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Eis im Sommer

Seniors
Beitritt
03.07.2004
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Anmerkungen zum Text

Meine Geschichten aus dem Pflegeheim spielen am gleichen Ort mit den gleichen Personen. Aber es gibt keinen weiteren inhaltlichen Zusammenhang zwischen den Geschichten. Es sind Schnipsel aus dem Leben in einem Pflegeheim.

Eis im Sommer

Endlich wieder Sommer. Auf dem Programm des Pflegeheims stand ein Ausflug mit Eis essen. Acht Bewohnerinnen und drei Pflegerinnen machten sich auf den Weg. Nach fünf Minuten erreichten wir den Gasthof "Zum Ochsen", zu dem ein offener Rasenplatz mit großen schattenspendenden Kastanien gehört. Nachdem die Pflegerinnen zwei Tische zusammengestellt hatten, konnten alle Platz nehmen. Schwester Ulrike las die Eis-Karte vor und fragte dann die Wüsche ab. Das lief problemlos bis zu Frau Prosel:

"Ich möchte Schokolade."

"Es gibt einen Schokoeisbecher mit Schokoladensauce und Schokoladenstreuseln", erwiderte Schwester Ulrike.

"Ich möchte Schokolade."

"ich bestelle Ihnen einen Schokoeisbecher, in Ordnung?"

Frau Prosel schien geistig bereits woanders zu sein, aber als die Eisbecher serviert worden waren, haute sie ihren Löffel kräftig in den Schokoeisbecher, dass die Sahne nur so spritzte. Frau Leisenstein bekam einen Spritzer auf die Nase, den sie abwischte, interessiert betrachtete und in ihren Mund steckte. "Sahne mit Schokostreusel."

"Ich möchte auch ein Eis!" Frau Lohberg schaute empört die Eisbecher der anderen an.

"Vor Ihnen steht Ihr Eis. Sie können anfangen, zu essen." Schwester Christiane ging zu Frau Lohberg und schob den Eisbecher näher an sie heran.

Jetzt fing Frau Leisenstein an, sich zu beschweren. "Das habe ich nicht bestellt."

"Sie haben einen Eierlikörbecher bestellt und den haben Sie bekommen."

Frau Leisenstein kippelte den Eisbecher hin und her. "Ich sehe keinen Eierlikör."

"Ihr Eisbecher enthält Vanille- und Schokoeis, Eierlikör und Schlagsahne", las Schwester Ulrike aus der Eis Karte vor.

"Aber das Eis hat den Eierlikör vernascht. Ich will meinen Eierlikör!"

Schwester Christiane ging zu der Serviererin, die am Nachbartisch Bestellungen aufnahm und sprach mit ihr. Zwei Minuten später stand ein Glas mit Eierlikör vor Frau Leisenstein und sie war zufrieden.

"Ich möchte auch ein Eis!" Frau Lohberg fuchtelte mit ihrem Löffel in der Luft herum.

Schwester Christiane nahm ihre Hand und führte den Löffel zum Eisbecher. "Ach, da ist ja mein Eis!" Frau Lohberg löffelte zufrieden ihren Eisbecher.

Zwei Minuten genossen alle ihr Eis und in der Stille konnten wir die Vögel hören, die in den Kastanien nisteten.

Als Frau Weiner vom Tisch aufstand, fragte Schwester Klara: "Wo möchten Sie denn hingehen?"

"Ich muss auf den Topf."

"Dann komme ich mit Ihnen." Und die beiden gingen gemächlich zum Gasthaus.

Sie waren schon nach fünf Minuten zurück. Schwester Christiane lachte: "Das war wohl nichts mit der Toilette."

"Nein, nachdem Frau Weiner mich nicht los geworden ist, wollte sie nicht mehr."

Frau Weiner saß wieder an ihrem Platz und aß ihr Eis, als ob nichts geschehen sei.

Nachdem alle ihr Eis aufgegessen hatten und auch noch einen Kaffee getrunken hatten, ging es wieder zurück. Der Rückweg verlief ohne Schwierigkeiten und als sie im Heim angekommen waren, meinte Schwester Klara: "Aber nächstes Jahr machen wir etwas anderes."

