Was ist neu

Einsatz in Torslanda

Seniors
Beitritt
31.08.2008
Beiträge
598
Zuletzt bearbeitet:

Einsatz in Torslanda

Das war mein Leben: Ich aß. Ich schlief. Vielleicht ging ich zur Uni. Ich programmierte. Ich las eine Menge E-Mails. Mir war klar, dass manche meiner Freunde mehr Sex hatten, aber das war okay. Offen gesagt, die meisten meiner Freunde waren auch Loser. Linus Torvalds

Tauben flogen gurrend auf und landeten einige Meter weiter wieder, als Rudolf seinen Wagen auf den Hinterhof in einem schummrigen Viertel in Herne lenkte. Der Wind wehte Plastikverpackungen umher, die sich aus den überquellenden Mülleimern befreit hatten.
„Gehen Sie zu Karl?“, fragte eine dickliche, blasse Frau. „Dann können Sie gleich das Katzenfutter mit hoch nehmen. Ich habe es gerade besorgt. Warten Sie.“ Die Frau verschwand im Treppenhaus; Rudolf folgte ihr.
„Hier ist es.“ Sie reichte ihm eine Plastiktüte.
„Danke.“ Rudolf ging die dunkle Holztreppe nach oben. Kartons standen im Treppenhaus. Durch ein Glasdach verirrte sich ein Schimmer von Tageslicht auf die schmutzigen Stufen. Im zweiten Stock hörte er ein gleichmäßiges Summen. Rudolf stieß die angelehnte Haustür auf und ging in Karls Wohnung.

„Hi, hast du sie am Laufen?“, fragte Rudolf.
Karl nickte, ohne vom Monitor aufzusehen.
„Hier ist das Katzenfutter“, sagte Rudolf und bedeutete ihm, daß er es in die Küche stellte.
Karl nickte; sein Gesicht war unter seinen langen lockigen Haaren kaum zu sehen. Rudolf suchte einen Weg über den Teppich zwischen Zeitungen, vollen Aschenbechern, Cola, Kaffetassen, Magnetbändern, einem Katzenklo und Datenträgern hindurch zu Karl, um auf seinen Monitor zu sehen. Auf einem runden Tisch neben Karls Stuhl setzte sich die Unordnung fort: Datenträger, Gläser, Zeitungen, Colaflaschen. Das Summen drang unüberhörbar aus dem Nebenzimmer.

Rudolf stand nun hinter Karl und sah auf die Bildschirme. Auf den meisten der Monitore tanzten bunte Figuren, sie sahen aus wie gebastelte Männchen mit dickem Bauch und kugelrunden Köpfen und veränderten ständig ihre Größe und Farbe. Seit die Fraktale und die Mandelbrotmenge entdeckt worden waren, bekam die Chaostheorie eine sehr ästhetische Komponente: die graphischen Darstellungen der mathematischen Gleichungen waren faszinierend schön. Karl hatte seine Rechenanlage damit programmiert, solche Bilder zu erzeugen. Im Augenblick arbeitete er an einem Monitor mit Systeminformationen.

„Seit wann läuft sie?“, fragte Rudolf.
„Seit letzter Nacht“, antwortete Karl. Er hatte Rudolf schon vor Wochen von seinem Plan erzählt, eine Großrechenanlage von IBM in seiner Wohnung aufzubauen und zum Laufen zu bringen. Einfach so, ohne weiteren Sinn. Karl hatte die Anlage von einer Versicherung für eine D-Mark erworben, abgebaut und in seine Wohnung transportieren lassen. Die Versicherung sparte so die Entsorgungskosten für den veralteten Rechner und Karl verwirklichte sich einen Traum.-

