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Einschulung

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05.12.2002
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Einschulung

Die Wörter waren: Ruder, Foto, Stern, Baronin, Erstklässler

Einschulung
eine Kurzgeschichte von Anja Albus

Julia sitzt in ihrem Zimmer und schaut sich bekümmert das Foto aus ihrer Kindheit an. Es fällt ihr schwer, in der hübschen, blonden Erstklässlerin auf dem Bild ihr eigenes, kindliches Spiegelbild zu erkennen, das ihr so fröhlich mit der Schultüte in der Hand entgegenwinkt. Immer länger starrt sie auf das Bild, lässt sich fallen und versinkt in die Welt ihrer eigenen Vergangenheit, die doch so viel besser war, als dieses Leben, in dem sie nun gezwungenermaßen verweilen muss.

Mit einem mal ist sie wieder das strahlende kleine Mädchen, mit dem hübschen kurzen Rock und den langen Zöpfen, die geflochten über ihre Schultern hängen. Sie fühlt wieder diesen Stolz, der sie am Tage ihrer Einschulung erfüllt hatte. Sie war die kleine Baronin, nein, die kleine Königin und jeder Mensch, den sie kannte, hätte alles für sie getan, ja, ihr sogar die Sterne vom Himmel geholt.
Sie träumt; träumt weiter von diesem Tag, der alles für sie bedeutet hatte. Er lag nun schon zehn Jahre zurück, doch sie erinnert sich an ihn, als wäre es erst gestern gewesen. Wie schön sie an diesem Tag ausgesehen hatte, fröhlich und frei, mit Wünschen im Herzen und Träumen im Kopf.
Sie weiß noch immer, wie glücklich sie ihre Schultüte von ihrer Mutter entgegengenommen hatte und auch wenn der Schulranzen sie noch sehr gegen den Rücken drückte, so trug sie ihn doch mit solcher Würde und Anmut, als wollte sie ihn nie wieder ablegen.
Und wie stolz war sie gewesen, als ihre Eltern ihr zur Feier des Tages dann verkündeten, sie dürfte das erste Mal alleine nach Hause gehen. Warum wohl auch nicht, jahrelang war sie den Weg mit ihrer Mutter gegangen, denn der Kindergarten lag nur wenige Schritte von der Grundschule entfernt und so kannte sie den Weg, den sie an diesem Tag zu beschreiten hatte.
Glücklich, voller Freude, mit der Schultüte in der Hand, trat sie nach dem ersten Schultag den Heimweg an. Sie erinnerte sich noch genau an die Gefühle, die in diesem Augenblick erster Unabhängigkeit durch ihren Körper strömten. Freude und Glück breiteten sich in ihrem Herzen aus, ließen sie fast wie auf Wolken schweben. Sie tanzte dahin und sang die schönsten Lieder.

Doch dann veränderte etwas so unerwartet ihr Leben, dass sie nie wieder die glückliche, lustige und verträumte Erstklässlerin sein würde, wie sie es noch vor einem Moment gewesen war. Julia schaudert, denn sie sieht sich in ihrem Traum auf den Punkt zusteuern, der nachhaltig ihr Leben verändert hatte. Immer weiter geht das Mädchen mit den Zöpfen ihrem Schicksal entgegen. Julia versucht, das Ruder noch einmal herumzureißen, versucht, ihr junges Ebenbild vor den schrecklichen Ereignissen zu bewahren, die es einen Moment später ereilen würden, doch vergebens. Unaufhaltsam schlenderte das Kind der Straße entgegen, pfeift dabei ihr fröhliches Lied und hüpft sorglos dahin.

Julia schreckt aus ihrem Traum in die Höhe. Noch immer hält sie das Foto ihrer Einschulung fest in der Hand und nun starrt sie es wieder an und Tränen stehen ihr in den Augen. Dann legt sie es beiseite und schiebt ihren Rollstuhl zum Fenster, um traurig den trüben Tag zu begrüßen.

 

Hi friedfertig!

Erstmal eine formale Anmerkung:

Julia sitzt in ihrem Zimmer und schaut sich bekümmert das Foto aus ihrer Jugendzeit an. Es fällt ihr schwer, in der hübschen, blonden Erstklässlerin auf dem Bild ihr eigenes, jugendliches Spiegelbild zu erkennen, das ihr so fröhlich mit der Schultüte in der Hand entgegenwinkt.
In der Regel werden Jugendliche selten eingeschult. ;) Von daher fände ich im ersten Satz "Kindheit" statt "Jugendzeit" passender.
Der zweite Satz ist mE sehr umständlich formuliert. Ich denke, er sollte aussagen, dass sie sich nicht mehr in dem Kindergesicht auf dem Foto wieder erkennt, weil sie sich so stark verändert hat, oder? Momentan entlese ich dem Satz aber, dass Julia als Jugendliche mit der Schultüte in der Hand winkt.

