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Entscheidungen oder Das Leben ist was man draus macht
Das Leben ist was man draus macht
Andrew war immer unzufrieden mit seinem Leben. Alles was er anfasste, alles was er tat, schien in seinen Händen zu zerbrechen. Besonders an jenem Tag ging es ihm schlechter denn je.
Er hatte seinen Job verloren, sein Vermieter drohte damit ihn aus der kleinen, stinkenden Wohnung zu werfen, die Bank hat sein Konto gesperrt und weil das alles scheinbar noch nicht genug war, trennte sich seine Freundin zu genau zu diesem Zeitpunk von ihm. Sie sah keine Zukunft in dieser Beziehung. Sie bräuchte jemanden der bereit wäre etwas aus sich zu machen.
Also kam es, dass Andrew auch an diesem Tag wie an den meisten Tagen davor, seine kleine Mietswohnung am frühen Morgen verließ um sich auf den Weg in die Stadt zu machen. Ein Tag wie jeder andere auch, zumindest anfangs.
Es regnete draußen. Und auch dieses mal schien das Schicksal ihm übel mitzuspielen. Sein Regenschirm fiel beim Öffnen regelrecht in kleine Stücke, auf dem Weg zur Bushaltestelle trat er direkt in ein kleines, oder doch eher großes Geschenk eines Hundes und wie sollte es auch anders sein, während er auf den Bus wartete, da bespritzte ein durch die große Wasserpfütze direkt vor ihm, vorbeifahrendes Auto, seinen einzig sauberen Anzug. Und auch der Bus selbst ließ diesen Tag etwas länger auf sich warten.
Als er dann letztendlich doch ankam, war der einzige frei Sitzplatz im hinteren Teil, neben einer älteren Frau.
„Entschuldigung?“
„Ja?“
„Ist dieser Platz noch frei?“
„Oh, ja natürlich. Setzten Sie sich.“
Die alte Frau legte ihre Tasche beiseite und Andrew nahm neben ihr Platz.
„Ein wunderbarer Tag heute, nicht wahr?“
flüsterte die alte Frau.
„Na, wenn Sie meinen, sprechen Sie ruhig für sich selbst. Ich wüsste nicht was an dem Scheiß Wetter da wunderbar sein sollte.“
„Oh, sie sollten wirklich nicht so sprechen. Sie sollten Gott dafür dankbar sein, ein solches Wunder erleben zu dürfen.“
Andrew fauchte der alten Dame entgegen:
„Dankbar? Ich soll dankbar sein? Dankbar dafür das mir dieser verdammte Wagen da draußen meine einzige noch gutaussehende Kleidung ruiniert hat? Hören sie auf von Gott zu reden. Soll ich mich bei Gott für mein Scheiß Leben bedanken? Dafür das ich meinen Job verloren habe? Dafür das ich meine Wohnung verlieren werde, weil ich sie nicht mehr bezahlen kann? Dafür das meine Freundin weg ist, weil sie fand ich hätte kein Ziel vor Augen? Dafür das es hier im ganzen Bus dank mir nach Hundescheiße riecht? Oh, ja Gott danke das du mich mit Füßen trittst.“
Die alte Dame jedoch zeigte sich wenig begeistert von Andrews Standpauke und schüttelte nur abweisend den Kopf.
„Sie beschuldigen Gott für etwas was sie selbst zu verantworten haben.“
„Was ich selbst zu verantworten habe? Also ich .... Wissen sie was vergessen sie’s einfach. Ich weiß sowieso nicht weshalb ich mit ihnen darüber rede.“
Andrew drehte den Kopf in eine andere Richtung. Für ihn schien dieses Gespräch beendet, doch die alte Dame ließ nun nicht mehr locker. Wieder flüsterte sie ihm entgegen:
„Entscheidungen, Andrew.“
„Was?“
Ungläubig drehte er sich wieder zu ihr.
„Entscheidungen.“
„Nein, nicht das. Woher kenne sie meinen Namen?“
Doch darauf gab ihm die alte Frau keine Antwort, sie fuhr stattdessen fort ihren Vortrag zu beenden.