„Komm, ich zeige sie dir.“ Karl stand auf; sie gingen in das Nebenzimmer. Auf ungefähr vierzig Quadratmetern waren große graue Kästen aufgebaut, alle mannshoch, dazwischen standen ungeordnet hüfthohe runde Türme – die Magnetplattenspeicher. Riesige braune Scheiben und Greifarme wirbelten darin, speicherten und lasen Datenmengen, die jetzt auch ein kleiner Chip in einem PC bewältigen konnte. Es war ein bißchen wie der Aufbau einer alten Dampflokomotive: groß, uneffektiv, völlig veraltet, aber doch mit einem besonderen Reiz.
„Und wieviel frißt sie so?“, erkundigte sich Rudolf.
„Mann, was geht mich das an … sehr viel, kannste echt nur vorm Zähler anschließen, eyh.“
Alle Fenster standen weit geöffnet, trotzdem war es unangenehm heiß in dem Raum. Rudolf konnte sich den Stromverbrauch vorstellen. Aber vor dem Zähler angeschlossen ging das klar.
Sie gingen zurück; Karl ließ sich in einen riesigen, abgewetzten Sessel fallen. Rudolf ging in die Küche und setzte Wasser für Kaffee auf. Als er zurückkam, hatte Karl auf einer freigeschobenen Ecke des Tisches Tabak und Haschisch ausgebreitet und begonnen, beides sorgfältig zu vermischen. Dann drehte er alles in Zigarettenpapier, zündete den Joint an und zog. Er reichte ihn Rudolf; der zog und gab ihn zurück. In der Fensterbank streckte sich Karls Katze, dann kam sie langsam über die Sofalehne und den flachen Tisch zu Rudolf und kuschelte sich an seine Beine. Das Kaffeewasser kochte und der Kocher schaltete sich ab. Rudolf kümmerte sich nicht darum; der Kaffee passte jetzt nicht mehr. Er genoß es, Karl so zufrieden zu sehen.

Das Telefon klingelte und Rudolf machte sich auf die Suche. Er fand es hinter der offenen Tür zwischen Bierflaschen.
„Hi.“
---
„Karl isn’t here, you can talk to me.“
---
"Yes, he will come. You’ll take us to the airport?”
---
“Fifty-thousand.”
---
“No. You pay fifty if he needs less than twenty-four hours. If he needs one day more, you pay half. Two days more – quarter. But he won’t need three days.”
---
“Okay, see you in an hour.”
Rudolf legte auf und setzte sich auf das Sofa. Karl reichte ihm den nun schon fast abgebrannten Joint.
„Haben sie wieder ihren üblichen Crash?“
Rudolf nickte.
„Wieviel Zeit?“
„Sie kommen in einer Stunde.“

Sie hatten sich beinahe daran gewöhnt, daß Karl von der großen schwedischen Automobilfabrik angerufen wurde, wenn deren Computer augefallen war und die Produktion zusammenbrach. Die Fließbänder standen still, die Verwaltung hatte keinen Datenzugriff mehr und die Lager konnten nicht genutzt werden – der gesamte Betrieb verfiel in Schlaf. Der Schaden betrug mehrere hunderttausend D-Mark pro Stunde und summierte sich schnell zu Millionen, wenn das Problem nicht sofort gelöst wurde. Natürlich hatte man einen Wartungsvertrag mit dem Hersteller, aber der benötigte gewöhnlich mehrere Tage, wenn er über die Netzverbindung von den USA aus in den Rechner einstieg und auf die Fehlersuche ging. Rudolf hatte auf einer Computermesse den Produktionsleiter kennengelernt und sich mit ihm über das Leid der Betreiber von Großrechenanlagen ausgetauscht; er hatte ihm von Karl erzählt und die Schweden hatten Karl eine Chance gegeben – und damit sich selbst auch. Seitdem riefen sie immer zuerst Karl an.