So, nun mal zum Inhalt. Ich finde, alle Wörter sind gut eingebaut, nur "Baronin" wirkt etwas aufgesetzt. Die anderen sind aber perfekt mit der Handlung verschmolzen.
Allerdings bin ich mir nicht ganz sicher, was die eigentliche Aussage Deiner Geschichte ist. Für mich persönlich waren das die Kernsätze:

versinkt in die Welt ihrer eigenen Vergangenheit, die doch so viel besser war, als dieses Leben, in dem sie nun gezwungenermaßen verweilen muss.
Sie war die kleine Baronin, nein, die kleine Königin und jeder Mensch, den sie kannte, würde alles für sie tun, ja, ihr sogar die Sterne vom Himmel holen.
Dann legt sie es beiseite und schiebt ihren Rollstuhl zum Fenster, um traurig den trüben Tag zu begrüßen.
Für mich klingt das alles so, als ob das Leben für Julia gelaufen ist, seitdem sie diesen Unfall vor zehn Jahren hatte. Aber ich kann mir kaum vorstellen, dass es wirklich Dein Anliegen war das auch zu vermitteln.
Klar, solche Erlebnisse sind schrecklich und traumatisierend. Aber erfahrungsgemäß kommen gerade Kinder mit solchen krassen Wandeln in ihrer Lebenssituation besser zurecht, wenn sie von ihrem Umfeld dabei unterstützt werden. Von daher kann ich mir diese Gedanken des Mädchens nur erklären, wenn bsp. die Eltern ihr eingeredet haben, dass alles gelaufen ist, dass sie ein Krüppel ohne Zukunft ist. Aber das kommt ja nicht in der Geschichte vor und ist wohl auch nicht Dein Anliegen gewesen.
So richtig glücklich bin ich mit der Aussage, sowie ich sie verstanden habe, nicht. Ist ja eine echt deprimierende Story für Menschen, die mit Behinderungen leben müssen und vermittelt mir als Leser, dass solche Schicksale immer zu bedauern sind, da ein Leben zerstört wurde und es keine Hoffnung gibt. Aber so muss es doch nicht immer sein, und ist es meiner Meinung nach auch fast nie. Als Rollifahrer hast Du doch heute fast alle Möglichkeiten offen, auch wenn manches sicher schwieriger ist, aber ich sehe da keinen Grund dem nächsten "trüben" Tag entgegen blicken zu müssen.

Tut mir leid, dass das nun schon die zweite Kritik von mir ist, die nicht gerade überschwenglich ist. Ich hab mich auch keineswegs auf Dich eingeschossen, falls Du das denkst. Bin nur wegen einem Link von Häferl hier gelandet, wobei ich aber nicht verstehe welchen Sinn dieser Link hat. :confused:

Naja, vielleicht hab ich die Geschichte auch nur gründlich mißverstanden.
Viele Grüße, Bib :)

 

Hallo Bibliothekar

Ach was, ich bin keineswegs böse über Deine Kritik! Ich freue mich doch, daß jemand hier in die Wörterbörse kommt und die Geschichte liest. Wo auch immer jedenfalls der Link herkommt, ich bin dabei unschuldig!!!:D

So jetzt zur Geschichte. Du hast recht, das Wort Jugendzeit ist natürlich schlecht gewählt. Das ändere ich gleich noch um.

Na ja, mit der Baronin, da muß ich Dir ebenfalls recht geben, da wußte ich wirklich nicht hundertprozentig, wie ich es einbauen sollte, da man ja eigentlich Prinzessin sagt, na ja, so geht es ja einigermaßen oder hast Du einen Verbesserungsvorschlag?

Sicherlich hast Du weiterhin recht, als Rollstuhlfahrer ist das Leben keineswegs vorbei. Primär ging es mir aber darum, den krassen Gegensatz der Gefühle aufzuzeigen, die mit dem Ansehen dieses Fotos ausgelöst werden. Erst das fast euforische Glücksgefühl, was die Kleine erfährt, um noch am selben Tag den größten Alptraum zu erleben.
Vieleicht muß ich den Schluß nochmal überarbeiten und die Behinderung etwas verschimmern (so traurig es auch jetzt schon ist), damit das besser zur Geltung kommt.
Aber ich habe Angst, die Geschichte triftet zu sehr ins Negative.
Beim Schreiben gehe ich häufig von meinen eigenen Gefühlen aus, ich stelle es mir vor und frage mich, wie hättest Du empfunden. Und da es für mich eine grauenhafte Vorstellung wäre, mein Leben lang in einem Rollstuhl zu sitzen, dachte ich mir, daß es ausreicht, um dem Leser zu verdeutlichen, welches Schicksal dieses Kind erleidet hat.

