Eine Tasse Tee
In einer viertel Stunde würde das Taxi kommen. Sie hatte also noch ausreichend Zeit für eine Tasse Tee.
Gedankenverloren füllte sie im Badezimmer den Wasserkocher. Hatte Sie auch nichts vergessen? Noch einmal ging sie die Liste durch, zum vierten Mal an diesem Morgen. Zahnbürste, Zahnpaste, Duschzeug, Klamotten für zehn Tage, das Handy. Wo war das Ladegerät?
Sie stellte den Wasserkocher auf den kleinen Nachttisch neben dem Bett und schaltete das Gerät an. Sie durfte nachher nicht vergessen, ihn in eine Tüte zu packen, sonst würde ihre Wäsche ganz nass werden.
Langsam fing das Wasser an zu kochen. Wo war sie gerade stehen geblieben? Ach ja, das Ladegerät. Irgendwo zwischen dem Mülleimer und dem Kleiderschrank hatte sie es am Abend noch gesehen. Als sie das Gerät endlich unter einem Stapel Socken fand, an den sie nicht gedacht hatte, kochte das Wasser bereits.
Aus einem Seitenfach ihrer Reisetasche kramte sie einen Teebeutel hervor. Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem ironisch, spöttischen Lächeln. Ein richtiger Tee wäre ihr lieber gewesen, nicht diese merkwürdigen Beutel, die nach nichts schmeckten.
Auf dem Nachttisch stand noch der Becher ihrer heißen Schokolade vom Vorabend. Eigentlich nutzte sie keinen Zimmerservice. Aber sie hatte sich allein gefühlt.
Sie ging ihre Liste weiter durch, während sie den Becher im Bad ausspülte. Schlafanzug, die Kamera, das Buch, die Präsente für die Kleinen. Die Socken lagen mit dem Ladegerät neben der Reisetasche auf dem Bett.
Sie legte den Teebeutel in den Becher und goss Wasser auf. Flüchtig sah sie sich ein letztes Mal nach Verschollenem um. Der Schrank war leer, das Bad geräumt, die Handtücher lagen auf dem Boden. Alles war eingesammelt, die restlichen Sachen lagen bereit. Sie nahm den durchweichten Beutel heraus und schmiss ihn weg.
Der einzige Stuhl im Zimmer war nicht besonders bequem, aber das Bett war „besetzt“. Vorsichtig schlürfte sie das heiße Wasser. Heute Mittag würde sie wieder bei ihrer Familie sein, in den Alltag zurückkehren. Vorbei war das Abenteuer, zehn Tage ohne sie durch die Welt zu gehen.
Sie trank ihren Tee aus, ließ den Becher auf dem Nachttisch stehen und packte die letzten Sachen in ihre Tasche. Das Taxi würde jeden Moment da sein. In der Tür blieb sie stehen und sah sich noch mal um. So sahen also zehn Tage Freiheit aus.