Rudolf ging in das Bad und dachte nach, ob er diesmal etwas für Karl einpacken sollte. Vielleicht eine Zahnbürste. Nein, so lange wird es nicht dauern. Und wenn, dann würde Karl so lange am Computer sitzen, bis es gelöst wäre … keine Zeit für Hotel, Essen, Schlaf, frisch machen. Er suchte Karls Ausweis und fand ihn in einer halboffenen Schublade. Es klingelte an der Haustür. Rudolf ging ins Wohnzimmer und sah Karl wieder vor dem Monitor sitzen.
„Sie sind da.“

Sie verließen die Wohnung, ohne die Tür abzuschließen. Der Konzernmitarbeiter stand im feinen dunklen Anzug schon auf dem ersten Treppenabsatz und war sichtlich erleichtert, dort umkehren zu dürfen. Rudolf stieg vorn ein, Karl setzte sich hinten und schloß die Augen. So konnte Rudolf ein bißchen Smalltalk mit dem Fahrer halten. Der telefonierte mit dem Autotelefon und gab seine geschätzte Ankunftszeit an den Piloten durch. Schnell waren sie auf der Autobahn; der Fahrer hielt sich an keine Geschwindigkeitsbegrenzungen und benötigte für die Strecke zum Dortmunder Flughafen nur eine halbe Stunde. Dort angekommen fuhren sie direkt durch das für sie geöffnete Tor des Flughafengeländes zur Maschine vor, einem zweistrahligen kleinen Jet, der schon mit warmlaufenden Turbinen bereitstand. Die Türen wurden aufgerissen; Rudolf stieg aus und sah zu Karl. Zusammen gingen sie die Treppe zum Flugzeug hoch. Sie hatten sich kaum angeschnallt, da heulten schon die Turbinen auf und die Maschine beschleunigte auf ihrem Weg zur Startposition, als wolle sie gleich am Terminal losfliegen.

Es war ein wolkenloser Himmel und das Skagerrak breitete sich dunkelblau unter ihnen aus, als sie Göteborg anflogen. Karl hatte die meiste Zeit gedöst, doch nun wurde er langsam wach. Er spürte, was ihm bevorstand und daß dies vielleicht für lange Zeit die letzte Erholungspause war. Nach der Landung rollte das Flugzeug schnell zu einem Platz neben dem Terminal, wo schon ein großer schwarzer Wagen wartete. Der Produktionsleiter Sigurdsson stürmte in die Maschine und auf Karl zu, „hjärtligt välkomna in Sverige!“, er war außer sich vor Freude, „kommer du!“ Karl nickte nur, sagte aber nichts.

Mit heulenden Reifen wurde die Fahrt fortgesetzt, nach zehn Minuten passierte der Wagen das Werkstor in Torslanda. Mehrere Spezialisten saßen fiebernd vor den Monitoren, als Sigurdsson mit Karl und Rudolf in das Rechenzentrum kamen. Sofort wurden die Plätze geräumt und Karl setzte sich. Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Einar Larsson, der Leiter der Systemverwaltung, begann, Karl auf englisch von dem Absturz zu berichten und seine Vermutungen über die Ursache zu erklären, aber Karl hörte ihm nicht zu, sondern tauchte schnell in den Rechner ein, wobei seine Finger unglaublich schnell die Tastatur bearbeiteten. Jetzt gab es für die Belegschaft nichts mehr zu tun; alles hing jetzt von Karl ab. Die Leute unterhielten sich leise. Nach einer Weile fragte Sigurdsson, ob Karl schon einen Eindruck hatte. Sollte er die kommende Frühschicht absagen? Dann könnte der Betrieb für diese Zeit die Löhne sparen. Es ging um viel Geld. Karl schüttelte unmerklich mit dem Kopf.

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und ein gewichtiger Mann kam mit mehren Jungmanagern im Gefolge herein. Alle bis auf Karl drehten sich zu ihm um: Mr. Stanley, der neue Chef der schwedischen Fabrik, der nach der Übernahme durch einen amerikanischen Konzern hier das Sagen hatte. Allerdings kam er den meisten wie ein nichtsnutziger Aufpasser vor.
„What’s going on here?“, fuhr er Sigurdsson an. “Who is that guy? Is our success depending on junkies now?”
Sigurdsson stammelte verlegen, das sei Karl,
„Karl what?“
Niemand kannte einen Nachnamen von Karl. Karl war Karl.
Warum die IBM-Leute nicht hier seien?
Sigurdsson erklärte, daß es bei denen jedesmal eine Woche gedauert hätte, bis sie die Anlage wieder in Gang gebracht hätten. Sie installierten einfach der Reihe nach alles neu, und das dauerte. Mit Karl hätte man sehr gute Erfahrungen gemacht…
„Get this guy out of here!“, befahl Stanley.
"No!” Sigurdsson wurde hart.