Es tut mir leid, daß dich die Geschichte etwas deprimiert hat, ich habe ja auch nur von einem Kind erzählt, und bin nicht von der gesammten im Rollstuhl sitzenden Gesellschaft ausgegangen. Ich beschreiben lediglich, wie sich dieses Kind im Rollstuhl fühlt, wie sie damit umgeht. Das sollte keinesfalls eine Anspielung darauf sein, daß alle Menschen im Rollstuhl die Freude am Leben verlieren werden, aber dieses Kind empfindet das halt im Moment so. Natürlich ist es keine alltagsübertragbare Erzählung, das wollte ich auch nicht und alle Rollstuhlfahrer, die sich hierauf angesprochen fühlen, bei denen möchte ich mich dafür entschuldigen.

Liebe Grüße
Anja

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Anja,

ich liebe die Wörterbörse und deshalb bin ich soooo froh, dass hier wieder einmal etwas passiert.

Die vorgegebenen Worte hast Du perfekt eingebaut, bis auf Baronin, wie Bib schon bemerkte, aber das war ja wohl auch das Schwierigste - ich hätte da auch keinen besseren Vorschlag.

Ich fand die Geschichte spannend, allerdings habe ich nicht mit einem Unfall gerechnet, ich befürchtete eine Vergewaltigung (kleines Mädchen allein auf dem Schulweg und irgend ein Unheil droht, dies Klischee liegt so nahe....). Umso erleichterter war ich, dass es "nur" ein Unfall war.

Den Titel finde ich etwas irreführend, die Einschulung ist doch nicht das Thema, sondern eher der grauenhafte Bruch im Leben der Protagonistin, oder hab ich dich falsch verstanden?

Ein paar Kleinigkeiten sind mir aufgefallen:

"Sie war die kleine Baronin, nein, die kleine Königin und jeder Mensch, den sie kannte, würde (hier muß es für mein Gefühl "hätte" heißen)alles für sie tun (getan), ja, ihr sogar die Sterne vom Himmel holen (geholt, denn Du schreibst ja im Hauptsatz in der Vergangenheit)."

"Sie weiß noch immer, wie stolz..."
"Und wie stolz war sie gewesen, als ihre ..."
Über die Wiederholung des Wortes stolz bin ich sofort gestolpert.

"sie dürfte das erste mal (Mal groß!) alleine..."

@Bib
Julia ist sechzehn Jahre alt. Sie hat womöglich außer mit ihrer Behinderung zur Zeit in der die Geschichte spielt auch noch mit der Pubertät zu kämpfen, vielleicht hat sie auch noch einen ganz besonders schlechten Tag; da ist es für mein Dafürhalten durchaus denkbar, dass sie ihr Leben so schwarz und aussichtslos sieht. Friedfertig beschreibt doch nur Julias momentanen Zustand, nicht wie sich alle anderen RollstuhlfahrerInnen fühlen.

Liebe Grüße
Barbara

 

@Bib
Ich bin dem von Dir angegebenen Link von Häferl gefolgt, erhielt aber nur eine Fehlermeldung.

:confused:

Barbara

 

al-dente:
Weil das Posting im Rahmen einer größeren off-topic-Löschung zum Opfer fiel. ;)

 

Hallo Barbara!

Da bin ich ja froh, daß ich dieses mal eine Geschichte geschrieben habe, die besser verständlich war, als die letzte. :)

Na ja, mit Deiner Erklärung für Bib. hast Du genau den Punkt aufgeschrieben, wie ich ihn mir gedacht habe. Das freut mich dann doppelt.

Mit der Rechtschreibung hapert es manchmal noch, aber ich bin ja Gottseidank lernfähig.

Den Titel, na ja, leider ist mir kein besserer eingefallen, hast Du einen Vorschlag?

Mir macht die Wörterbörse übrigens auch viel Spaß und ich werde mich in Zukunft mehr daran beteiligen.

