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Ende und Anfang

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13.02.2005
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Ende und Anfang

Erwartung, die kleine Schwester der Freude, lag an diesem Abend in der Luft. Als Ende, aber auch als Anfang wurde im festlichen Saal vor geladenem Publikum das Abitur denen überreicht, die das Glück hatten, in der Vergangenheit die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben, um in der Zukunft falsche Wege zu gehen.

Der Juniabend untermalte mit warmen Orangetönen das kalte Buffet. Und zu der kalten Abendluft wollte dein braunes Kleid so gar nicht passen, strahlte es doch viel Wärme aus. Warum es drinnen so warm ist, wollten alle wissen und überprüften die Heizungen. Ich wusste es, und musste lächeln. Ungeteilt verhallte mein Lächeln in kostümierter Leere, einem künstlichen Konstrukt, das man auf dem ersten Blick mit Schönheit verwechseln könnte.

Ich hatte kleine Seifenblasen im Kopf, fragte dich nach einem Spaziergang, am Ufer des Sees.
Doch zu oft zerplatzen Seifenblasen wie Träume, unerfüllt. Und dann wieder dieses Gefühl, dass die Zeit läuft, wie man will, nur nicht zurück. Nie zurück, zu den verblassenden Plätzen und den schönsten Himmelmalereien. Zu Sternen, in Seifenblasen, und der Illusion man könnte sie erreichen. Wissend, dass Fernes nicht näher kommt, allein durch den Gedanken.
Sternschnuppen stechen, Träume zerplatzen, in dieser Nacht.

Im Leben hat jeder seinen Platz. Ein Schicksal wird bereits durch Entscheidungen bestimmt, nicht durch die Taten, die nur ein Windhauch sind, im Vergleich zur richtigen Wahl, zum richtigen Zeitpunkt. Mein Platz war draußen, deiner drinnen, seit jeher.
Der Mond war so groß wie die Leere, deren Anwesenheit ich spüren konnte, die mir nachlief, schon eine ganze Nacht lang, als Schattentiger auf Pirsch.
Nur noch wenige irrten auf der Terrasse und im Saal umher, um zu suchen, was längst vergangen war. Schöne Momente wurden zu Vergangenheit, eingefangen auf Fotos, die zum Erwerb angeboten wurden. Auf den Schildern müsste stehen:
Kaufen Sie jetzt einen schönen Moment,
und Ihren größten Wunsch gibt’s gratis dazu.

Mein letztes Lächeln für diese Nacht, dachte ich.
Das Schicksal ist nur eine Losbude, die Entscheidungen einlöst, die wir nicht verstehen.
Kleine Trostpreise verteilend, in etwas Gefühl getunkt, übergeben, weitergegeben.
Ausgestellt im Schaufenster des Lebens, die kleinen weißen Schildchen mit den Fragezeichen kleben an ihnen, manchmal ein Leben lang.

Du machst dich bereit zu gehen und schaust noch einmal durch die Glasscheiben in den riesigen Saal, der für Stunden unser zu Hause war. Wir, eine große Familie aus Nomaden, brechen auf, mit dem kühlen Nordwind, um nie wieder zurückzukommen. Wie die Sterne sich auch immer weiter entfernen, und schließlich irgendwann ganz verschwinden, weil sie zu alt sind, zu fern, in keine Seifenblasen mehr passen wollen. Und weil niemand an sie denkt.
Deine Augen entschädigen für den sternenlosen, pechschwarzen Himmel, funkeln in den wenigen Farben der jungen Nacht. Reflektieren künftige Sternenhimmel und Unerreichbarkeit.
Ein flüchtiger Blick zu mir, ich hebe die Hand und weiß, dass in diesem Moment meine Augen nicht funkeln, und mein Lächeln schon lange verloren gegangen ist, irgendwo zwischen den ganzen Seifenblasen. Und im Licht der Parklaternen sehe ich, was das Funkeln in deinen Augen bedeutet: Du bist glücklich, aus tiefstem Herzen.
Und wie die Sekunde, in der dein Blick auf mir ruht sich verlangsamt, ganz nah und ganz fern zu gleich ist, kannst du sehen, wovor ich Angst habe: Dich nie wieder zu sehen.

