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Es ist schön hier

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07.09.2010
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Es ist schön hier

Es ist schön hier. Ich sitze auf der Treppe des Kinderbeckens, meine Füße sind im Wasser und ich lehne mich, auf meine Hände gestützt, zurück. Das LED-Licht wechselt langsam seine Farbe von blau zu grün. Tausende von kleinen Laserpunkten umspielen die Szenerie wie ein Sternenhimmel der sich eine Auszeit von der Unendlichkeit gönnt, genau wie ich, in einem alten Schwimmbad. Menschen spielen Wasserball ohne Regeln, haben aber umso mehr Spaß. Die Wärme und die hohe Luftfeuchtigkeit lassen Erinnerungen aufkommen die bis vor die eigene Geburt zurück zu reichen scheinen. Draußen sind es minus fünfzehn Grad.

Etwas weiter weg, am großen Becken, bemerke ich ein Pärchen. Er trägt ein offenes Hemd und hat seine Hosenbeine hochgekrempelt, sie trägt einen Bademantel. Die beiden küssen sich, dann nimmt er ihr den Mantel ab, darunter trägt sie einen Bikini. Sie küssen sich noch einmal, dann springt sie ins Wasser und er schaut ihr eine Weile nach während sie weg schwimmt, dann kommt er zu mir herüber und setzt sich neben mich. Er hat dunkle Haut und geflochtene Haare.

>>Warum sitzt du hier so alleine?<<
>>Ich arbeite hier.<<, antworte ich, nehme einen Schluck von meinem Cocktail und reiche ihn ihm weiter. Er lächelt und nimmt auch einen Schluck.
>>Es gibt da diesen Song, da erzählt der Sänger wie ihm seine Mutter mal gesagt hatte wie er heißen würde, wäre er als Mädchen geboren worden, kennst du ihn?<<, fragt er mich.
Ich kenne den Song.
>>Laura, er würde Laura heißen.<<
>>Genau, den Song meine ich. Hast du danach überlegt wie du heißen würdest? Mich hat das nicht in Ruhe gelassen. Ich habe einen jüngeren Bruder, ich weiß dass er Clara geheißen hätte, also habe ich meine Mutter gefragt, und sie hat nur gelacht. Sie hat gelacht und sagte dass es bei mir nie einen Plan B gegeben hätte.<<

Wir müssen beide etwas lachen.
>>Seltsam, oder? Im Gegensatz zu meinem Bruder hatte ich schon vor meiner Geburt keine Alternative. Ich muss immerzu darüber nachdenken als wäre es ein Problem. Aber hey; real ist das nicht. <<
Sein Mädchen winkt uns von der anderen Seite des Beckens zu. Wir reichen uns die Hand und er schlendert zu ihr herüber. Mein Drink ist leer, es ist nur noch ein Glas, halb voll mit Eis. Ich mache mich auf den Weg zur Bar.

Die Schlange ist sehr lang. Menschen, die sich in einem Glaskasten befinden, der von Eis umgeben ist holen sich kleinere Kästen, gefüllt mit Eis und Alkohol. Ich stehe kaum eine Minute an, da kommt eine Gruppe von vier Leuten in Anzügen. Die Anzüge sind schwarz, die Hemden weiß, aber heute tragen sie keine Krawatten. Die vier sind eine Band, ich kenne sie. Alle außer Paul, dem Sänger, reichen mir die Hand. Paul umarmt mich.

>>Was macht die Musik?<<
>>Oh, es ist phantastisch! Wir schreiben jetzt nur noch Lieder über flüchtige Blicke, die einem in der Bahn oder an Haltestellen zugeworfen werden. Du weißt ja wie es früher war; du bist blau/ Ich bin grün/ Cyan-Laser, immer wieder die gleiche Leier. Ich bin jetzt überglücklich.<<
>>Wieso tragt ihr immer noch Anzüge? Hier kann man schwimmen.<<
>>Wir wollten uns umziehen, aber in der Umkleide war es zu kalt. Jemand hat ein Fenster eingeworfen, hat geschrien dass er den Kontrast nicht mehr ertragen könnte.<<
>>Unglaublich.<<
>>Das glaube ich auch.<<

Wir sind endlich an der Reihe und ich bestelle eine Runde für alle, schließlich zahle ich nicht, ich arbeite hier. Ich erzähle ihnen von all den flüchtigen Blicken die mir in letzter Zeit zugeworfen wurden und sie hören gebannt zu und machen sich Notizen. Wir verabreden uns zum Tanzen auf der anderen Seite des Beckens und während sie sich langsam auf den Weg machen trinke ich meinen Drink leer, ziehe mich aus und springe ins Becken.