Liebe Grüße
Anja

 

Achso, ich hab Deinen Zusatz im ersten Posting erst jetzt gesehen, al-dente:
Natürlich kann es sein, dass Julia einfach einen schlechten Tag hat. Aber in der Geschichte kommt das nicht rüber. Ich hab mir auch schon überlegt, was zu ihrem Empfinden geführt haben kann, z.B. die Erziehung durch die Eltern. Aber für mich kommt das alles nicht raus, siehe "meine" Kernsätze.
Und ich habe keine große Lust mir zusammenreimen zu müssen, was der Autor eigentlich gemeint hat, ich lese einfach die Geschichte und nehme das auf, was mir vermittelt wird. Und das ist nunmal, dass Julias Leben seit dem Unfall gelaufen ist. Wenn friedfertig aussagen wollte, dass Julia nur wegen der Tagesstimmung so schlecht drauf ist, hätte das auch rauskommen müssen.

friedfertig:

Vieleicht muß ich den Schluß nochmal überarbeiten und die Behinderung etwas verschimmern (so traurig es auch jetzt schon ist), damit das besser zur Geltung kommt.
Davon möchte ich Dir dringend abraten, da die Geschichte mE jetzt schon zu negativ ist.
Natürlich hat Julia jetzt ein anderes Leben wie zuvor, aber warum muss das automatisch ein schlechteres Leben sein? Und es ist schon klar, das Du nicht allgemein über Rollifahrer geschrieben hast, aber man kann Julias Schicksal eben sehr gut auf andere übertragen. Gerade weil Du sonst nichts erwähnst, außer dass sie als Kind glücklich und beliebt war und nun nicht mehr, beziehe ich das allein auf ihre neue Lebenssituation, nicht auf andere Aspekte. Und weil Julia in ihrer Charakterisierung so unpersönlich bleibt, denke ich mir, dass es dann ja allen Menschen, die ein ähnliches Schicksal haben, so gehen muss.

Wegen der Baronin habe ich keinen wirklich guten Vorschlag, ist ziemlich schwierig. Eventuell hatte sie ein Kleid wie das der Heldin in Julias Lieblings-Bilderbuch "Die kleine Baronin" an oder etwas ähnliches? Ist aber auch keine optimale Lösung.

 

Hej friedfertig!

Ich grabe grad mal in alten Geschichten herum und bin dabei auf Deine gestoßen.

Schöner Schreibstil, allerdings ist auch mir die Baronin entgegengepurzelt, sie passt nicht recht in den Text.

Die Aussage, dass Julia seit zehn Jahren mit ihrem Schicksal hadert, könnte ich vielleicht noch akzeptieren, wenn Du einen hoffnungsschimmer eingebaut hättest, aber so ist mir das ein bisschen zu trist. Schöner fände ich es, wenn sich eine Wandlung von der Mutlosigkeit am Anfang hin zu einer positiven Lebenseinstellung zeigen würde - so dass die nun Sechszehnjährige sich erinnert, wie es nach dem Unfall war, dass sie den Lebensmut verloren hatte und wer ihr nach und nach dabei geholfen hat, wieder glücklich zu werden.
Ist zwar lange her, aber vielleicht magst du ja noch mal ein bisschen am Text arbeiten.

Ein Fehler hat sich noch eingeschlichen:

und jeder Mensch, den sie kannte, hätte alles für sie getan, ja, ihr sogar die Sterne vom Himmel holen geholt.

Lieben Gruß

chaosqueen

 

Hallo und danke, daß Du meine Geschichte erneut aus der Versenkung geholt hast. Natürlich freue ich mich, daß Dir die sprachliche Ausdrucksweise gefällt, auch wenn ich die Geschichte etwas schwarzmalerisch geschrieben habe.
Manchmal bin ich eben ein bißchen pessimistisch und dann entstehen solche Geschichten.

Da ich zur Zeit jedoch an einem größeren Projekt arbeite, von dem ich mich nur ungern ablenken lasse, muß ich das Überarbeiten älterer Geschichten etwas in den Hintergund schieben.
Trotzdem freue ich mich natürlich über jede Antwort und ich hoffe, Du nimmst es mir nicht für übel, wenn ich Deiner Aufforderung zur Nachbesserung im Moment nicht folgen kann. Bei Gelegenheit werde ich das sicherlich einmal nachholen.
Die Anregung, die Du mir gegeben hast, finde ich nämlich nicht schlecht und ich werde mich an sie sicherlich erinnern, wenn ich wieder Zeit dazu habe.

Den Rechtschreibfehler korrigiere ich natürlich trotzdem noch!

Liebe Grüße

Anja

 

Hej Anja,

keine Sorge, ich hetz hier niemanden! :)
Freut mich, dass Dir meine Hinweise helfen - wann immer Du sie überarbeitest, sag Bescheid, wenn die neue Version online ist (falls ich es nicht merke...), dann schau ich sie mir an!

Lieben Gruß

chaosqueen

PS: Woran arbeitest Du denn grad?

Dies war Posting 2500.

 

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