Einsame Tage - Die andere Seite
Vorwort:
Dies ist das Komplement zu der Kurgeschichte "Einsame Tage", welche die traurige Geschichte eines Mannes erzählt, welcher von seiner Frau verlassen wurde und durch seine Einsamkeit in den Selbstmord getrieben wurde. Der Zeitliche Rahmen dieser Geschichte, diesmal aus der Sicht seiner Ex - Freundin, bewegt sich von der Anfangszeit bis nach seinem Tod. Ich will hiermit mal versuchen die Komplexität der Beziehung zwischen den beiden deutlich zu machen. Viel Spaß beim Lesen.
(Teil 1 wird noch geuppt)
Es war ein warmer Tag im Sommer... Ich wollte in ein Café um das schöne Wetter von der Terrasse aus zu genießen. Leider war es zur Mittagszeit brechend voll dort und ich konnte keinen freien Tisch mehr bekommen, deshalb setzte ich mich zu einem jungen Mann an den Tisch. Schon von Anfang an herrschte eine besondere Spannung zwischen uns. Nach etwa einer viertel Stunde fingen wir an uns zu unterhalten. Er erzählte mir von seiner Arbeit in einem Softwareunternehmen, seiner schönen Wohnung und vieles mehr. Wir vergaßen völlig die Zeit und konnten nur hektisch unsere Telefonnummern austauschen bevor unsere Wege sich wieder trennten. Ab diesem Moment hatte ich Schmetterlinge im Bauch. Ich konnte es gar nicht abwarten und rief Ihn noch am selben Abend an. Wir trafen uns kurz darauf zum Essen und je öfter wir uns sahen desto sicherer war ich mir, dass Stefan der Mann für`s Leben sei. Dann ging alles ziemlich schnell. Die ersten 8 Monate waren einfach traumhaft. Er las mir jeden Wusch von den Lippen ab. Wir entschlossen uns dazu zusammen zu ziehen. Da er schon eine Traumhafte Wohnung hatte zog ich zu Ihm. Doch bald schon war die Harmonie gänzlich verflogen. Ich weiß nicht woran es lag, aber alles wurde zur Routine. Es fiel mir schwer mit Stefan darüber zu reden und ich traute mich nicht seine heile Welt zu zerstören, denn er schien nichts davon zu bemerken. Ich wurde immer unglücklicher doch es störte Ihn nicht...das glaubte ich zumindest damals. Jeden Tag das Gleiche. Er ging morgens früh zur Arbeit, kam gegen 17 Uhr Heim. Dann aß er, schaute mit mir Fern und dann gingen wir zu Bett. Niemals redeten wir über uns. Nur über seine Arbeit, eine neue Einbauküche oder ein Geschäftsessen. In meinen Augen war ich Ihm egal. Wenn er arbeitete weinte ich den halben Tag, da all meine Vorstellungen und Wünsche zerplatzt waren, wie eine Seifenblase. Ich wußte weder ein noch aus. Nach ca. 1 1/2 Jahren entschloss ich so nicht weiter leben zu wollen.