Und ich denke: Falsche Entscheidungen gibt es gar nicht, nur neue Wege. Auf meinem wird es anfangs etwas dunkler sein, als auf deinem.
Bringst du mir ein Lächeln mit, wenn du eins findest und unsere Wege sich noch einmal kreuzen sollten, irgendwann?

 

hallo nephelyn,

leider bin ich nicht wirklich bewandert auf impressionen. geschichten ohne handlung sagen mir nichts. das ist aber nur eine persönliche vorliebe, denn auch wenn ich nicht auf impressionen stehe, erkenne ich trotzdem, dass deine sätze und metaphern wollklingend und sogar für mich teilweise nachvollziehbar sind. ich denke, du hast ein händchen dafür.
ich hoffe, es werden noch andere leser deine geschichte lesen, den es gibt viele impressionisten hier, die dann auch mehr ahnung haben als ich *smile*.

bis dann

barde

Als Ende, aber auch als Anfang wurde im festlichen Saal vor geladenem Publikum das Abitur denen überreicht, die das Glück hatten, in der Vergangenheit die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben, um in der Zukunft falsche Wege zu gehen.

was für ein sarkasmus!

Und zu der kalten Abendluft wollte dein braunes Kleid so gar nicht passen, strahlte es doch so viel Wärme aus.

"so" ist doppelt" lasse das erste und das zweite "so" besser weg, weil im folgesatz schon wieder "so" kommt

eingefangen auf Fotos, die zum Kauf angeboten wurden. Auf den Schildern müsste stehen:
Kaufen Sie jetzt einen schönen Moment,

"Kauf" würde ich mit "Erwerb" ersetzen, um die wortdoppelung herauszubekommen

Dich nie wieder sehen zu können.

ich bin mir nicht sicher: "Dich nie wieder sehen zu können" oder "Dich nie wieder glücklich sehen zu können", weil doch in der zukunft die falschen wege warten?

 

Hallo Nephelyn,

im Gegensatz zu meinem Vorredner finde ich deinen Text durchaus mit Handlung versehen, einer subtilen und schön herausgearbeiteten Stimmungshandlung. Dir ist eine mMn eindrucksvolle (teilweise beinahe poetische) Momentaufnahme gelungen. Enttäuschung, Entscheidung, Hoffnung.

Mein einziger Kritikpunkt wäre im dritten Absatz zu finden. Du verwendest mir etwas zu oft das Seifenblasenbild und dadurch verliert es an Kraft.

Gefiel mir ausnehmend gut!

Gr33ts
Judas

 

Judas schrieb:
im Gegensatz zu meinem Vorredner finde ich deinen Text durchaus mit Handlung versehen, einer subtilen und schön herausgearbeiteten Stimmungshandlung. Dir ist eine mMn eindrucksvolle (teilweise beinahe poetische) Momentaufnahme gelungen.

hallo judas,

du weisst, was handlung in einer geschichte ist? weisst du, was ein gegenteil einer handlung einer geschichte ist? das gegenteil einer handlung, also geschehen in zeitlicher abfolge ist eine momentaufnahme.

*smile*

 

Hallo Barde,
Das Gegenteil einer Handlung wie du sie definierst kann, muss aber keine Momentaufnahme sein.
Da sich eine Momentaufnahme auch auf eine kurze Zeitspanne beziehen kann (siehe diverse Nachschlagewerke) und sich innerhalb dieser Zeitspanne zeitlich aufeinanderfolgend Dinge ereignen können, habe ich mich vielleicht nicht genau genug ausgedrückt, aber Haarspaltereien sind trotzdem nicht wirklich notwendig.

Ich entdecke durchaus eine subtil verpackte und metaphorisch angehauchte Handlung in dieser Geschichte.


Gr33ts
Judas

 

Hi Barde und Judas,
vielen Dank für eure Kritiken. Mit Schreibstilen ist es wohl wie mit Eissorten, einige mag man, andere nicht. Die Anmerkungen werde ich gleich hineineditieren.