Das Wasser ist so warm, dass ich meine Geschwindigkeit immer weiter verringere während ich auch die andere Seite schwimme. An den Beckenrändern sind Liegestühle und sie sind alle besetzt, man hört Musik, Gespräche und Gelächter. Am Ende meiner Strecke beschließe ich noch eine Weile im Wasser zu bleiben und die Tanzfläche zu beobachten. Plötzlich taucht neben mir jemand auf. Auch ihn kenne ich, kann mich aber nicht mehr an seinen Namen erinnern

>>Hey, was machst du denn hier?<<
>>Ich? Ich arbeite hier. Ewig nicht gesehen!<<
>>Ja, ich war gerade zwei Jahre in Nicaragua, bin gestern erst angekommen.<<
>>Wie ist es wieder hier zu sein?<<
>>Es ist sehr angenehm, meine Nerven müssen sich wohl noch an so viel Entspannung gewöhnen. Weißt du, in Nicaragua herrscht, verglichen mit Deutschland, Anarchie, trotzdem gibt es dort so viele Regeln, gerade im Wasser. Das genieße ich hier. Sauberes Wasser ohne Regeln. Wenn du in Nicaragua baden gehst, kommen Fische und du hast keine Chance ihnen zu entkommen. Manche lassen Dinge in dir zurück und wenn du nicht aufpasst, kann dich so ein Ding töten. Meistens badet man dort alleine, deswegen hast du nur eine Wahl wenn so etwas passiert: Du musst es aus dir selbst heraus ziehen. Hiermit nicht zu vergleichen.<<
>>Was war schöner in Nicaragua?<<
>>Das Tanzen. Auf jeden Fall das Tanzen.<<
>>Dann leiste mal ein wenig Entwicklungshilfe.<<

Ich ziehe mich aus dem Wasser und bin direkt auf der Tanzfläche, er kommt hinterher und wir legen direkt los. Ich bemerke auch den Jungen mit den geflochtenen Haaren und sein Mädchen. Paul und seine Band sind auch schon hier. Wir tanzen ohne jegliches Zeitgefühl, fallen oft kopfüber ins Wasser ziehen uns gegenseitig heraus oder hinein. Wir lachen viel und die Gespräche des Abends ziehen an mir vorbei wie ein ehemals gelebtes Leben.

>>Ich bin jetzt überglücklich.<<
>>Aber hey; real ist das nicht.<<
>>Du musst es aus dir selbst heraus ziehen.<<
Es ist schön hier.

 

Hej EndOfTheLine,

eine gute Geschichte!
Ein bisschen dampfig und unbestimmt (ich weiß bis zum Schluss nicht, ob der Erzähler männlich oder weiblich ist) aber mir hat sie trotzdem gefallen.
Hier mal, was mir so aufgefallen ist:

meine Füße sind im Wasser
"sind" klingt so unbestimmt. "Stehen", "Baumeln", "Hängen" "Patschen" oder vllt konkreter: "meine Füße stehen auf den gekachelten Treppenstufen"


ein Sternenhimmel der sich eine Auszeit von der Unendlichkeit gönnt, genau wie ich,
Schön. :)

Die Wärme und die hohe Luftfeuchtigkeit lassen Erinnerungen aufkommen die bis vor die eigene Geburt zurück zu reichen scheinen.
Das finde ich 'n bisschen dick aufgetragen. Und wenn ich das im Zusammenhang lese: Warum soll ich mir eine hochschwangere Frau vorstellen, die Wasserball spielt?

Hast du danach überlegt wie du heißen würdest?
Wie wäre es mit "hast du mal überlegt"?

Wir reichen uns die Hand
Förmlich irgendwie. Aber nett. Hier ist der Erzähler für mich männlich.

da kommt eine Gruppe von vier Leuten in Anzügen.
Warum nicht: "Da kommen vier Leute in Anzügen." Und sie müssten sich schon anstellen.

Die vier sind eine Band, ich kenne sie
"Ich kenne die Band" würde genau das gleiche sagen.

Oh, es ist phantastisch!
Du hast ein Faible für "sein" in Variationen, oder?

>>Das glaube ich auch.<<
Ist das 'n (mir unverständliches) Wortspiel? "Finde ich auch" würde passen.

>>Wieso tragt ihr immer noch Anzüge?
Geht auch ohne "immer noch". Und er/sie hat ja selber auch irgendwas an, eh?

ziehe mich aus
Komplett?

An den Beckenrändern sind Liegestühle und sie sind alle besetzt
"An den Beckenrändern sind alle Liegestühle besetzt."
Wäre ein "sind" weniger. :) - wenn man das wollte.

Manche lassen Dinge in dir zurück
Wat'n? Schraubenzieher? Karamellbonbons? Steppschuhe? Es gibt so viele Dinge, die einen töten könnten.

Hiermit nicht zu vergleichen.<<
>>Was war schöner in Nicaragua?<<
Er sagt, dass man es nicht vergleichen kann und wird prompt dazu aufgefordert.

Ich ziehe mich aus dem Wasser
Wie zieht man sich (selbst) aus dem Wasser?

und bin direkt auf der Tanzfläche,
Geht er/sie direkt auf die Tanzfläche.

und wir legen direkt los.
Das zweite "direkt" kannst Du streichen.

