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Es geht um das Fleisch

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17.12.2002
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Es geht um das Fleisch

Eines Tages rief mich mittags meine Mutter aus Wangen an. Sie wollte mich zum Essen einladen. Hähnchen sollte es geben. Der einzige Haken: Es würde um genau 13:30 fertig sein. Ich sollte außerdem noch das Fahrrad für den Vater mitbringen. Ich schaute auf die Uhr: Es war 11:55. Das konnte knapp werden: Ich musste noch dringend duschen. Für die Fahrt von Ravensburg aus brauchte ich in der Regel 25 Minuten. Das Einladen des Fahrrads würde mindestens fünf Minuten in Anspruch nehmen. Blieben weitere fünf Minuten für die Dusche übrig. Das dürfte sehr knapp werden. Dennoch sagte ich zu mit den Worten: „Abgemacht. Ich werde pünktlich sein.“ Ich legte auf. Der Deal war geschlossen. Jetzt musste alles genau nach Plan ablaufen. Jede falsche Bewegung würde zu Zeit- und Nahrungsverlust führen. Die Mission stand fest: Duschen, Einladen, Losfahren. Die Zeit lief. Ich zog mich aus, ich stellte mich unter die Dusche. 24 Kilometer weiter wurde ein Backofen, Marke Rowenta, mit Ober- und Unterhitze auf genau 250 Grad Celsius erhitzt. Auf der Ablageplatte daneben wartete ein junger, möglicherweise toter Hahn aus Bio-Haltung, auf seine endgültige Hinrichtung mit anschließendem Verzehr. Als Beilage sollte es Reis und junges Gemüse geben. 11.58. In Ravensburg lief das Wasser. Der körpereigene Schmutz rannte in Verbindung mit Seife Richtung Kanalisation hinunter. Jetzt kam das Shampoo dran. In Wangen wurde der junge, womöglich tote Hahn, in die Röhre geschoben und die Klappe hitzesicher verschlossen. Alsbald wurde er von einem Schwall heißer Luft erfasst, die ihn zu braten drohte. Auf der anderen Seite verflüchtigte sich jetzt das Shampoo. Ich stellte das Wasser ab und griff, noch blind von der Seife, zielsicher nach dem Handtuch auf der Haltestange. 12.00. Wenn ich noch meine Haare heißluftduschen wollte, käme ich eine Minute in Rückstand. In der entfernten Küche wurde die Haut des Gockels angekrustet. Der Hahn musste spätestens jetzt deutlich spüren, dass sein Ende erreicht war; gesetzt den Fall, es steckte zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch ein Funke Leben in ihm. Ich entschied mich derweil, die Haare unheißluftgeduscht zu lassen. Schnell ließ ich die Klamotten an meinen Leib wandern und verließ die 2,5-Zimmer-Mietwohnung zum inklusiven PKW-Abstellplatz, kiesgebettet. Das zu verladende Fahrzeug stand verladebereit neben dem Transport Fahrzeug: ein Golf, Typ 2 Cl, Baujahr 1991, mit geregeltem Katalysator und kaum sichtbaren Schäden durch Korrosion oder Unfälle. 12.05. Das Hähnchen musste nun endgültig hinüber, dafür außen umso knuspriger sein. Die untere Hautschicht wurde bereits angedünstet. 12.08 in Ravensburg: Der Kofferraum war auf, die Doppel-Sitzbank vornüber geklappt. Ich versuchte, das gebrauchte Mountainbike mit Federung an der Vorderachse in den Innenraum zu hieven. Leider stellte sich dies als eher problematisch dar. Der Golf war ein äußerst schlechter Gastgeber für sperriges Material. 12.09. Die untersten Hautschichten des Gockels begannen, kross zu werden. Im Golf hatte sich der Lenker des Fahrrads im Lautsprecherkabel verhängt. Unter Wutanfällen zerrte ich ihn heraus und riss dabei das Kabel aus der Lötstelle. Dann eben keine Musik auf der Fahrt. Die Uhr zeigte 12.10. „Jetzt müsste ich eigentlich losfahren.“, dachte ich panisch, mit Wasser im Mund, angeregt durch den Gedanken an die potentielle Mahlzeit. Langsam waren die Eingeweide des Hahnes an der Reihe. Könnte er jetzt schreien, so würde er es gewiss tun. Ich an seiner Stelle täte genauso. 12.15. Endlich bekam ich den Drahtesel ins Fahrzeuginnere und fuhr völlig überstürzt los. 12.18.. Ich steckte im Mittagsverkehr fest. Nach geschlagenen zehn Minuten kam ich aus der Stadt heraus. Der Hahn war beinahe bis zum innersten Kern durchgedünstet. Es war 12.26 zu diesem Zeitpunkt. Ich hätte nun vor Ort sein sollen. War ich aber nicht, denn es folgte eine Umleitung. Selten beschleunigt eine Umleitung das Vorankommen. 12.30. Das Hähnchen war durchweg gar. Nach einer kritischen Inspektion der Fleischbeschaffenheit wuchtete der Vater das verzehrfertige Tier aus dem Garraum. Ich hatte die Umleitung bereits passiert. Zu spät. Ein gutes Stück Weg lag noch vor mir. Mein Vater zerlegte die Speise mit der Zange. Meine Mutter holte die Beilagen herbei. 12.35. Ein langsames landwirtschaftliches Fahrzeug entschloss sich, aus einer entlegenen Seitenstraße vor mir auf die Bahn einzuscheren und gemütlich vor mir herzutuckern. Schlechter Entschluss. Es fuhr ungefähr fünfundsechzig Stundenkilometer - zu langsam zum Heimkommen, zu schnell zum Überholen. 12.40 Jetzt mussten die ersten Teile des Hähnchens ohne meine orale Beteiligung über die Runden kommen. Die Eltern befanden sich inmitten des Speisevorgangs. Die Flügel waren nicht mehr zu retten. Kurz vorm Ziel, als seine Funktion als Nahrungsaufnahme-Bremse erfüllt war, schied der Traktor wieder aus dem Hauptverkehrsweg aus. Es war 12.44. Im Esszimmer ging es mittlerweile den Schenkeln an den Kragen. Meinen Eltern schmeckte es auch ohne mich bestens. Viel war nicht mehr übrig vom Fleisch. Die Eltern waren so gut wie satt. Eine Ampel noch, dann ein paar hundert Meter Fahrt. Ich war da. Das Hähnchen war weg, als ich die elterliche Wohnung um 12.46 betrat. Die Mission war gescheitert, der Hahn verloren – in den Weiten des menschlichen Bauches. Vielleicht klappt’s bei der nächsten Einladung.