Karl war in den Rechner vertieft und hörte nichts von dem Geschehen um ihn herum. Rudolf bedeutete Sigurdsson mit einem Blick, man solle mit Stanley nach draußen gehen und dort die Angelegenheit besprechen. Sigurdsson nahm wortlos Stanley am Arm und führte ihn samt seinem Gefolge hinaus.
Sylvia, die Sekretärin der Systemverwaltung, brachte Karl einen Kaffee, mit Milch und Zucker – natürlich wußte sie noch, wie Karl ihn mochte.
„Tack så mycket“, sagte Karl, setzte sich zurück und trank den Kaffee. Sylvia hockte neben ihm und legte ihre Hand auf seinen Arm. Sie sah ihn an. Karl blickte auf den Bildschirm. Mit einem Ruck setzte er sich vor und hackte weiter. Sigurdsson und Rudolf kamen zurück; sie schienen alles geklärt zu haben. Stanley konnte nicht alles umkrempeln, für einen Augenblick hatte er den Gedanken, daß hier in „Old Europe“ manches anders war und daß er keine Chance hatte, wenn er gegen die Belegschaft regieren wollte.

Stunden verstrichen. Verzweiflung machte sich breit. Die Kollegen saßen herum, rauchten, die Blicke wurden leer. Durch die Fenster schien die Morgendämmerung. Karl hackte auf die Entertaste, einen Tick lauter als sonst, und rollte mit seinem Stuhl zurück. Alle Bildschirme waren schwarz. Erl kramte in seiner Hemdtasche und fingerte Tabak, Papier, einen winzigen Plastikbeutel und ein Feuerzeug daraus hervor. Auf den flackernden Bildschirmen erschienen Schriftzeichen. Karl krümelte, drehte – ein zufrieden strahlendes Gesicht leuchtete unter den Haaren hervor. Sylvia sah ihn erfreut an und gab ihm einen Kuß. Die anderen schauten nervös auf die Monitore. Sigurdsson warf Rudolf einen fragenden Blick zu, der mit einem Nicken beantwortet wurde. Karl entzündete seine Tüte und zog, dann gab er sie Sylvia weiter. Sylvia rauchte nicht oft; sie hielt den Joint zwischen dem Zeige- und dem Ringfinger bildete mit beiden Händen einen Hohlraum, um mit viel kühler Nebenluft zu inhalieren. Die beiden strahlten sich an. In diesem Augenblick platzte Stanley in das Rechenzentrum. Erregt lenkte er seinen stechenden Blick auf die Monitore, die Kollegen, auf Sigurdsson und Sylvia, dann auf Karl. Die schweren blauen Wolken des marokkanischen Stoffs waberten durch den Raum. Stanley verschlug es die Sprache, mehrfach setzte er an, aber er brachte kein Wort heraus. Die Gesichter der Leute an den Monitoren hellten sich auf. „Allt funkar igen!“, rief einer, „Wow! He made it,“ ein anderer. Sigurdsson zeigte Stanley seine rechte Faust, mit dem Daumen nach oben.
„Any complaints?“
Stanley schwieg.