Ich bemerke auch den Jungen mit den geflochtenen Haaren und sein Mädchen.
Wo sind die? Im Wasser ? "Ein paar Schritte entfernt" oder so etwas? Und tanzen sie, küssen sie sich, oder was?

wie ein ehemals gelebtes Leben.
Also anders gesagt: wie tote Gespräche? :D

>>Ich bin jetzt überglücklich.<<
>>Aber hey; real ist das nicht.<<
>>Du musst es aus dir selbst heraus ziehen.<<
Ich weiß nicht, wer was sagt. Find ich aber nicht schlimm.
Muss das überhaupt in der wörtlichen Rede stehen?

Jetzt hab ich Lust auf Sauna.

LG
Ane

 

Hallo Ane,

vielen Dank für die Rückmeldung. Es freut mich, dass du dir die Zeit genommen hast und noch mehr freut es mich, dass dir die Geschichte gefallen hat. Über deine Vorschlägen muss ich wohl noch eine Weile nachgrübeln, sage aber erst etwas zu meiner "Verteidigung".^^

Ich habe diese Geschichte ursprünglich in ein anderes Forum gestellt. Dort stand sie unter der Rubrik "Experimentell", was auch gepasst hatte.

Als ich neu in dieses Forum kam, wollte ich sie auch unter Experimente reinstellen. Als ich mir aber ein, zwei Geschichten aus dieser Rubrik angeguckt hatte, dachte ich mir: "Okay, Experiment hin oder her, aber an diese Experimentierfreudigkeit reicht meine kleine, gemütliche Geschichte nicht heran. Ich stelle sie mal lieber unter "Sonstiges" rein und gucke was passiert."

Hoffe dass sich hiermit ein, zwei Sachen aufklären und du eher verstehst warum ich einige wirklich seltsame Formulierungen und Situationen heranziehe.

Herzlichst, Alekseij.

 

Guten Abend, EndOfTheLine, willkommen!

Diese Geschichte hab ich gern gelesen. Sie ist ruhig, aber nicht langweilig, schön warm und lebendig geschrieben. Unaufdringlich steht zwischen den Zeilen vieles, das mir wegen des hohen Wiedererkennungswerts gefiel. Ich mag es sehr, wenn Geschichten und Erinnerungen zusammenlaufen und dadurch alltägliche Situationen adeln und verklären. Das Gefühl dabei hast Du gut eingefangen, nicht zielgerichtete Magie. Hat mir beim Lesen diesen arschkalten Nachmittag versüßt.

Was mich (außer den bereits bemängelten Anführungszeichen) gestört hat, war Deine Kommasetzung. Da fehlen ziemlich viele. Ein paar andere Kleinigkeiten fielen mir auch auf, ich hab Dir unten eine Liste geschrieben.

Das LED-Licht wechselt langsam seine Farbe von blau zu grün
von Blau zu Grün
wie ein Sternenhimmel, der sich eine Auszeit von der Unendlichkeit gönnt
Die Wärme und die hohe Luftfeuchtigkeit lassen Erinnerungen aufkommen, die bis vor die eigene Geburt zurück zu reichen scheinen.
zusammenschreiben: zurückzureichen
er schaut ihr eine Weile nach, während sie weg schwimmt
zusammenschreiben: wegschwimmt
da erzählt der Sänger, wie ihm seine Mutter mal gesagt hatte, wie er heißen würde
Hast du danach überlegt, wie du heißen würdest? Mich hat das nicht in Ruhe gelassen. Ich habe einen jüngeren Bruder, ich weiß, dass er Clara geheißen hätte, also habe ich meine Mutter gefragt, und sie hat nur gelacht. Sie hat gelacht und sagte, dass es bei mir nie einen Plan B gegeben hätte.
immerzu darüber nachdenken, als wäre es ein Problem.
er schlendert zu ihr herüber.
hinüber
in einem Glaskasten befinden, der von Eis umgeben, ist holen sich kleinere Kästen, gefüllt mit Eis und Alkohol.
Jemand hat ein Fenster eingeworfen, hat geschrien, dass er den Kontrast
Ich erzähle ihnen von all den flüchtigen Blicken, die mir in letzter Zeit zugeworfen wurden, und sie hören gebannt zu
auf der anderen Seite des Beckens, und während sie sich langsam auf den Weg machen, trinke ich meinen Drink leer
meine Geschwindigkeit immer weiter verringere, während ich
Am Ende meiner Strecke beschließe ich, noch eine Weile im Wasser zu bleiben
>>Wie ist es, wieder hier zu sein?<<
du hast keine Chance, ihnen zu entkommen.
deswegen hast du nur eine Wahl, wenn so etwas passiert: Du musst es aus dir selbst heraus ziehen.
zusammen: herausziehen. Das kommt am Ende nochmal.
fallen oft kopfüber ins Wasser, ziehen uns gegenseitig heraus oder hinein.

Viel Freude hier!
Makita.

 

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