(Anmerkung des Autors: Der Zeitraum sowie die zeitlichen Abstände des Garungs- sowie Verzehrungsprozesses des Fleisches sind bewusst unrealistisch eingeteilt, um der Geschichte mehr treibende Kraft zu verleihen und zugleich nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Mit der doppelten Hitze sowie unmenschlich hungrigen Eltern könnte der Rahmen vielleicht realisiert werden.)

 

Mir ist nicht klar geworden. wo die Satire ist - die gemeinen Eltern sehe ich da nicht drin, und auch nicht den toten hahn - vielleicht falsch gepostet?

 

also, es heisst DIE TOKI!
ich guck mir deine geschichten mal an - vielleicht finde ich sie ja gut ;-)

 

Hallo Toki

Wo würdest du den Beitrag denn reinstellen?
Für "Alltag" wäre er glaub zu dramaturgisch.

Frank

 

Hallo Jo nochmal

Tja, da kann man nix machen. Dir kann nicht alles gefallen.
Dass der zeitl. Rahmen unrealistisch ist, hab ich ja schon unten als Anmerkung geschrieben.

Gruß, Frank

 

hi, ich habe keine genaue ahnung, ich glaube ich hätte es erst einmal unter esperimente oder sonstiges gemacht. aber alltag finde ich auch okay.
und sonderlich dramatisch ist es auch nicht....
und, als vorschlag dazu: es gibt eine sechseckige taste auf deiner tastatur - wenn man dadrauf drückt, schreibt man in der nächsten zeile weiter - das nennt man absätze ;-) - würden das lesen wesentlich einfacher machen!

 

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