Ich packte meine Koffer als er arbeiten war und ging ohne ein Wort zu sagen weg, ohne zu wissen wohin ich eigentlich wollte. Letztendlich landete ich bei einer alten Freundin von mir. Ich dachte immer das wäre das beste für Ihn und mich gewesen, auch wenn es nicht einfach war. Er rief ständig an und flehte mich an zurück zu kommen. Täglich klingelte das Telefon und irgendwann gab meine Freundin Stefan zu verstehen, dass keine weiteren Anrufe von Ihm erwünscht seien. An manchen Tagen stand er stundenlang vor der Haustür und wartete darauf, dass ich raus komme. Er wurde mir allmählich unheimlich, so dass ich nur noch selten vor die Tür ging. Und selbst wenn ich das Haus mal verließ schaute ich vorher aus dem Fenster ob er zu sehen war. Sein Anblick war erschreckend, als ich Ihn dann mal zufällig beim Wochenendeinkauf traf. Er war unrasiert, viel dicker als früher, hatte Blutunterlaufene Augen und war kreidebleich. In seinem Einkaufswagen lagen lediglich Tiefkühlgerichte, Schnapps- und Bierflaschen und Chips. Ich telefonierte mit seinen Freunden, da ich mir Sorgen machte. Jeder den ich anrief sagte mir, dass Stefan sich schon seit Ewigkeiten nicht mehr hatte sehen lassen und das er auch nie zu erreichen war. Es vergingen noch mal drei Wochen ehe ich den Mut fasste zu Ihm zu fahren. Er ließ mich zu sich herein und war völlig perplex. Mindestens 3 mal entschuldigte er sich für das Chaos in seiner Wohnung. Es sah wirklich schrecklich aus. Überall Chipstüten, leere Schnapps- und Bierflaschen und es stank nach Zigarettenqualm. Als wir zusammen waren rauchte er schon nicht mehr. Mir wurde klar, dass es Ihm sehr schlecht ging. Ich fragte Ihn was los sei, warum er sich so gehen lasse. Seine Antwort werde ich niemals vergessen.
Er sagte: "Ich habe doch nichts zu verlieren. Ich habe längst alles verloren, was ich je hatte. Wie soll ich jemals wieder so leben wie früher, wenn nichts mehr so wie früher ist?"
Es machte mir Angst Ihn so zu sehen. Ich hielt es nicht lange bei Ihm aus versprach Ihm aber wieder zu kommen. Es war schrecklich, er flehte und jammerte: "Bitte laß mich nicht wieder alleine! Ich weiß nicht mehr was ich tun soll. Ich habe doch nichts mehr, wofür soll ich noch leben? Verlass mich nicht wieder, bitte verlass mich nicht!"
Ich konnte nicht mehr... Um die Fassung nicht völlig zu verlieren und nicht in Tränen aus zu brechen, ging ich so schnell wie möglich, versprach Ihm aber in einer Woche wieder zu kommen. Ich schlug die Tür von außen zu und ging, während er noch etwas hinterher rief. Ich weiß bis heute nicht, was er gerufen hatte. Als ich genau eine Woche später wieder zu Ihm ging und an die Tür klopfte öffnete niemand. Ich klopfte wieder und wieder, doch kein Geräusch, keine Schritte zur Tür. Aus dem Blumenkasten im Flur nahm ich mir den Zweitschlüssel, welcher dort schon immer versteckt war. Ich hatte eine komische Ahnung, aber ich wußte nicht warum. Dann öffnete ich die Tür.
Alles war wieder sauber, kein Gestank in der Luft, so wie es früher immer gewesen war. Auf dem Tisch lag ein Brief, als ich näher trat sah ich, dass er an mich gerichtet war. Ich laß Ihn und erschreckte. Was hatte das zu bedeuten? Ich ging in das Badezimmer, aber es war leer. Dann ins Schlafzimmer... Er lag auf Seinem Bett und schien zu schlafen. Auf der anderen Bettseite lag ein Strauß roter, langstieliger Rosen, welche eine Traumhaften Duft versprühten. Ich wußte dass Sie für mich gedacht waren, auch wenn er es weder geschrieben, noch gesagt hatte. Ich erschrak, als ich auf den Boden schaute. Dort lag eine leere Tablettenröhre neben einer Mineralwasserflasche.
Jetzt würde mir alles klar. Mir wurde plötzlich total übel und ich rannte ins Badezimmer. Dort verlor ich das Bewusstsein. Ich wachte in einem Krankenhaus wieder auf. Ein Polizist stand an meinem Bett. Als ich wieder bei besserer Gesundheit war machte ich meine Aussage. Seit diesem Tag habe ich keine Nacht mehr durchgeschlafen.
Ich bin Schuld an Stefans Tod. Es quält mich...ich kann so nicht mehr weiter leben. Ich hätte niemals gehen dürfen als es Ihm so schlecht ging.
Was hat er bloß gesagt, als ich die Tür zu schlug?
Was waren seine letzten Worte an mich?
Bald kann Er sie mir sagen. Bald wenn ich bei Ihm bin...