"Das hast Du letztes Jahr auch gesagt", lachte Schwester Ulrike.

 

Hallo @jobär,

mal sehen, was du dieses Mal in der Welt der Senioren beobachtet hast ...


"ich bestelle Ihnen einen Schokoeisbecher, in Ordnung?
Ich

"Wie die kleinen Kinder."
Um das von dem wörtlich gesprochenen abzuheben kannst du schreiben: 'Wie ... Kinder.'

Frau Prosel schien geistig bereits woanders zu sein, aber als die Eisbecher serviert worden waren, haute sie kräftig in ihren Schokoeisbecher.
Hier fehlen mir die (physischen) Konsequenzen aus der Tat, würde das Ganze anschaulicher machen.

"Ich möchte auch ein Eis!" Frau Lohberg schaute empört die Eisbecher der anderen an.
Erst dachte ich, das sagt Frau Prosel, um den Eisbecherschlag zu begründen.

"Aber das Eis hat den Eierlikör vernascht. Ich will meinen Eierlikör!"
Eine schöne Idee, diese Sichtweise.

"Nein, nachdem Frau Weiner es nicht geschafft hat, mich stehen zu lassen, wollte sie nicht mehr."
Was bedeutet "mich stehen zu lassen"?

Eine nette, aber auch eindringliche Geschichte mit einem Hauch von Melancholie. Schlicht, aber ein Blick durch das Fenster der Zeit in einen auf das Elementare beschränkten Lebensabschnitt der Ausflügler.

LG,

Woltochinon

 

Hallo Jobär!

Wie schön, wieder einmal von Dir zu lesen.

"ich bestelle Ihnen einen Schokoeisbecher, in Ordnung?" Und in Gedanken fügte Schwester Ulrike hinzu: "Wie die kleinen Kinder."

Lass doch vielleicht diesen Teil fort. Denn: Aus der Szene selbst ergibt sich ausreichend stark, dass die Hochbetagten eben in die Kindheit regredieren. Außerdem führst Du an keiner anderen Stelle eine Innenperspektive von Schwester Ulrike fort.
So könntest Du bei einem rein äußerlich beobachtenden Erzähler in der dritten Person bleiben. Das reicht völlig, um die Absurdität des hohen Alters zu vermitteln.

Frau Prosel schien geistig bereits woanders zu sein, aber als die Eisbecher serviert worden waren, haute sie kräftig in ihren Schokoeisbecher.
Ich würde statt dessen "schlug" nehmen. Im allerersten Moment dachte ich nämlich, Frau Prosel "haut rein" und nicht "Frau Prosel zerstört ihren Eisbecher".
Der Rückweg verlief ohne Schwierigkeiten und als sie im Heim angekommen waren, meinte Schwester Klara: "Aber nächstes Jahr machen wir etwas anderes."

"Das hast Du letztes Jahr auch gesagt", lachte Schwester Ulrike.

Ich liebe diese Stelle. Ein großartiger Schluss, und wie im echten Leben.

Mein Fazit: Eine weitere schön eingefangene Szene aus der Welt der Altenpflege!

Eins fällt mir inzwischen jedoch auf:
Du nimmst hauptsächlich die alten Damen aufs Korn. Natürlich sprechen alte Damen tendenziell mehr als alte Herren und bieten mehr Stoff für Dialog, und sie leben auch länger als Männer, d. h. es gibt evtl. einen Frauenüberschuss auch in diesem Pflegeheim.

Aber:
Wo sind die ganzen Eigenheiten hochbetagter Herren, die nicht minder infantil und komisch sind?

Viele Grüße von Pazifik

 

@Woltochinon
@Pazifik

Vielen Dank für eure Anregungen und Verbesserungsvorschläge. Ich habe versucht, sie alle einzuarbeiten.

es gibt evtl. einen Frauenüberschuss auch in diesem Pflegeheim
Das Verhältnis Frauen zu Männer ist zwei zu eins, aber die nächste Geschichte handelt von zwei Männern.

Viele Grüße

jobär

 

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