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- 29.11.2001
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Er sieht mich nicht
Da ist er! Mein Herz klopft wie wild. Ich fühle mich, als stünde ich kurz vorm Herzinfarkt. Meine Hände schwitzen. In meinem Bauch flattern Tausende von Schmetterlingen und ein kribbeln durchläuft meinen ganzen Körper. Ich merke wie ich Rot werde. In schnellen Schritten, aber doch lässig, geht er an mir vorbei. Seine blauen Augen blitzen im Licht der Sonne. Er dreht sich nach einem hübschen Mädchen mit langen blonden Haaren um und lächelt sie an. Mir würdigt er keines Blickes. Er übersieht mich wie immer. Er hat keine Ahnung davon, dass ich Abends nicht einschlafen kann, weil ich an ihn denken muss und wenn ich dann schlafe, träume ich von ihm. Er weiß von all dem nichts. Und es ist ihm egal. Denn er kennt mich nicht.
Seit einem halben Jahr geht das schon so. Seit ich ihn das erste Mal sah, geht er mir nicht mehr aus dem Kopf. In ertrage es nicht, ihn jeden Tag zu sehen. Denn ich weiß, dass er meine Gefühle nie erwidern wird. Und doch kann ich es nicht abwarten ihm zu begegnen. Einmal stand ich dicht neben ihm. Tief atmete ich seinen Geruch ein. Männlich. Herb. Ich mochte es.
Mein Puls wird wieder normal und ich gehe weiter. Endlich kann ich nach Hause. Ich habe Hunger.
Ich gehe nach draußen. Die Sonne scheint noch immer. Was für ein herrlicher Tag. Meine Mutter ist noch nicht da um mich abzuholen. Typisch. Ich setze mich auf die Mauer, neben der sich ein großes Beet voller Nelken befindet. Ich liebe Nelken. Ihr süßlicher Geruch, ihre zarten Blätter. Ich pflücke mir eine und schließe die Augen, während ich ihren Duft einatme. Noch nie habe ich jemanden davon erzählt. Irgendwie ist es mir peinlich. Ich weiß nicht wieso. Als ich die Augen wieder öffne, sehe ich ihn. Er verlässt das Gebäude. Oh nein! Mir wird so heiß. Mein Herz klopft wieder. Doch bevor er an mir vorbeigeht kommt meine Mutter und ich springe schnell ins Auto. Die Nelke halte ich immer noch in der Hand.
Dieser Tag geht nur langsam vorbei. Keine Minute, in der ich nicht an ihn denke. Ich kann mich auf nichts konzentrieren und am Abend kann ich nicht einschlafen weil er in meinem Kopf ist. Am nächsten Morgen gehe ich müde zur Schule, doch ich freue mich, ihn wieder zu sehen. Auch wenn er mich nicht sehen wird. Als ich die Tür öffne, sehe ich ihn schon. Er steht mit dem blonden Mädchen von gestern auf dem Flur und beide lachen herzlich. Seine Freundin? Ich gehe an ihnen vorbei und versuche ihn nicht anzusehen. Doch es geht nicht. Seine Augen ziehen mich magisch an. Er sieht über mich hinweg. Meine gute Laune verfliegt sofort und am liebsten würde ich mich heulend in eine Ecke verziehen. Ich gehe in den Klassenraum, wo schon die anderen auf den Lehrer warten. Sie lachen, albern herum. Ich gehe zu meinem Platz. Dort liegt eine Nelke. Und niemand der anderen weiß, von wem sie ist!