Der Rückflug verlief wie der Flug nach Göteborg, die Sonne war aufgegangen und brachte das Meer zum Leuchten, und in Dortmund holte sie der Fahrer direkt an der Maschine ab. Diesmal setzten sich beide nach hinten. Als sie durch Nebenstraßen von Herne fuhren, holte Rudolf Unterlagen aus seiner Aktentasche: „Hier, weswegen ich gestern gekommen bin: deine Steuererklärung. Du mußt nur noch unterschreiben.“
„Wieviel habe ich im letzten Jahr eingenommen?“
„Ungefähr zweihundertfünfzigtausend.“
„Und wieviele Tage habe ich dafür gearbeitet?
Rudolf rechnete. „Sieben Tage.“
„Ist das gut?“
„Ja. Das ist ziemlich gut.“
„Legst du es gut an?“
„Ja, mach‘ Dir keine Sorgen. Ich lege es sicher an. Du könntest jetzt schon von deinem Geld leben, wenn man dich nicht mehr fragt.“
„Mich nicht mehr fragt?“
„Vielleicht baut man ja eines Tages Großrechner, die ohne regelmäßige Crashs auskommen.“ Rudolf grinste.
Der Wagen war auf dem Hinterhof angekommen. Die beiden stiegen aus, Rudolf bedankte sich beim Fahrer und fuhr mit seinem Wagen los. Karl stieß die Hinterhoftür auf, stieg die Treppe hoch und betrat seine Wohnung. Die Rechenanlage rauschte und rechnete für alle Bildschirme tanzende bunte Apfelmännchen. Er setzte sich in den Sessel. Die Katze kam und rollte sich in seinen Schoß.
„Ziemlich gut“, wiederholte er.

 

Hallo setnemides!

Das hat mir gefallen, auch wenn Karl zu sehr Koch ist, das Ambiente passt, auch wenn man es nur aus 23 kennt.

Ich hätte mir ja einen C64 in eine Ecke gewünscht, ein Modem irgendwo, oder ein Datenklo, einen Lötkolben, den Geruch von Lötzinn, der sich mit dem Dope vermischt.

Ach, da werden Erinnerungen wach. :)

Sehr schöne Geschichte, hat mir ausgesprochen gut gefallen.

Schöne Grüße,

yours

 

Grüße Setnemides,
gefäält mir gut, gut geschrieben, sehr flüssig. Viel Wissen reingestopft. Sehr schön. Aber...


Und Karl verwirklichte sich einen Traum.- Plötzlich schien Karl zufrieden und setzte sich zurück; anscheinend hatte er ein Problem gelöst.

Dies klingt schief, stört den Lesefluss

„Und wieviel frißt sie so?“, erkundigte sich Rudolf nach dem Stromverbrauch.

"Stromverbrauch" würde ich im Satzanhängsel nicht noch erwähnen. Das ist in der Frage schon drin. Einfach nur: erkundige sich Rudolf

Alle Fenster waren weit geöffnet, trotzdem war es unangenehm heiß in dem Raum

Das doppelte war stört, dummerweise fällt mir keien bessere Formulierung ein.... Äh, vielleicht: ...., trotzdem brannte die Luft (Ist vielleicht zu heftig. Passt nicht zum ruhigen erzählstil. Überleg dir mal was!)

Das Kaffeewasser kochte und der Kocher schaltete ab

Du brauchst ein Reflexivpronomen, oder formulierst um.

Natürlich hatte man einen Wartungsvertrag mit dem Hersteller. Aber der benötigte gewöhnlich mehrere Tage,

Kein Punkt zwischen deisen beiden Teilsätzen, auch wenn danach gleich noch ein Teilsatz kommt, was nicht wirklich schlimm ist und was man durchaus machen kann, sofern es nicht zu viele sätze werden, was dann blöd klänge, denn bei vielen Sätzen schaltet man gerne ab, was nicht gut ist, für beide, also Leser und Schreiber, denn dann wird nicht weitergelesen und weiterkritisiert.....


Rudolf hatte auf einer Computermesse den Produktionsleiter kennengelernt und sich mit ihm über das Leid der Betreiber von Großrechenanlagen ausgetauscht; Rudolf hatte ihm von Karl erzählt und die Schweden hatten Karl eine Chance gegeben

Nimm wneigstens einmal "er"

Rudolf ging in das Bad und dachte nach, ob er diesmal etwas für Karl einpacken sollte. Vielleicht eine Zahnbürste. Nein, es würde nicht lange dauern.

Was meinst du damit? Nicht lange genug? Oder zu lange?

So konnte Rudolf ein bißchen Smalltalk mit dem Fahrer machen

Bessa: Smalltalk halten/führen

Jetzt war für alle nichts mehr zu tun; alles hing jetzt von Karl ab.

Eine grausige Formulierung. Bessa: Nichts blieb für die anderen mehr zu tun. Alles hing jetzt von Karl ab.

