Was ist neu

Elfenreigen

Mitglied
Beitritt
12.02.2005
Beiträge
6

Elfenreigen

Irgendwas stimmte nicht.
Es roch feucht und auf irgendeine Weise nach Wald oder frisch besprengten Pflanzen. Gleichzeitig hatte er das Gefühl, dass sich die Luft nur schwer einatmen ließ. Sie war zäh, ja das trifft es wohl am ehesten.
Aber da er sich so schlapp und müde fand, kam er Situation in der er sich befangen glaubte, entgegen und atmete ganz ruhig und flach.

Der Traum mußte es gewesen sein, der den Geruch und das Gefühl nachschleppte. Ihm war erinnerlich, dass er ja bei seiner Schwester, deren Geburtstag gestern gefeiert wurde, das gräßliche Gemälde „Elfenreigen“, das sie als Geschenk von ihrem Mann für das Schlafzimmer bekommen hatte, ansehen mußte. Es hing direkt über dem Ehebett und war mit einem üppigen goldfarbenem Rahmen versehen.
Darauf tanzten in alberner Pose halb nackt aber dennoch artig verhüllte junge Damen um einen Fliederbusch.
Er mußte auch jetzt noch in sich hinein lächeln über solch einen naiven Tand.
Aber das war so Mode in des II. Friedrich-Wilhelms Kulturkaiserreich.
In zwei Monaten würde ein neues Jahrhundert anbrechen; er hatte jetzt schon an der Laudatio auf die neue, fortschrittliche Zeit gearbeitet, die er vor seinem erlauchten Kollegium in der Universität halten würde.
Nach dem Sieg über die Franzosen ging es nur noch aufwärts mit dem deutschen Kaiserreich. Und der junge Kaiser ist ein fortschrittlicher Monarch.
Er erinnerte sich seiner hingeworfenen Worte „... machen se man...“, als er ihm erklärte, dass Deutschland, so es denn in einen neuen Krieg hinein getrieben sein würde, nicht nur mit der besten Marine der Welt werden kokettieren können, sondern mit den ausgefeiltesten physikalischen und chemischen Waffen.
Und er war höchst persönlich als Wissenschaftler vom Kaiser verpflichtet worden.
Der nächste Krieg würde mit Sicherheit kurz und siegreich.

Jetzt begann sein Rücken zu schmerzen aber er mochte sich nicht wenden, diese Lage – auf dem Rücken mit bequem verschränkten Händen über der Brust – war sehr angemessen und diszipliniert. So also blieb er eben liegen.
Er wußte nicht genau, ob er die Augen geöffnet hatte oder nicht.
Aber da sein Schlafzimmer immer völlig abgedunkelt war, hätte man ohnehin nichts erkennen können.

Irgendein das Labor besuchender Major fand sein „Morphinosol“ unkriegerisch. Obgleich man es sehr gut per Granate hinter die feindlichen Reihen befördern konnte. Statt dessen bevorzugte er diese Komposition aus einem Chlorderivat. Und stellte sich gleich bildhaft vor, dass man diese Munition mit einem gelben Kreuz versehen könne, damit die Gemeinen wissen: aha, dass ist das Zeug, mit dem man den Feinden die Lungen zersetzen kann und wird GELBKREUZ heißen.

Der Mann hat keinen Stil!
So dachte er verärgert, aber er werde dem Kaiser sein „Morphinosol“ schon schmackhaft machen. Es hat eine viel effizientere Wirkung und man könnte reichlich Gefangene machen, nach dem die betäubende Wirkung aus der Granatenfüllung nachlässt. Gewiss, die Rohstoffe zur Herstellung einer einzigen Granate übersteigen das Gelbkreuz Zeug um ein achtfaches; hat der Kaiser aber nicht verkündet, dass er keine Kosten und Mittel scheuen wird um das deutsche Reich vor jedwedem feindlichen Interesse zu schützen...?!
Außerdem werde er sich beim Minister auf seine militärischen Vollmachten berufen, ist er denn nicht auch ein Reserveoberleutnant ?!.

Er fand es unangenehm, dass sein linkes Bein sich so taub und kühl anfühlte. Deshalb zog es die Knie an.
Dabei stieß er direkt über sich auf einen harten Widerstand als ob sein Deckbett...
Etwas radikal Absurdes ging in diesem Augenblick durch seinen Kopf und er mußte hastiger atmen. Sein Herzschlag erhöhte sich um ein vielfaches.
Es gelang ihm aber nicht ausreichend Luft zu schöpfen, so dass er pustete.
Durch die Nase einatmen und den Mund kräftig ausatmen – dabei löste er seine bisher über der Brust gefalteten Hände und tastete links und rechts neben sich das Bett ab.
Es war kein Bett.
Unter dem dünnen seidigen Stoff fühlte er weder eine Matratze noch über sich ein daunengefülltes Deckbett.
Und wieso hatte er einen Anzug an?!

Die Elfen tanzten um den Fliederbusch und lächelten ihn an, nein sie lachten.

Das Morphinosol: tiefe Bewußtlosigkeit bis zum Koma, mehrere Stunden lang, hatte er am Abend in das schwarze Laborbuch notiert als er das Versuchsschaf beobachtend untersuchte.

Er fluchte mit dem letzten Atem, der ihm noch blieb: Sie werden das Gelbkreuz verwenden, das Gelbkreuz.....

 

Hallo Norbert Voigt!

Die Geschichte könnte auch unter Historie oder nach meinem Geschmack auch unter Horror stehen. Thema und Pointe finde ich gut. Die Charaktere werden sehr kurz dargestellt, der Prot selber bleibt eigentlich sehr im Dunkeln.