"Dir ist eine mMn eindrucksvolle (teilweise beinahe poetische) Momentaufnahme gelungen."
- Genau das war mein Ziel, hoffentlich kann ich mehr Leser in der Art erreichen.

"Mein einziger Kritikpunkt wäre im dritten Absatz zu finden. Du verwendest mir etwas zu oft das Seifenblasenbild und dadurch verliert es an Kraft."
- Jupp, da hast du recht. Wird aber schwierig, einige herauszunehmen, werde es aber trotzdem nacheditieren, wenn mir etwas gescheites einfällt.

"aber Haarspaltereien sind trotzdem nicht wirklich notwendig."
- Sehe ich genau so. Für die Geschichte spielt es keine Rolle, ob sie Handlung, Momentaufnahme oder sonstwas ist.

Viele Grüße,
Neph

 

Mit solchen Texten ist es ein bisschen wie mit Musik oder Bildern. Entweder lassen sie etwas ein einem klingen oder nicht. Dein Text findet seinen Weg zu mir, klingt etwas an. Er gefällt mir als Momentaufnahme; um es ein bisschen geschwollen auszudrücken ist er für mich so was wie ein Foto einer Seele in einem bestimmten Augenblick. Der junge Zyniker, der so distanziert einen Abiturabschluss schildert, sich selber durch Abgrenzung und besseres Wissen über das "wirkliche Leben" hervortut, ist nichts anderes als ein junger Kerl mit einer verletzlichen Seele. Der schönste Moment ist für mich dieser:

Du bist glücklich, aus tiefstem Herzen. Und wie die Sekunde, in der dein Blick auf mir ruht sich verlangsamt, ganz nah und ganz fern zu gleich ist, kannst du sehen, wovor ich Angst habe: Dich nie wieder sehen zu können.

Hier würde ich abdrücken und das Foto schiessen. Das ist der beste Moment deines Textes, hier würde ich auch aufhören. Schnitt, den letzten Absatz braucht es in meinen Augen nicht mehr.

Noch ein bisschen Detailkritik:

Warum es drinnen so warm ist, wollten alle wissen und überprüften die Heizungen. Ich wusste es, und musste lächeln.
Ich bin nicht dahinter gekommen, warum es so warm ist. Hat er an der Heizung gedreht? In meinen Augen müsstest du dieses Rätsel auflösen oder weglassen. Auf halbem Weg stehen bleiben wie du es tust, lenkt ab.

Ungeteilt verhallte mein Lächeln
"verhallte" passt meiner Ansicht nach nicht unbedingt, aber ehrlich gesagt, fällt mir auch kein anderes Verb ein.

Ich hatte kleine Seifenblasen im Kopf, fragte dich nach einem Spaziergang, am Ufer des Sees.
Der Satz gefällt mir; du triffst damit genau dieses Gefühl, das man in sehr seltenen Augenblicken im Leben hat, wenn man sich plötzlich etwas traut, was man sich sonst nicht trauen würde.

Doch zu oft zerplatzen Seifenblasen wie Träume, unerfüllt.
Brauchst du diesen Satz? Versuchs mal ohne.

Zu Sternen, in Seifenblasen,
Mit diesem zweiten Erwähnen der Seifenblasen schwächst du in meinen Augen den ersten Satz mit den Seifenblasen ab.

Unsichtbar und seifenblasengleich.
Auch hier: braucht dein Text diesen Satz? Ich wage zu behaupten: nein. Ich glaube, dein Text kann durch das Weglassen bestimmter Passagen noch dichter und ausdruckstarker werden.

Wie schon oben geschrieben, würde ich diesen Text mit der Momentaufnahme aufhören, wo er dasteht und seine Angst formuliert, es ist der verletzlichste der Geschichte. Vielleicht kannst du den Satz "dich nie wieder sehen zu können", der ein bisschen schwerfällig klingt, kürzen auf: "dich nie wieder zu sehen".

Bitte betrachte diese Detailkritik als subjektiven Kommentar, aus dem du dir nehmen kannst, was dir für angebracht erscheint. Vielleicht sieht es nach viel Kritik aus. Ist es nicht. Dein Text gefällt mir gut, ich denke einfach, dass er durch ein bisschen Bearbeitung noch besser werden könnte.

Herzliche Grüsse

KT

 

Hallo Nephelyn!

Auch mir hat deine Geschichte sehr gut gefallen!
Ja, kaum Handlung, sondern die Gedanken und Empfindungen deines Prot.; toll eingefangen, wie ich finde.

Wie schon oben geschrieben, würde ich diesen Text mit der Momentaufnahme aufhören, wo er dasteht und seine Angst formuliert, es ist der verletzlichste der Geschichte.
Nein, nein, nein, bitte nicht :shy:
Dieser Schluss wäre ziemlich traurig und hoffnungslos und ein bisschen Hoffnung braucht es immer, finde ich. Der Abschlusssatz ist auch sehr gut und vor allem hinterlässt er doch etwas Positives - was, meiner Meinung nach, in eine Geschichte gehört! Also, bitte so lassen :)

Nur noch Wenige irrten auf der Terrasse und im Saal umher, um zu suchen, was längst vergangen war.
- Vielleicht irre ich mich, aber schreibt man nicht wenige klein? So wie "andere" weil es ja wenige Menschen, Personen, Kinder, Leute, was auch immer sein können...?
- um zu suchen, was längst vergangen war Sehr schöne Formulierung! :thumbsup:

Also, noch mal: Sehr schöne Geschichte, die ich wirklich gern gelesen habe! :)

LG,
Nanine

 

nochmals mein Senf dazu: Den Schluß ebenfalls lassen. Der ist super, finde ich.... Besonders die Frage am Schluß ist perfekt zum drüber nachdenken.

Gr33ts
Judas

 

Hallo!

Wünschte, ich wäre bei meiner Abifeier zu philosophischen Gedanken bereit gewesen... *schäm*

Deine Momentaufnahme (hab oben gespickt) gefällt mir sehr gut, die Metaphorik ist zwar stellenweise etwas (über)schnörkelig, aber trotzdem schlüssig.

LG
ardandwen

 

Hi ktmallory,
"Vielleicht sieht es nach viel Kritik aus."
- Nein, ich finde deine Kritik hervorragend, einen Großteil deiner Vorschläge kann die Geschichte wirklich weiterbringen.

"Ich bin nicht dahinter gekommen, warum es so warm ist."
- Steht aber im Text ;)

Ich habe, wie du merken wirst, einige Stellen verändert, die du angesprochen hattest.
Vielen Dank!

Hi Leseratte,

Danke für dein Lob. Nein, der Schluss bleibt wo er ist, keine Angst ;) Wie man wenige in diesem Fall schreibt, weiß ich auch nicht. Ich werde es überarbeiten, sollte noch jemand definitiv diese Regel kennen.

Nochmal Hi Judas,

schön, dass auch dir der Schluss gefällt. Ja, etwas Hoffnung muss auch in den traurigsten Situationen sein. Das Ende soll ein kleines Gegengewicht zum Hauptteil darstellen. Nichts im Leben ist nur schwarz, und ein Ende ist immer auch ein Anfang ;)

Hi ardandwen,

Auch dir danke für das Lob :)
"Wünschte, ich wäre bei meiner Abifeier zu philosophischen Gedanken bereit gewesen"
- Wünsch dir das lieber nicht.

Viele Grüße an euch und danke für die gehaltvolle und hilfreiche Kritik,
Neph

 

Duden sei Dank: wenige schreibst du in diesem Fall klein. Begründung: Als unbestimmtes Zahladjektiv wird "wenig" klein geschrieben. Beispiele:
- ein wenig, ein weniges, ein klein wenig
- die wenigen ; einige wenige
- wenige glauben, dass....
- es ist das wenigste, das du tun kannst

Zur Wärme: ich bin schlicht und einfach zu blöd, es zu kapieren :-( Ist es wegen IHR? Weil SIE so viel Wärme ausstrahlt? Lass mich bitte nicht im Regen stehen, würde mich echt interessieren.

Abschliessend: ich bin froh, dass du meinen Kommentar nicht als Herumkrittelei empfunden hast. Und nochmals: mir gefällt dieser Text sehr gut!

KT

 

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