„Entscheidungen. Das ist es. Wir alle treffen Entscheidungen. Jeden Tag. Das ist es, was unser Leben bestimmt. Wir werden geboren und wir sterben. Zwei Dinge die wir nicht ändern können, denn unser Tod ist so Gewiss wie auch unsere Geburt es war. Aber das Wichtige ist das was dazwischen liegt. Unser Leben, Andrew. Entscheidungen. Sie haben in ihrem Leben bisher viele Entscheidungen getroffen und viele davon waren nicht richtig. Wären sie es gewesen, dann wären sie heute nicht in diesem Bus.“
Die alte Dame begann leicht zu lächeln.
„Also hören sie auf immer anderen die Schuld an ihrem Leben zu geben. Hören sie auf damit ständig davon zu träumen jemand anders zu sein, reich zu sein, berühmt zu sein. Hören sie auf jene zu beschimpfen die all dies sind. Hören sie auf damit und treffen sie Entscheidungen.“
„Ich treffe andauernd Entscheidungen. Glauben sie nicht ich würde mich anstrengen, um etwas aus mir zu machen? Glauben sie ich wäre ein fauler Mensch? Ich habe mich immer angestrengt, mir immer Mühe gegeben. Und was hat es mir gebracht?“
„Ach Andrew, belügen sie sich doch nicht ständig selbst. Sie haben sich immer vor wichtigen Entscheidungen gedrückt.“
Andrew hatte nun keine Lust mehr der alten Dame zu zuhören und dass musste er auch nicht mehr, denn der Bus hatte den Ort erreicht an dem Andrew aussteigen wollte. Doch die alte Dame ließ ihn nicht gehen und hielt ihn an seinem Ärmel fest.
„He, was soll das. Lassen sie mich los ich muss hier raus.“
„Nein, Andrew das müssen sie nicht. Sie sollten besser erst beim nächsten Halt aussteigen.“
„Ja, wie sie meinen, aber jetzt muss ich wirklich los, also... oh nein, jetzt fährt er weiter. Ach... verdammt.“
Andrew stampfte einmal kräftig mit dem Fuß gegen den Sitz.
„Das ist ihre Schuld. Sie verrückte alte Schachtel.“
„Oh, Andrew. Sie haben gerade wieder eine Entscheidung getroffen. Sie sind nicht ausgestiegen. Das war vielleicht die richtige Entscheidung. Auch wenn ich ihnen diese Entscheidung abgenommen habe, es war vielleicht ihre erste richtige Entscheidung seit langer Zeit.“
Doch dieses mal gab Andrew der Frau keine Antwort mehr, er verbrachte die Zeit bis zu nächsten Haltestelle still sitzend.
„Hier müssen sie raus Andrew.“
Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Er sprang auf und verließ den Bus durch die hintere Tür nach draußen, während ihm die alte Frau noch zu rief:
„Entscheidungen Andrew. Wir alle treffen Entscheidungen. Jeden Tag.“
Was für eine verrückte alte Kuh, dachte er sich während er dem langsam abfahrenden Bus hinterher sah und auch die alte Frau beobachtete, die ihn sorgfältig aus der Hinterscheibe des Busses heraus anstarrte.
Er bemerkte nicht, dass er direkt auf eine andere Frau zurannte, welche sich gerade einen Kaffe aus einem der Zeitungsstände geholt hatte. So geschah es dass er sie über den Haufen rannte.
„Oh, verdammt das tut mir Leid. Ich habe sie nicht gesehen.. Warten sie ich helfe ihnen auf.“
Und während er ihr hoch half und sie ansah, da muss es für ihn Liebe auf den ersten Blick gewesen sein. Und er erinnerte sich an die Worte der alten Dame:
„Entscheidungen Andrew. Wir alle treffen Entscheidungen. Jeden Tag.“
Und das war es, was ihn dazu veranlasste, die Frau anzusprechen, etwas was noch vor dem Ereignis in dem Bus undenkbar für ihn gewesen wäre.
„Ähm, wissen sie was. Das ist mir jetzt zwar peinlich aber.. würden sie... vielleicht einen Kaffe mit mir trinken?“
Dieser Tag in Andrews leben ist nun 5 Jahre her. Mittlerweile ist er mit dieser Frau verheiratet und auch eine kleine Tochter haben sie schon. Sie leben in einem eigenen Haus, welches Andrew mithilfe seines neunen Jobs abbezahlt. Und es vergeht kein Tag an dem er sich nicht an diesen einen Satz erinnert:
„Entscheidungen Andrew. Wir alle treffen Entscheidungen. Jeden Tag.“
ENDE