Sigurdsson stammelte verlegen, das wäre Karl,

Konjunktiv II klingt doof, nimm lieba Konjunktiv I. Vor allem wiel du später auch K. I nimmst.

Stunden verstrichen. Verzweiflung machte sich breit. Die Kollegen saßen herum, rauchten, die Blicke wurden leer. Durch die Fenster schien die Morgendämmerung. Gab es Hoffnung?

Die letzte Frage ist überflüssig. Du malst ein schönes synthaktisches Bild aus kurzen Sätzen, die den Zustand beschreiben. Wozu dann noch etwas sagen, wennd er Leser sowieso versteht...?

Völlig erregt funkelte sein Blick auf die Monitore, die Kollegen, auf Sigurdsson und Sylvia, dann auf Karl

Ein blick funkelt auf nichts, so ein Quatsch. Funkeln ist ein passives Verb. Etwas funkelt, aber nicht auf etwas...Nimm lieber: fiel

Man merkt, dass du gut mit Sparchen umgehen kannst, aba ich wurde nur das Skandinavische beibehalten. Das Englische unterbricht zu sehr den Lesefluss.


So, nicht, dass du denkst, ich hätte nichts gutes gefunden. Der Rest ist gut. Nicht perfekt, aber gut. Dein schreibstil gefällt. Knapp, kein Rumgeschwafle, nur das Nötigste.

Liebe Grüße,
Akachi

 

Hallo Setnimedes,

also zuerst einmal finde ich deinen Text absolut nicht ... übertrieben.
Du hast es in dem Text geschafft, eine gut durchdachte Kurzgeschichte zu schreiben. Auch bei der Durchsicht nach fehlern habe ich kaum etwas gefunden, was mich stört.

Ich habe es gerne gelesen und wäre froh, wenn ich öfter soclh eine Geschichte lesen dürfte.

Trotzdem möchte ich dir nicht vorenthalten, was mich an deinem Text gestört hat.

1.Das Summen hörte sich wie ein tiefes Rauschen an; es drang aus einem Nebenzimmer.

Wenn ein Summen aus dem Nebenzimmer zu hören ist, wäre es dann nicht besser, wenn du von einem Summen sprechen würdest. Du weiß ja nicht, um welches Summen es sich handelt.

2.Plötzlich schien Karl zufrieden und setzte sich zurück; anscheinend hatte er ein Problem gelöst.

Das Wort „schien“ stört mich eigentlich immer. Warum nicht: „Plötzlich setzte sich Karl zufrieden zurück; anscheinend hatte er ein Problem gelöst.

3.Die Katze kam aus der Fensterbank und kuschelte sich an Rudolf.

Die Katze kommt aus der Fensterbank? Wie schafft sie das denn?

4.“Okay, see you in one hour.”
Spricht man hier nicht eher von: Okay, see you in an hour.

5.So konnte Rudolf ein bißchen Smalltalk mit dem Fahrer machen.

Mit einem Fahrer kann man einen Smalltalk halten oder führen, aber nicht machen.

6.Stanley konnte nicht alles umkrempeln, für einen Augenblick hatte er begriffen, daß hier in „Old Europe“ manches anders war und daß er keine Chance hätte, wenn er gegen die Belegschaft regieren wollte.

Anstatt „hätte“ nicht besser „hatte“?
Er will gegen die Belegschaft regieren? Solltest du vielleicht ein wenig umschreiben.

