- Beitritt
- 24.04.2003
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Endlos
Seit einer geschlagenen Stunde sitze ich vor der Tastatur und warte auf Inspiration.
Vergeblich.
Aus diesem Grund habe ich gerade beschlossen, einfach drauf lozuschreiben. Alles ist besser als auch nur noch eine Minute länger auf dem Stuhl zu hocken und einen leeren Bildschirm anzustarren, der alle zehn Minuten in den Stand By Modus schaltet, durch einen kurzen Mausruck meinerseits zurück ins Leben geholt wird, um dann erneut in starrem Zustand den Ablauf bis zur nächsten Ruheperiode zu erwarten.
Ich schreibe jetzt also einfach weiter, ohne die geringste Idee davon zu haben was und warum. Im Grunde wollte ich das sowieso schon immer einmal machen, reines Brainstorming, den Gedanken völlig freien Lauf lassen.
Bis hierhin macht das eigentlich richtig Spaß und vielleicht schaffe ich es ja sogar meine Schaffenskrise zu überwinden, wenn ich noch eine zeitlang damit weitermache.
Also, damit dieser Text nicht in völliger Sinnlosigkeit ausartet, was wäre denn zumindest halbwegs interessant?
Mein heutiger Tagesablauf ganz bestimmt nicht, der ist nie interessant. Mein restliches Leben vielleicht schon eher, wenn man die letzten beiden Jahre aussenvorlässt, denn die waren aus meiner Sicht nicht nur arg inhaltslos, sondern auch absolut vergeudete Zeit.
Schreibe ich also über meine Person mit Ausklammerung der zurückliegenden siebenhundertzwanzig Tage?
Wieso eigentlich nicht?
Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob es sich dann immer noch um Brainstorming handeln würde, wohl eher um eine Biographie. Dann würde ich wieder irgendwann nach einer Weile mitten im Satz verharren und überlegen wie ich weitererzählen könne und schon wäre sie wieder da, meine Schreibblockade.
Also nein, Vorschlag abgelehnt.
Eventuell könnte ich mir ja mal all die Dummheiten und Fehler vor Augen führen, die ich allein im letzten Monat begangen habe. Für so etwas gibt es, soweit ich weiss, keine literarische Bezeichnung. Vielleicht erfinde ich eine?
Unzulänglichkeitsliste. Das wäre noch milde ausgedrückt. In meinem Fall wäre Idiotenbuch wohl passender.
Ich bin eben ein naiver Mensch, zwar gutherzig, aber naiv. Deshalb lasse ich mich auch immer von allen Leuten die mir begegnen, verarschen.
Ich bin selbst Schuld das ich jetzt hier sitze und im Eigenmitleid ertrinke, keine Gedichte mehr zustande bringen kannen.
Himmel, mittlerweile bin ich länger auf der Suche nach Synonymen, als ein gewöhnlicher Mittdreißiger nachts Schlaf braucht. Kein Wunder, dass ich nichts mehr zu Papier bringen kann, respektive auf den Monitor.
Wussten Sie eigentlich, dass es kein Synonym für Synonym gibt?
Ich könnte dieses Wort zeilenlang verwenden und niemand könnte mir vorwerfen, einen schlechten Schreibstil angewendet zu haben, geht ja schließlich nicht anders.
Eben deshalb bin ich auch ein solcher Verfechter der englischen Sprache, man mag ihr vorwerfen was man will, aber ganz egal wie primitiv ihre Grammatik auch sein mag und wie wortkarg ihr Vokabular.
Man schreibt und es klingt ganz einfach cool. Egal was, egal wie.
Im deutschen funktioniert das leider nicht.
Ich befinde mich in diesem typischen Stadion der Selbstunterschätzung. Ich arbeite Stunden an einem Werk, lese es mir zwischenzeitlich immer und immer wieder durch, korrigiere es, versuche alles es zu perfektionieren.
Dann fällt mir kein passender Schluss ein, ich lösche es komplett und fange von vorne an.
Wenn sich diese Phase zum zwanzigsten mal wiederholt hat, fängt man damit an über sein Dasein zu philosophieren, war zumindest bei mir so.
