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Eine wahre Geschichte!?
Oh Gott, tut mir der Schädel weh!...
Warum liege ich auf dem Boden?...
Warum sind da Gitter?...
Scheiße, ich bin in einer Zelle. Was habe ich getan? Ich überlege, was die letzten 24 Stunden abgelaufen ist. Leider kann mein Gehirn mir nicht wirklich helfen. Immer noch unter schwer Promille weigert es sich einfach, mitzuarbeiten.
Aus dem Unterbewusstsein schält sich ein erschreckender Gedanke. Wenn ich irgend etwas Schlimmes getan habe, muss mir Blut abgenommen worden sein. Ich streiche meine Pulloverärmel hoch und kontrolliere meine Ellenbeugen. Erst rechts. Dann links. Puh! Keine Einstiche. Also war ich „nur“ zu betrunken und habe keine Straftat begangen.
Dann schleicht sich schon der nächste Gedanke an. Du hast heute Selbstverteidigung, sagt er, denn es ist erst Freitag. Ah, es gibt eine Klingel. … Nach fünf Minuten Klingeln bewegt sich endlich einer der Uniformierten zu meiner Zelle. Er ist grauhaarig, untersetzt und schaut mich genervt an. Mittlerweile hat sich meine Blase gemeldet, was ich dem Typen also mitteile. Er schließt auf und ich darf auf die Toilette. Alles ist in einfachsten Edelstahlausführungen gehalten. Ich bin aber nur froh, pinkeln zu dürfen. Er begeleitet mich zu meiner Zelle zurück.
„Ich bin wach und will nach Hause.“ , versuche ich, Informationen aus ihm herauszukitzeln.
„In einer halben Stunde darfste auch raus!“, grummelt er zurück. Ich lasse mich widerstandslos einschließen. Eine halbe Stunde also. Das selbst in meinem Zustand schaffbar. Und ich habe tatsächlich nichts Strafbares gemacht. Sonst dürfte ich nicht gehen. Erleichterung!
Ich lege mich auf den Holzblock, der ein Bett darstellen soll. Äußerst unbequem! Also bleibt nach gefühlten fünf Stunden nur der geflieste Boden und ich schlafe da noch mal ein.
Der grauhaarige Wa(ch)po(lizist) weckt mich, und führt mich in den Wachraum. Ich erhalte meine Geldbörse, Schlüssel, Schuhe, Gürtel und meine Jacke zurück, die leider vollgekotzt ist. Ich verlasse so schnell ich kann das Gebäude und stelle mich an die Bushaltestelle.
Ich wäre ja auch zum Dienstsport gegangen, aber leider hatte ich meine Jiu-Jitsu-Sachen nicht mit. Also nach Hause.
Im Bus schauen mich alle komisch an, wahrscheinlich rieche ich nicht allzu gut. Meine Kotz-Jacke habe ich in der Hand, aber bei näherer Betrachtung ist es auch auf den Pullover durchgesuppt, sieht man nur nicht. Am Bahnhof Westend schmeiße ich die Jacke weg. Und fahre die fünf Stationen nach Hause.
Mein Bruder schläft in seinem Bett, die Sau! Er hätte mich ruhig nach Hause bringen können, immerhin wohnt er hier in meiner Wohnung seit mehr als einem Jahr. Er wird später sagen, er hätte Angst gehabt, mich weiter zu begleiten. Was für eine billige Ausrede. Diese Geschichte werde ich ihm einige Jahre vorhalten müssen.
Langsam kehren auch die Erinnerungen an den gestrigen Abend zurück. Ich spielte die Partie Schach meines Lebens. Nicht einen Fehler! Ich hätte jeden schlagen können, doch nur Andy war mein Gegner. Nach jedem meiner Züge nahm ich einen Tequila. Mein Bruder kam gar nicht mit Zitrone schneiden hinterher. Später als der Tequila alle war, kam Cedric und brachte eine Flasche Sambuca aus seinem Auto an. Na ja, kirchliche Jugendgruppe halt.
Ich wollte meinen Bruder auf dem Heimweg unbedingt etwas zeigen. Aber der eine Kilometer Umweg war ihm zuviel. Ich kam in die Zelle, er ins Bett. Die Welt ist ungerecht.
Was ich ihm zeigen wollte, wird wohl für immer mein Geheimnis bleiben.
Zwei Wochen später trudelte ein Brief vom Ordnungsamt ein. „Sie verursachten als Fußgänger einen Verkehrsunfall mit Sachschaden. Zahlen Sie 125 Mark und kassieren sie 3 Punkte in Flensburg.“ Ich war äußerst erstaunt. Doch da ich einen Filmriss hatte, wusste ich nicht, was passiert war.
Eine Nachfrage auf dem Abschnitt, auf dem ich übrigens mein Praktikum im 4. Semester gemacht hatte, ergab, das sie mir nur ein Ticket einrühren wollten, sich aber in der Tatbestandsnummer verschrieben hatten. Ich wusste bis dahin nicht, dass es 30 Mark kostest, wenn man ohne Begleitperson betrunken am Straßenverkehr als Fußgänger teilnimmt. In jenem Moment kam der Abschnittsleiter um die Ecke. „Oh, Herr Krautmann, was haben wir denn da?“ er schaute auf den Bericht. Nun wusste er „offiziell“ von dieser Sache Bescheid. Insgesamt kostete mich dieser Abend trotzdem 50 Mark für den Transport und 220 für die Feststellung meiner Verwahrfähigkeit durch den Amtsarzt. Nur die Übernachtung an sich war kostenlos.
Ob es einen Zusammenhang zwischen meinem Erfahrungsbericht über das Praktikum, in der der Abschnittsleiter seine Waffe nicht ordnungsgemäß durchlud und dafür ein Disziplinarverfahren bekommen hatte, und der Einlieferung in die Ausnüchterungszelle durch Kollegen, die wussten, wo ich wohnte, gab?
Zwei Wochen nachdem ich an der Fachhochschule eine Krankschreibung für den Freitag vorgelegt hatte, begann das neue Semester für uns Polizeischüler. Wir hatten Führungslehre und wer spazierte herein?
Der Abschnittsleiter.