen (z.B. die Männer tragen ein seltsames, großes Bündel aufs Boot, der Held in seinem besoffenen Kopf meint fast, das Bündel habe sich bewegt, verachtet sich selbst im nächsten Moment für seine verdrehte Optik und geht sein Gesicht kalt waschen).
Über das Wesen des Helden könntest Du mehr schreiben (z.B. könnte er Regisseur sein und besonders stolz auf seine gute Beobachtungsgabe; oder er sieht stets in alltäglichen Situationen hundert mögliche Zukunftsverläufe, und weil ihn das oft quält und lähmt, hat er das Trinken überhaupt angefangen, denn wenn er betrunken ist, funktioniert die Gabe nicht mehr).

Das sind jetzt nur zwei Sachen, die mir einfielen und die den Plot "Er hätte es verhindert, wäre er nüchtern gewesen" stärken könnten. Vielleicht hattest Du anderes im Sinn, dann nichts für ungut.

Ich wollte noch ein paar Fehler korrigieren, aber jetzt hab ich soviel geschrieben, daß ich dafür zu faul bin. Da kommt bestimmt noch einer und macht Dir Die Liste.

Zum Thema Stil:
Lies Dich mal hier um, hier stehen viele spannende und lebendige Geschichten. Es ist viel interessanter, etwas beim Lesen zu erfahren als es vorgeschwafelt zu bekommen.

Freundlichen Gruß!
Makita.

 

Hallo Makita,

zuerst vielen lieben Dank für deine ausführliche Antwort! Es ist immer interessant und spannend zu sehen, was andere Leser zu einer Geschichte sagen.

Dass die Geschichte in der falschen Rubrik steht, kann schon sein. War mir selber unsicher. Vielleicht stell ich sie lieber in "Alltag"?? Sie ist auch gar nicht wirklich als Krimi gedacht gewesen, wie du schon richtig erkannt hast.

Absturz des Helden, für den ich im Übrigen weder Mitgefühl noch Sonstgefühl aufbringen konnte.

Ich hab selber wenig Mitgefühl für meinen Helden...keine Ahnung, ob man das immer haben muss für seinen eigenen Helden???...aus diesem Grund ist wahrscheinlich auch der Ton so distanziert....ich verstehe aber was du meinst, wenn du sagst, dass Dich die Geschichte wenig gepackt hat. Der distanzierte Ton war in einer Hinsicht gewollt, weil der Held ja auch nur Beobachter ist und auch nicht viel an sich ranlässt...ich werde auf jeden Fall versuchen, die Geschichte so umzuschreiben, dass sie lebendiger wird!

Danke und lg
Madrugada

 

Hallo madrugada!

Kritisches Feedback? Okay, dann fange ich mal oben an: Im ersten Absatz entsteht der Eindruck, dass sich Roman alleine in seinem Penthouse befindet (übrigens, Penthouse-Terrasse? Ein Penthouse befindet sich ganz oben, auf dem Dach, die Terrasse ist auf der Erde - Terra). Dass Roman nicht in seiner Wohnung ist, sondern auf der Party von Freunden, muss sich der Leser später mühsam zusammenpuzzeln. Warum beschreibst du die Situation nicht von Anfang an klar?

Auch bist du mir viel zu beschreibend/behauptend ("Geradezu gleitend und schwerelos geschah der Rückfall in alte Muster"), du gehst in keine Situation live rein, erzählst also nicht direkt, mit Dialogen und so. Das wäre aber für die Leser viel interessanter, weil man sich dann viel eher und viel besser ein Bild von den Personen machen kann.

Insgesamt finde ich den Text sehr öde, sorry. In Teil I steht Roman nur rum, denkt ein bisschen über seine Vergangenheit nach und sieht in der Ferne Leute streiten. Und in Teil II? Da wird nacherzählt, was passiert sein soll. Gulia wurde also vergewaltigt und ermordet. (Dabei ist in Teil I total untergegangen, dass sie überhaupt verschwunden ist. Roman hat sie zwar 'ne Weile nicht mehr gesehen - aber was soll's? Roman geht ihr mit seinem Wodka doch ohnehin aus dem Weg.)

Noch ein Detail: "Drei Wochen, nachdem man die Täter mit Hilfe eines DNA Vergleichs gefasst hatte, fand man Gulias Leiche" => Was für DNA hat die Polizei denn verglichen, wenn sie nicht mal Gulias Leiche hatten? (Und auch wenn sie erst Gulias Leiche finden würden - nach mehr als drei Wochen im Wasser dürften restlos alle DNA-Fremdspuren weggeschwemmt worden sein.) Und von was für einem Verbrechen ging die Polizei aus, wenn Gulia "nur" verschwunden ist?


Also, mein Tipp: Komm weg von der Nacherzählung, lass die Leser live beim Geschehen dabei sein. Beispiele dafür, wie man so etwas machen kann, wirst du sicher in jedem Roman, den du bei dir zu Hause rumliegen hast, finden.


Zeichensetzung: "Im Bett?". "Genau da" => Es kommt kein zusätzlicher Punkt hinter die wörtliche Rede. Und mach bitte immer einen Zeilenumbruch, wenn der Sprecher wechselt.

Es sind auch noch ein paar RS-Fehler im Text (z.B.: "Torrero") und für mich unverständliche Wörter (z.B.: "drogeninduzierte"), bei denen du darüber nachdenken solltest, was für ein Lesepublikum du ansprichst. (Nur Leute mit Hochschulstudium? - Falls nicht, dann bitte einfacheres Vokabular.)

Grüße
Chris

 

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