Mehr irritieren mich einige unmotivierte Tempuswechsel:

Sie war zäh, ja das traf es wohl am ehesten.
war erinnerlich, dass er ja bei seiner Schwester, deren Geburtstag gestern gefeiert worden war,
Und der junge Kaiser ist ein fortschrittlicher Monarch.
Gewiss war er eer es auch zum Zeitpunkt der Geschichte, aber da der andere Text im Imperfekt steht, frage ich mich, ob dieser Wechsel ins Präsens wirklich richtig und sinnvoll ist.

Der Mann hat(te?) keinen Stil!
In dem folgenden Absatz erscheinen mir manche Zeiten nicht unbedingt logisch, aber die Verständlichkeit des Textes leidet wohl nicht so sehr.

Noch ein paar Kleinigkeiten:

Aber da er sich so schlapp und müde fand fühlte?, kam er der Situation in der er sich gefangen glaubte, entgegen und atmete ganz ruhig und flach.
Durch die Nase einatmen und durch den Mund kräftig ausatmen
Obwohl das durch doppelt ist - ohne durch würde er ja seinen Mund ausatmen (und das würde ihm auch nicht mehr helfen).
als er das Versuchsschaf beobachtend untersuchte
hat er es nun untersucht oder nur beobachtet?

Lieben Gruß

Jo

 

Hallo Jo,

herzlichen Dank für die Korrekturlesung, ich habe einige Dinge ins originale Manuskript eingeändert.
Natürlich sehe ich, welcher Generation „jobär“ angehört. Meine studentischen Jahre sind schon eine ganze Weile Vergangenheit; man kann also schlußfolgern, dass das Abitur noch älter ist. Da habe ich bisweilen eine Wortwahl, die offenbar zu sehr an Mann oder dessen schreibenden Zeitgenossen orientiert – also anachronistisch ist.
Aber es ist äußerst interessant, in ein Forum geraten zu sein, das die Interessen junger Leute bedient.

Zu einer der drei „Kleinigkeiten“ am Schluß.
„als er das Versuchsschaf beobachtend untersuchte“.

Für einen Wissenschaftler ist die Beobachtung eines zu protokollierenden Vorganges bereits eine Untersuchung. Daher stimmt der Satz. Dass da eine Kollision mit der deutschen Sprache passiert, muss ich als nachgeordnet abtun.

Ebenso grüßend

Norbert

 

Salve NOVO,

herzlich willkommen im Forum.

Deine Geschichte gefällt mir im großen und ganzen. Als Setting das Wlhelminische Reich zu wählen, ist ungewöhnlich. Ich finde, Du stellst die Kontraste dieser Zeit - klassizistischer Kitsch, Wissenschaftseuphorie, technokratisches Denken und Kriegslüsternheit - in wenigen Worten gut dar.

Ein paar kleine Meckerchen habe ich dennoch. Du beginnst damit, dass der Prot merkt, dass etwas an seiner derzeitigen Lage nicht stimmt. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass er dann lange reflektiert, was in den letzten Wochen geschehen ist. Eher wird er ohne Umschweife seine Lage klären wollen.

Wahrscheinlich reicht es, ein paar Absätze umzustellen, um dieses Manko zu beheben.

Außerdem fehlt mir ein Anhaltspunkt, wie der Wissenschaftler mit Morphinosol kontaminiert wurde. War er unachtsam? Nicht zu erwarten, im Umgang mit chemischen Kampfstoffen. Wurde er von einem Neider oder politischen Geger vergiftet? Hierzu fehlen Anhaltspunkte.

Ein wenig Kleinkrämerei noch:

Aber da er sich so schlapp und müde fand
"fühlte" kommt besser
kam er der Situation (Komma) in der er sich befangen glaubte
Sich in einer Situation befangen glauben?
Ihm war erinnerlich
Ich bezweifle, dass man damals so redete.
halb nackt aber dennoch artig verhüllte
Entweder: "halb nackte, aber dennoch artig verhüllte" als Attribut zu den Damen
oder: "tanzten halb nackt, aber dennoch artig verhüllt" als Attribut zum tanzen.
in der Universität
mE "an der Universität"
Und der junge Kaiser ist ein fortschrittlicher Monarch.
Da Du hier die Gedanken des Prots in indirekter Rede wiedergibst, würde ich behaupten: "war ein fortschrittlicher Monarch".
Er erinnerte sich seiner hingeworfenen Worte
Sprach man damals so? Außerdem fehlt ein Doppelpunkt.
nicht nur mit der besten Marine der Welt werden kokettieren können
werde
Damals nahm man Krieg, und v.a. die Marine, sehr ernst - die Marine wurde zum Stolz der Nation stilisiert. "Kokettieren" passt in diesem Zusammenhang nicht.
aber er werde dem Kaiser sein „Morphinosol“ schon schmackhaft machen.
"Würde", da es sich auf die Zukunft bezieht.
Es hatte eine viel effizientere Wirkung und man könnte (konnte oder würde könnenreichlich Gefangene machen, nach dem die betäubende Wirkung aus der Granatenfüllung nachließ. Gewiss, die Rohstoffe zur Herstellung einer einzigen Granate überstiegen das Gelbkreuz-Zeug / Gelbkreuzzeug um ein achtfaches;
Außerdem würde er sich beim Minister auf seine militärischen Vollmachten berufen, war er denn nicht auch ein Reserveoberleutnant ?!.
Bei den Satzzeichen am Schluss solltest Du Dich für eines entscheiden ;).
Deshalb zog er
als ob sein Deckbett (Leerzeichen) ...
[quoteUnd wieso hatte er einen Anzug an?!][/quote]
Fragezeichen reicht.

Im großen und ganzen, wie gesagt, gefällt mir der Text.Vor allem der Schluss ist klasse!

LG, und viel Spaß noch beim Schreiben und Kommentieren,
Pardus

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom