- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 2
Endlich frei
Marcus fragte sich wo das alles noch hinführen sollte, während er seinen BMW durch das Parkhaus fuhr. Parklücken waren hier Mangelware, aber er kannte die Stelle an der er immer ein Plätzchen fand. Dort standen immer schon die leuchtenden, blank geputzten Autos der Entscheider dieser Stadt. Und es gab viele davon. Auch heute fand er hier wieder einen Platz. An der selben Stelle hatte er vor drei Wochen auch gestanden, oder vor vier. Er wusste es nicht mehr. Er nahm seinen kleinen Rollkoffer aus dem Kofferraum, verstaute sein Sakko darin und schlenderte hinüber zum Checkin. Heute trafen sie sich in Dublin. Dort war er schon dreimal gewesen, aber noch nie privat. Also hatte er bisher noch nicht viel von der Stadt gesehen. Das sollte sich nun ändern.
Samuel hatte die Stadt diesmal ausgewählt. Er sagte, dass es hier viele Kneipen und gutes Bier geben sollte. Außerdem könne man hier etwas zu Ende bringen. Was das genau hieß, wusste Marcus nicht. Das Flugzeug war fast leer an diesem Freitagabend. Als er es sich bequem gemacht hatte, dachte er, während die Maschine in den Himmel über seiner Heimatstadt stieg, darüber nach, wie oft sie sich schon getroffen hatten. Es mussten 14 oder 15 mal gewesen sein. Beim ersten Mal waren sie in Barcelona gewesen, dann hatte es sich zum Ritual entwickelt und sie hatten beschlossen, sich einmal im Monat über das Wochenende in einer Großstadt zu treffen. Sie kannten sich beide noch nicht wirklich lange. Hatten sich auf einem Projekt ihrer Firma kennengelernt.
Er wusste nicht mehr, wo es war. Rom oder Mailand ? Auf jeden Fall hatten sie entdeckt, dass sie beide gerne reisten und daraus war ihr Hobby entstanden. Er wusste eigentlich gar nicht viel über Samuel dachte er bei sich. Sie redeten meist über die Firma, Projekte, Kunden, manchmal über Sport und gelegentlich über Beziehungen. Obwohl man das, was sie zumeist mit Kolleginnen hatten, kaum Beziehungen nennen konnte. Es mangelte an Zeit. Samuel war außerdem sehr intelligent, das hatte Marcus sofort gemerkt,ehrgeizig und zielstrebig. Aber was er sonst noch tat darüber wusste er nicht viel. Aber wahrscheinlich gab es da auch nicht wirklich viel. Wie bei ihm selber auch. Sie tranken viel, wenn sie sich trafen und dann unterhielten sie sich über belanglose Dinge. Nun hatten sie Reiseflughöhe erreicht. Die Flugbegleiterin brachte ihm einen Wein und dann schlief er ein.
Als er das Hotel erreichte, standen mehrere Streifenwagen und ein Krankenwagen vor dem Eingang. Der Taxifahrer ließ ihn aussteigen und Marcus betrat das Foyer. Er sah wie zwei Sanitäter über einen Mann gebeugt saßen. Er trug einen schwarzen Anzug und einen grauen Mantel. Marcus versuchte einen Blick auf das Gesicht zu erhaschen, aber das war nicht mehr da. "Der Mann hat sich einfach in den Kopf geschossen. Es war schrecklich", wimmerte leise eine Frau, die weinend neben im stand. Auf einmal wurde Marcus alles klar. Samuel wollte hier etwas zu Ende bringen. Marcus erinnerte sich, dass Samuel sich manchmal gefragt hatte, ob er alles richtig gemacht hatte. Er hatte damals in Harvard auf Lehramt studiert und war dann in London bei ihrer Fima eingestiegen. Die stellten jeden ein, der exzellent war. Manchmal hatten Samuel auch von der Sinnlosigkeit gesprochen. Und eine Waffe besaß er auch. Er schaute auf den Boden und er war sich sicher, dass es Samuel war, der dort lag. Bestimmt war ihm die Arbeit zu Kopf gestiegen. Bestimmt hatte er den Druck, die Unbestimmtheit und die Sinnlosigkeit nicht mehr ausgehalten. Sie arbeiteten dafür, dass ein paar Arschlöcher ein paar Prozent mehr im Jahr verdienen und alles optimieren konnten. Aber die Welt zu einem besseren Ort machen, das taten sie nicht. Bestimmt war ihm das klar geworden und dann ...
Scheiße dachte er und setzte sich in einen der Sessel, Tränen übermannten ihn. Vielleicht hätte ich Lehrer werden sollen, aber dafür ist es jetzt zu spät, sagte er laut.
Seufzend schaute er auf und sich in der Lobby auf. Und da trat Samuel aus dem Aufzug heraus. Er sah lebendig, trug die üblichen Ausgehklamotten. Er sah den Aufruhr und sah ihn im Sessel sitzen. Er rannte zu ihm hinüber. "Hey Marcus, was ist hier passiert, wieso bist du so niedergeschlagen". "Es scheint sich hier jemand umgebracht zu haben", antwortete Marcus, erleichtert, dass seine Furcht sich nicht bewahrtheitet hatte. "Kanntest du ihn ?" "Nein", antwortete Marcus. "Ich hatte es gedacht, aber ich tat es nicht." Er stand auf. "Warte doch draußen, sagte er zu Samuel und deutet in die Nacht. "Ich ziehe mich schnell um und dann gehts los. Party UP". "Yeah", antwortete Samuel. "Work Hard, Party hard".