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Ersonnene Wirklichkeit

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26.07.2001
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Ersonnene Wirklichkeit

Das klingeln des Weckers riss ihn aus dem Schlaf. Noch mit geschlossenen Augen bereitete Simon dem monotonen Geräusch ein Ende. War es wieder die Zeit des Erwachens, die Szenerie die seinen Auftritt verlangte? Mit langsam geöffneten Augen lag er nun fast lethargisch im Bett. Es dauerte eine weile, aber für ihn schienen es nur Millisekunden zu sein in denen er versuchte seine Gedanken zu sammeln. Ermunternd sagte er zu sich selbst "Das ganze ist so unwirklich.", dabei lachte er fast schelmisch. Als er aufstand und auf den Kalender schaute, der über seinem Bett hing, sagte er "Wieder so ein Sonntag, aber ich werde wohl auch heute zum Schlossgärtchen spazieren gehen". Er pflegte jeden Sonntag diesen Platz zu besuchen, wahrscheinlich wegen seiner Krankheit. Sein Buch und eine Wasserflasche im Gepäck machte er sich los vom Zuhause.

Auf dem etwa vier Kilometer langem Weg zu seinem Ziel schien er zunächst nicht mehr krank zu sein. Es war zwar keine Großstadt in der er lebte, aber viele Menschen gingen heute an ihm vorbei. War er einer von ihnen? Plötzlich kamen drei Kinder auf Fahrrädern die sich schreiend jagten und ihn fast umgefahren hätten. Ihnen schien es viel Freude zu bereiten, sie dachten nicht darüber nach was andere sich erdachten und sie schauten nicht zurück, das erinnerte Simon an seine Vergangenheit.

Während er so nachdachte war er bereits an der Brücke angelangt, die zum Schlossgärtchen führte. Etwas verdutzt darüber schon dort zu sein deklamierte er "Die Zeit scheint stehen zu bleiben, wenn man in Erinnerungen schwelgt. Aber je mehr man sich erinnert und darüber nachdenkt, um so weiter scheint sie einen fortzutragen." Er ging über die Brücke und mit ihr über den Burggraben. Nun gab es dort das Schlösschen welches derzeit als Museum und Restaurant fungierte und von einem weiteren teichgrossen Graben umgeben war. Simon setzte sich nicht etwa auf eine der vielen Banken die um den Teich standen, sondern auf eine kleine grasbewachsene Anhöhung neben einem Kiesweg. Dort sitzend führte er seine von Raunen begleitenden Beobachtungen fort. Da gab es einige Enten, die im Wasser spielten und sich von drei Kindern mit Brotstückchen füttern ließen. Er murmelte etwas wie "Als Kind habe ich auch die Enten gefüttert nur kann ich mich nicht daran erinnern was ich in dem Moment dachte. Damals ergriff mich oft eine kindliche Phantasie und ich sah ganz deutlich eine Welt die sich mir bot, jedoch ohne das Gefühl zu haben daran etwas ändern zu müssen." Kurz darauf hielt er sein Buch gegen die Sonne und sagte "Warum nur müssen wir im Alter erkranken?"

Plötzlich sah er ein junges Mädchen, das etwa in seinem Alter war, von einer kleinen Holzbrücke den Kiesweg auf sich zukommen und schloss schnell die Augen. Als er seine Augen ein paar Sekunden später öffnete war das Mädchen nicht mehr zu sehen, aber sie hatte ihn bestimmt gesehen. Das beunruhigte Simon, denn er war sich sicher Sie war eine von denen. Ja, ganz bestimmt sogar und neugierig schaute er in sein Buch und las ein paar Zeilen.

Es gibt Wesen, die wie ganz gewöhnliche Geschöpfe der Natur an dir vorbeigehen, jedoch sehen sie dich mit anderen Augen. Auch wenn du versuchst die Augen zu schliessen, um in deiner Wirklichkeit Herr der Lage zu werden, so haben sie dich doch schon erforscht und sind verschwunden.

Simon war entsetzt, aber auch froh darüber sein Buch in den Händen zu halten was ihn auf seine erschreckende Lage aufmerksam machte. Er schaute ein weiteres mal zu den Enten herüber, die Kinder saßen indes auf einer Bank und quatschten miteinander. Jetzt fiel ihm jedoch auf in was für eine Lage das Buch in versetzte. Traurig und mit gesenktem Kopf murmelte er "Ach, was würde ich doch gerne auf die Gedanken, die das Buch mir erbrachte verzichten, um nicht in so einer Lage zu sein. Wie grausam ist es zu wissen was einem das Wissen einbringt." Nach diesen Worten richtete er seinen Blick auf und am anderen Ende des Teiches sah er wieder dieses mysteriöse Mädchen, diesmal auf einer Bank sitzend. Er entschloss sich sie nun im Auge zu behalten. Sie sah adrett aus und schaute auf einen Block der auf ihrem Schoß lag. "Las sie etwa auch in so einem Buch?" dachte Simon. Nein, anscheinend machte sie sich Notizen und blickte ganz kurz zu ihm rüber. Ad hoc riss sie eine Seite heraus und warf diese über ihre Schulter hinter die Bank, dann rannte sie davon. Simon hätte ihr nicht so schnell folgen können und er wollte es auch nicht. Trotzdem war er entschlossen genug, um nachzuschauen, was sie herausgerissen hatte.

Er hatte Glück das sich in der Zwischenzeit niemand anderes dort hinsetzte, denn Simon war trotz seiner Neugier schüchtern genug, um nicht hinter einem Fremden auf einer Bank ein zerknülltes Stück Papier zu ergattern. Simon fand es und las die darauf stehenden Worte.

Ihr seid alle Romanfiguren in diesen Traumwelten. Sei nicht traurig darum zu wissen was mit dir passiert wenn wir dich beobachten und dich beschreiben. Wir selbst sind doch auch nur einsame Wesen, die wollen das ihre Schriften gesehen werden.

 

Das ist wunderschön!!!! <IMG SRC="smilies/thumbs.gif" border="0"> Richtig super geschrieben und richtig... zum davonsegeln! Super!!!

Das Beste, was ich bisher von Dir gelesen habe, Benjamin - ganz ehrlich <IMG SRC="smilies/thumbs.gif" border="0">

Die letzten paar Sätze erinnern an Michael Endes "Die unendliche Geschichte" - aber das macht überhaupt nichts!

Weiter so! <IMG SRC="smilies/thumbs.gif" border="0">

Griasle
stephy

 

Hi Stephy!

Danke für deine positive Kritik bei meiner letzten Geschichte. "Die unendliche Geschichte" habe ich allerdings nicht gelesen, aber das ist doch auch schön wenn wir durch Geschichten an andere Geschichten erinnert werden. Auch wenn das hier mehr zufällig der Fall war.

Tja.. Wesen sind es, die Geschichten schreiben indem sie sich andere zur Inspiration nehmen. Sie dich genau um, es gibt immer welche die uns beobachten. Auch die Blumen denken sich Geschichten aus, nur werden sie nicht immer verstanden.

Übrigens Glückwunsch zum "Geist in der Maschine" Rang.

 

Tag,

man muß die Zeit nutzen, die Zeit die man noch ohne Familie ist. Nutzen für solche Dinge wie sie oben stehen. Ist sie erst einmal vorbei, wird man sich wehmütig daran erinnern. Dann dauert es ein paar Jahre, bevor man wieder Zeit hat. In diesen Jahren vergessen die meisten, was sie einmal gerne gemacht haben. Nachdenken und Schreiben ...

Heiko

 

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