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Erwachen
Anton sah das Mädchen auf dem Bild. Es war auf dem Umschlag seines Buches. Das Mädchen trug einen kurzen Rock mit einem kurzärmligen Oberteil. Alles war in der selben Farbe, verschwommen, mit weißem Hintergrund, fast ausdruckslos. Aber nur fast, denn das Mädchen hatte die Arme ausgestreckt, hob ein Bein hoch und hatte in dieser Pose einen steifen Körper wie eine Ballettänzerin. Sie machte einen zufriedenen Eindruck und schien glücklich zu sein. Aber worüber nur, fragte sich Anton, der sich auf einer Terrasse, die zu der obersten Etage eines Flughafengebäudes gehörte, befand. Verwundert über das Bild und die Absicht des Künstlers schaute er zu dem Flugplatz, der sich zwei Stockwerke tiefer unter ihm befand und betrachtete die Passagiere, die gerade die abflugbereite Maschine erreichten; als ob ihm dieses Ereignis, eine Antwort auf seine Frage nach dem fröhlich tanzenden Mädchen geben könnte. Doch dies konnte man als einen Fehlschlag bezeichnen, denn er kam zu keiner Lösung und sagte leise: „Wie dumm.“, schaute sich danach um, um sich zu vergewissern, dass ihn keiner von den anwesenden Besuchern, die den einsteigenden Passagieren von oben zuwinkten, hörte. Er schaute nochmal nach unten zu den Passagieren und sah, wie eine Frau in der Hand eine Karte hielt, wahrscheinlich war es das Flugticket. Als sie die Stewardeß vor der Einstiegsluke erreichte, war auf einmal alles schwarz. Er spürte kalte Hände, die ihm jemand auf seine Augen legte. „Wer konnte es nur sein?“, fragte er sich. Anton drückte die Hände, die nur sehr wenig Wiederstand leisteten von seinen Augen weg, drehte seinen Kopf etwas zur Seite und staunte über das lächelnde Gesicht seiner Schwester. Sie war glücklich, bewegte das rechte Bein hin und her, streckte ihren Körper und stützte sich dabei mit einer Hand an der Stuhllehne, während sie den linken Arm in die Luft schwang. Anton sagte kein Wort, schaute wieder auf das Bild auf dem Umschlag seines Buches und wusste jetzt bescheid: Erwachen, so auch der Titel des Buches.