Eine Nachtgeschichte
Ben schlich sich möglichst langsam an die Zimmertür ran und lauschte. Leise, aber unüberhörbare Geräusche deuteten darauf hin, dass das Beast immer noch im Zimmer war. Angst, Müdigkeit und kalter Küchenboden ließen seinen Körper zittern.
Was soll ich jetzt blos machen? Ich kann doch nicht die ganze Zeit in der Küche bleiben.
Er war erschöpft und hatte gehofft, dass er sich endlich mal ausschlafen könnte. Der ewige Stress in der Arbeit, in der Beziehung... Beziehung? Habe ich überhaupt eine? Für einen kurzen Augenblick vergaß Ben das Monster im Schlafzimmer und schaute verwirrt den Kühlschrank an. Beziehung... Ach, ja! Die Marion...
Ich brauche Schlaf, ich muss mich erholen.
Leider war seine Angst vor dem Ungeheuer stärker, als seine Erschöpfung. Wie konnte so was passieren?
Verdächtiger Lärm im Schlafzimmer hatte ihn mitten in der Nacht aufgeweckt. Anfangs erschracken ihn die geheimnisvollen Geräusche und er versteckte sich unter der Decke. In seinem dunklen und warmen Versteck versuchte er sich zu beruhigen. Und obwohl er mit ganzer Kraft an seine Männlichkeit appelierte, ließ ihn der Gedanke, dass er nicht alleine in dem Zimmer ist, noch tiefer unter die Decke kriechen.
Nach einiger Zeit, als die Luft unter der Decke heiß und stickig wurde, hörte der Lärm auf. Ben verließ sein Versteck und machte das Licht an. Das, was er sah, ließ ihn vor Furcht zittern und sein Herz in die Hose rutschen. Einen Moment lang stand er mit offenem Mund da und versuchte verzweifelt nach Luft zu schnappen. Er konnte nicht begreifen, wie so was geschehen konnte.
Seine geliebten Hosenträger lagen in der Mitte des Zimmers... nein, das, was mal seine geliebten Hosenträger waren... Zerrissen, zerknittert, zerknabbert und zerkaut, lagen die, wie ein schwarzer Haufen auf dem Boden. Wer konnte so was machen? Welches kranke Gehirn versucht ihn auf diese grausame Weise zu verletzen? Diese und noch hundert andere Fragen flitzten durch seinen bestürzten Verstand.
Dann sah er den Übeltäter. Eine fette und, wie es Ben schien, grinzende Ratte, saß gemütlich auf seinem Sofa. Sind es Stoffreste zwischen ihren Zähnen? Warum hat sie so was getan? Es ist bestimmt ein Weibchen. Nur ein Frauengehirn kann sich so einen grausamen Plan ausdenken. Oder wurde sie vielleicht von einer Frau dressiert?
Bens Pyjama klebte an seinem verschwitzten Körper.
Plötzlich bewegte sich die Rättin. Diese kleine, langsame Bewegung versaß Ben in Todesangst. Die will bestimmt angreifen. Erst hat sie die Hosenträger vernichtet und jetzt will sie auch noch den Besitzer fertig machen.
Ben verspürrte einen verzweifelten Wunsch nach einer Umarmung von der Frau, an deren Namen er sich in diesem Moment nicht erinnern konnte, dann lief er schreiend in die Küche und schlug laut die Tür hinter sich zu.