7.Der Rückflug verlief wie der Flug nach Göteborg, die Sonne war aufgegangen und brachte das Meer zum Leuchten, und in Dortmund holte sie der Fahrer direkt an der Maschine ab. Diesmal setzten sich beide nach hinten. Als sie durch Nebenstraßen von Herne fuhren, fragte Karl:
„Wieviel habe ich im letzten Jahr eingenommen?“
„Ungefähr zweihundertfünfzigtausend.“
„Und wieviele Tage habe ich dafür gearbeitet?
Rudolf rechnete. „Sieben Tage.“
„Ist das gut?“
„Ja. Das ist ziemlich gut.“
„Legst du es gut an?“
„Ja, mach‘ Dir keine Sorgen. Ich lege es sicher an. Du könntest jetzt schon von deinem Geld leben, wenn man dich nicht mehr fragt.“
Der Wagen war auf dem Hinterhof angekommen. Die beiden stiegen aus, Rudolf bedankte sich beim Fahrer und fuhr mit seinem Wagen los. Karl stieß die Hinterhoftür auf, stieg die Treppe hoch und betrat seine Wohnung. Die Rechenanlage rauschte und rechnete für alle Bildschirme tanzende bunte Apfelmännchen. Er setzte sich in den Sessel. Die Katze kam und rollte sich in seinen Schoß.
„Ziemlich gut“, wiederholte er.

Hier habe ich dir den ganzen Abschnitt angekreidet, weil ich denke, dass Karl mit Leib und Seele mit Computern arbeitet. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass er auf das Geld zu sprechen kommt, weil es eine Art Berufung für ihn ist. Er wird doch wahrscheinlich nicht daran denken, dass er aufhören möchte. Du solltest vielleicht ein anderes Ende finden.

Ansonsten finde ich deinen Text gut.

Gruß
Kyrios

 

>Das war mein Leben: Ich aß. Ich schlief ...< ist eine knappst-mögliche und doch präzise Lebensbeschreibung,

lieber Set.

An dieser Geschichte über die "Macht" eines Freaks/Junkies, deren Schluss >„Ja, mach‘ Dir keine Sorgen. Ich lege es sicher an. Du könntest jetzt schon von deinem Geld leben, wenn man dich nicht mehr fragt“< wie eine negative Utopie klingt und mich ein wenig skeptisch stimmt, was aber aus Besserwisserei resultiert, an dieser Geschichte also gibt's nix auszusetzen, außer einigen stilistischen (>ästhetische Komponente<) Bemerkungen:

>„Und wieviel frißt sie so?“, erkundigte sich Rudolf nach dem Stromverbrauch< erscheint der Schluss tatsächlich entbehrlich, jeder weiß doch, dass kein Butterbrot gemeint sein kann.

>“Okay, see you in one hour.”< Sagen die Boys nicht "in an hour?"

Das ist eine alte Geschichte (für uns): >Nein, es würde nicht lange dauern.< Reicht nicht sogar "Es dauert nicht lang."? Und der Folgesatz ... Ich sag ma' nix.

>So konnte Rudolf ein bißchen Smalltalk mit dem Fahrer machen<, sicherlich nicht falsch, aber sagt man nicht üblicherweise Smalltalk halten (oder: führen)?

>Alle bis auf Karl drehten sich zu ihm um: ...< Vielleicht eleganter: "Außer Karl drehten sich alle um ..."

>Sigurdsson stammelte verlegen, das wäre Karl, ...< Konj. I, ..., das sei Karl, ...

So viel oder wenig für heute unter viel Afrika und wenig Dortmund

Freatle

 

Hallo Yours,

freut mich sehr, daß ich mal eine Geschichte habe, die Dir gefällt. Ein bißchen Nostalgie ist dabei, aber der Kern, daß dieser fast lebenunfähige Freak dank seiner Begabung für Computer doch noch eine Nische zum Leben gefunden hat, ist noch nicht überholt. Ich habe schon viele hochsensible Chaoten kennengerlernt, die am Computer zum Genie werden, darunter auch Karl - viel zu phantastisch, als daß ich mir den ausdenken könnte.
Danke.

Hallo Akachi, Kyrios und Friedel,

danke für Euren schönen Kommentare und die hilfreiche Textarbeit. Nach dem Urlaub werde ich eine Überarbeitung einstellen.

Am liebsten hätte ich Karl und Rudolf in ihrer Mundart reden lassen, aber meine Zeit im Pott ist zu lange her. Da hätte Friedel als Übersetzer einspringen müssen.