Ich habe mich oft gefragt ob sich die Schriftstellerei nicht auf das Alltägliche übertragen lässt. Automatisierte Vorgänge, die schlussendlich bloß auf einen völligen Neuanfang hinauslaufen. Wie beispielsweise eine Hausfrau die gleiche Wäsche immmer wieder wäscht. Ein Geschäftsmann eine bestimmte Sorte Brot solange verkauft, bis das Lager leer wird und das Brot (gibt es ein Synonym für Brot?) einer Nachbestellung bedarf. Der Konsument wiederrum beschmiert es mit fettreduzierter Margarine und legt ein paar kalorienarme Scheiben toten Tieres darauf, isst es und bekommt bald wieder Hunger.
Alles wiederholt sich, aber den Alltag wiederum auf die Schriftstellerei zu reduzieren, scheint mir zu banal. Irgendwie auch unlogisch, aber ich ziehe oft Schlüsse die keinen Sinn ergeben, weil ich zuviel nachdenke, anstatt zu handeln.
Weshalb tippse ich hier irgendeinen Mist nieder?
Ich könnte etwas produktiveres unternehmen, ein neues Gedicht schreiben zum Beispiel.
Aber nicht solange mich Zweifel plagen. Bin ich denn tatsächlich so schlecht?
Interessiert es irgendwen welche Qualitäten ich besitze?
Klar, eine Sache zum Ausdruck bringen ist leicht, mit ihr dann aber auch zufrieden zu sein, das ist die Kunst!
Ich glaube das viele Menschen meines Berufsschlages dieses Problem teilen, oft aber nicht darüber reden. Autoren genießen es ihrer Umwelt Ruhe und Ausgeglichenheit vorzuspielen, vermutlich weil sie denken dadurch gebildeter zu wirken.
Tatsache aber ist, dass wir in Wahrheit vor innerlicher Ungeduld fast platzen und uns unsere Unentschlossenheit mitunter in den Wahnsinn treibt.
Alleine wenn es darum geht ein gutes Ende zu finden.
Wie schnell Motivation in pure Umlust umschwingen kann, findet man am besten heraus, indem man aus seinen Ideen Worte formt. Anfangs macht das einen Riesenspaß (zumindest solange man sich halbwegs für die Schreiberei begeistern kann), aber wehe es rückt der Zeitpunkt der Fertigstellung in greifbare Regionen.
H. P. Lovecraft, begnadeter Mann, ein wenig durchgeknallt vielleicht, aber genial. Ich habe alle seine Romane und Kurzgeschichten gelesen und genau das ist auch der Punkt.
Besonders lange braucht man dafür nämlich nicht.
Der sprichwörtliche Hund liegt in seiner Faulheit begraben, der Haken an der Sache ist auch hier das plötzlich einsetzende Ende nach einer unglaublich guten Story.
Man spürt richtig die anfängliche Euphorie des Verfassers, die immer mehr in Hast und Unlust ausartet. Das kurze Finale kommt fast immer plötzlich und unvorhergesehen.
Poe hat es da schon besser gemacht, aber der ist ohnehin über alle Zweifel erhaben.
Aber wie auch immer, ich drifte ab.
All das ist nicht die Ursache für mein Problem.
Ich leide unter einer ganz entsetzlichen Versagensangst. Seit dem meine Frau mich verlassen hat, ist es noch viel schlimmer geworden.
Nicht, dass ich sie vermissen würde, das hat diese falsche Schlange nicht annähernd verdient.
Es zeigt mir aber wie unfähig ich bin in meinem Leben irgendetwas für längere Zeit aufrechtzuerhalten.
Als ich noch jünger war, sah ich lieber Filme. Bücher waren nichts für mich, da fehlte mir die Musik, die Dramatik, das Gewaltige!
Mein Traum war es Regisseur zu werden und nachdem ich einige Jahre später festgestellt hatte, dass dies wohl auch für den Rest meines Daseins ein solcher bleiben würde, hatte ich mich entschlossen, dem gedruckten notgedrungen doch eine Chance zu geben.
Eine gute Entscheidung, das einzige was ich bis heute konsequent durchgezogen habe und dann jetzt diese Situation.
Wenn ich meine Kunst zum dichten nun auch noch verloren habe, kann ich gleich meine Koffer packen und mich auf ein unbewohntes Eiland in der Karibik zurückziehen.
Aber nein......ich habe da gerade eine viel bessere Idee!
Ich werde jetzt erstmal für den Augenblick tun, was ich immer tue : Schnell und unverhofft zum Ende kommen, dass bislang geschriebene löschen und mit meiner Biographie beginnen. Der beste Einfall, den ich seit langem hatte!
P.S. Die Filmmusik vermisse ich heute übrigens immer noch