Einsamkeit
Seit Stunden sitze ich nun schon auf meiner Veranda.
Es ist schon weit nach Mitternacht, aber wieder einmal will dieMüdigkeit nicht über meine Melancholie siegen.
Träge sitze ich dort und starre in die Dunkelheit, die mich umgibt.
Sie bedrückt und durchdringt mich, doch ich kann mich nicht dazu durchringen, ein Licht zu entzünden.
Mein Blick gleitet hinauf zum Mond, der matt vom Himmel scheint. Die einzige Lichtquelle in dieser Trostlosigkeit... Selbst die Sterne scheinen ihren Glanz verloren zu haben.
Irgendwo kann ich die unheimlichen Schreie einer Eule ausmachen, die ihr Klagelied von sich gibt. Vermutlich teilt sie meine Einsamkeit...
Das Treiben des Tages ist lang vorüber und eine tödliche Stille hat sich über das Land gelegt. Ich kann diese Stille praktisch hören. Mich fröstelt.
Wolken ziehen auf. Sie werden von Wind begleitet, der sie schnell über den Himmel trägt. Als wollten sie den Menschen auch noch die letzte Lichtquelle nehmen, schieben sie sich immer schneller und dichter vor den Mond, der manchen Menschen so romantisch erscheint.
Die bedrohlichen Schatten der Bäume, die unweit meines Hauses stehen mischen sich mit dem grausamen Schwarz der Nacht.
Ich spüre die Gänsehaut auf meinen Armen.
Ach wenn es doch schon Morgen wäre...
Das Dunkel der Nacht droht mich zu verschlingen, zu erdrücken. Ich sollte nach drinnen gehen und ein Licht entzünden, aber ich bewege mich nicht. Reglos sitze ich da und beobachte meine Umgebung.
Fast unwirklich kommt mir der Gedanke an die Kinder vor, die hier auf dem nahen Spielplatz noch vor einigen Stunden fröhlich lachend gespielt haben. Ihre Eltern waren in gelöste Gespräche vertieft, während sie die warmen Sonnenstrahlen genossen hatten, ihre Kinder immer im Auge behaltend.
Es kommt mir nun vor, als lägen Jahre zwischen jenem Moment und der Leere, die sich nun breit gemacht hat. Jetzt herrscht die Stille, als wäre die Welt in einen todesähnlichen Schlaf gefallen.
Doch plötzlich: Donnergrollen. Der Wind wird stärker.
Ich frage mich, ob die Natur selbst dadurch ihren Unmut über die gespenstische Szenerie zum Ausdruck bringen will.
Ein gezackter Blitz zuckt durch die nun wolkenverhangene Nacht.
In sekundenschnelle teilt er einen Baum, der eben noch wie ein Wächter dot gestanden hatte. Gelbrote Flammen züngeln zu seinen Ästen empor,um gleich darauf von schweren Regentropfen gänzlich erstickt zu werden.
Weitere Blitze teilen den Himmel. Der Donner, der darauf folgt, ist wie laute Paukenschläge. Es ist, als ob sämtlicher Hass und alle Wut der Welt sich hierin niederschlägt.
Die Nacht wird zum Krieg. Naturgewalten prallen aufeinander, reiben sich und neutralisieren sich wieder, bis das Schauspiel von Neuem beginnt, dessen Faszination auch ich mich nicht entziehen kann.
Und dennoch kehrt der Gedanke zurück:
Wenn es doch endlich Morgen wäre...
Einige Zeit später hat sich die Natur ausgetobt und die fast greifbare Stille kehrt zurück. Während sich auch die Wolken zurückziehen, scheint die Zeit still zu stehen.
Nur die nasse Erde und der geteilte Baum lassen das Geschehene noch erkennen. Ich stelle fest, dass auch die Eule durch die zuckenden Blitze, die lauten Donnerschläge und den prasselnden Regen verstummt ist.
Trostloses Nichts umgibt mich. Die drückende Schwärze der Nacht wird fast unerträglich. Ach wenn es doch schon Morgen wäre...
Plötzlich sehe ich am Horitzont einen rosa Schimmer!
Er verwandelt sich in purpur um schließlich ein leuchtendes Orange zu werden.
Der Himmel nimmt ein wunderschönes Blau an.
Die Sonne geht auf!
Ich höre Vogelgezwitscher. Die Nacht, die ich als so schrecklich empfand ist endlich vorüber!
Meine Melancholie, meine Einsamkeit und meine Traurigkeit verlassen mich und ich spüre, wie das Leben in mich zurückkehrt.
Bald wird das Land wieder von geschäftigem Treiben erfüllt sein.
Das Sonnenlicht, welches mich nun förmlich zu durchfluten scheint, läßt in mir den Entschluß reifen, dass es Zeit wird, das Vergangene hinter mir zu lassen.
Heute fängt mein neues Leben an, denn endlich spüre ich wieder, was es heißt,
zu LEBEN!!!
Ende...?
NEIN!!!
Ein neuer Anfang!