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Ende Ruhe
Nie mehr.
Er würde nie mehr vor IHNEN weinen.
Genug ist genug.
Die Qualen mußten endlich enden.
Endlich Ruhe. Ruhe. RUHE.
Keine fruchtlosen Versuche mehr, mit IHNEN zu reden. Keine Eltern mehr, die seine Probleme nicht verstanden und ihn noch mehr in die Ecke drängen. Keine Lehrer, die ihm noch die Schuld zuschieben wollen. Keine Mitschüler, die ihn im Stich lassen. Keine Spießbürger mit ihren dümmlichen, abschätzenden Blicken.
Nur Ruhe.
Klar, es gab einige, die er enttäuschen würde und nicht wollte: die Großmutter, den einzigen Freund... vielleicht auch die Eltern, vielleicht auch sein kleines, großes Ego.
Aber es waren ja nicht viele.
Und sie mußten verstehen.
Nie wieder Spott und Niedertracht und Erpressung mit seinen eigenen Gefühlen. Keine abschätzigen Blicke. Kein Mädchengekicher. Keine Angst mehr vor Bloßstellungen. Keine niederträchtigen Witzeleien. Keine Sachen mehr, die verschwanden, und die er suchen mußte. Keine gehetzte Angst mehr, vor den Eltern seine ständigen Verluste kommentieren zu müssen. Keine Schuldzuweisungen mehr. Keine Lästereien. Kein peinlicher Sportunterricht. Keine diffamierenden Zeugniskommentare mehr.
Nie mehr.
Nur Ruhe.
Das Abschleppseil aus dem Keller ließ sich leicht an dem Haken im Klassenraum einhängen.
Sorgfältig knotete er es zur Schlinge, bevor er es sich um den Hals legte.
Dann stieß er den Tisch unter sich um.
Und baumelte.
Er machte sich schwer, um sein Gewicht optimal auszunutzen.
Das Seil drückte ihm langsam die Luft ab.
Eine freundliche Schwärze umhüllte ihn, lullte ihn ein, ließ ihn hinweggleiten, alles um ihn wurde RUHIG...
Es hatte eine fürchterliche Panik gegeben, als die Schüler den Toten sahen. Viele fingen an zu heulen wie Bombenalarmsirenen. Einer schlug auf einen Mitschüler ein, den er für schuldig hielt. Tische, Stühle, Mitschüler wurden umgerissen. Das Chaos lichtete sich erst wieder, als die meisten im Schockzustand ins Krankenhaus abtransportiert wurde.
Als sie ebenfalls gehen wollte, traf die Lehrerin den stellvertretenden Schulleiter. „Na, wenigstens war’s kein Steinhäuser“, sagte dieser.
Es wurde kein Abschiedsbrief gefunden. Nur ein Zettel in seiner Tasche, auf dem Folgendes stand:
„I’m just a poor boy – nobody likes me“
und
„I Hate myself and I want to die“.
Dieser Text ist Chris gewidmet. Ohne dich hätt' ich's damals nicht geschafft, du hast was gut bei mir.