Danke,

Set

 

Wat willse?,

Set,

aber im Ruhrgebietsslang hätt's unter den beiden native people wenig Änderung gegeben, evtl. könnt' man noch das g durchs j ersetzen, dann outete sich aber einer auch als vom Niederrhein kommend, das auslautende g könnte auch als Reibelaut ch dargestellt werden. Im Verwechseln von mir & mich käme natürlich eine besondere Feinheit hinein. Ich nehm ma' den Schluss:

>„Wieviel hab ich im letzten Jahr ein(j)enommen?“
„Ungefähr zweihundertfuffzigtausend.“
„Und wieviel Tage hab ich dafür (j)earbeitet?
Rudolf rechnete. „Sieben Tage.“
„Iss dat (j)ut?“
„Ja. Dat iss zimmlich gut.“
„Legste't (j)ut an?“
„Ja, mach‘ Dich ma' keine Sorgen. Ich leg'et sicher an. Du könntest (g)etzt schon von deinem Geld leben, wenn man dich nicht mehr fragt.“<

Wäre aber ... naja, besser nich'!

Gruß, schön' Urlaub etc.

Friedel

 

Hi Seth,

von mir nur ein kurzes "Danke" für die Story. Habe sie gern gelesen - und sie hat, denke ich, ihr Thema transportiert: die beschränkte Lebensfähigkeit dieses Computerfredys, genial, aber eben nahezu autistisch.

Komischerweise bin ich beim ersten Satz hängen geblieben. Nachdem ich überlegt hatte, wie es aussieht, wenn Tauben sich setzen, bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass dein Bild deswegen nicht funktioniert, weil Tauben, gerade aufgeflogen, sich in realita wahrscheinlich nie sofort wieder setzen würden, sondern zunächst einmal hektisch und kopfruckelnd durch die Gegend laufen, nachdem sie gelandet sind.

Und weil wir gerade bei den Tieren sind: die Katze, die aus der Fensterbank hervor kam, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Entweder die Fensterbank ist falsch oder die Präposition :-)

Schön fand ich, wie du mit wenigen Strichen das Setting gesetzt und die beiden Protagonisten in medias res eingeführt hast. Beim Aufbau der Story ist auch nichts zu mosern: der dritte Teil ist zwar deutlich kürzer als die ersten beiden, dürfte aber auch nicht länger werden, weil sonst der pointierte Schluss zerbröselt würde.

Also, bis demnächst,
Norbert

 

Hi Norbert,

danke, daß Du reingeschaut und geschrieben hast.

dass dein Bild deswegen nicht funktioniert, weil Tauben, gerade aufgeflogen, sich in realita wahrscheinlich nie sofort wieder setzen würden, sondern zunächst einmal hektisch und kopfruckelnd durch die Gegend laufen, nachdem sie gelandet sind.

Das macht mich etwas ratlos. Ich kenne träge Tauben, und Deine Beschreibung bringt viel zu viel Leben in diesen trübseligen Hinterhof. Ich werde es noch wirken lassen.

Danke, Gruß Set

 

Hi Set,

das Bild mit den auffliegenden Tauben hast du doch ausgewählt. Da scheint mir eine gewissen Hektik doch immanent. Aber landen müssen sie schon, bevor sie sich setzen. Selbst die bekiffteste Taube setzt sich nicht aus dem Flug. Ich denke, das Manöver wäre einer "trägen Taube" auch viel zu kompliziert. :-)

Ich denke übrigens wie du, dass ein ruhiger Anfang ohne allzu viel Hektik der Geschichte bekommt. Vielleicht lässt du die Tauben einfach "landen" statt "sich setzen".

Wie gesagt, ich fand diesen ersten Satz einfach ungelenk, was zumindest zum Teil an diesem sprachlichen Holperer mit den Tauben liegen dürfte. Vielleicht liegt es auch an dem allzu prosaischen "Wagen", der zwischen dem adverbial/adjektivisch stark definierten Umfeld sehr unbestimmt wirkt. Da würde zumindest eine Marke als näherer Bestimmung m.s.E. sprachlich weniger abfallen, um den Satz nicht noch stärker mit adverbialen Bestimmungen zu überladen.

Bis demnächst,
Norbert

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom