Essen und Affen
Dinge zu erfahren ist wichtig zur Themenfindung.
Sätze zu formen ist wichtig um Absätze zu erschaffen. Vielseitigkeit in der Satzstruktur zu erreichen ist ein Muss. Sich langsam aufzubauen jedoch stilvoll. Stilvölle als Ende des Hungers nach Wortakrobatik zu betrachten, macht diese Gedanken erschreckend. Alles ist weiß und weich und unordentlich. Sich langsam aufzubauen ist also schlecht. Schlechter Stil – und wer will schon vollgestopft mit schlechtem Stil sein. Ich fahre einen Traum-Film. Stimmt. Und nichts wird hängenbleiben, oder? Warum sind Menschen so? Warum bleibt nichts hängen, was sie denken? Was mal andere für sie gedacht haben? Werden wir ja sehen. Da ist sie wieder, die innere Stimme - die taucht verblüffenderweise auch immer dann auf, wenn man nach ihr hört. Nicht so verblüffend eigentlich. Ich setz mich mal aufrecht hin. Also entweder ist sie die ganze Zeit da, was verrückt wäre, weil ich dann ganz linear und stringent denken würde – und das tu ich eigentlich nicht. Oder die innere Stimme ist nur die Übersetzung meiner unbewussten Vorgänge für das Bewusstsein, dass sich mit ihnen beschäftigen will. Hm, was essen. Geldbeutel auf dem Schreibtisch, jetzt in meiner Tasche. Genauso Schlüssel – und – Feuer. Alles dabei? -- . Das mit der inneren Stimme sollte ich mir merken. Das andere mit den Sätzen auch. Ob das wohl klappt? Beim Aufwachen Gedachtes hat die Tendenz, nicht erinnert zu werden. Naja, Tür auf. Treppe. Durch den Gang. Der Nachbar mit den Baseballschlägern, die durchs Fenster zu sehen sind. Der fette Kerl nimmt beide Schläger in die Hand und verjagt damit die Katzen, die sich auf sein Grundstück wagen. Dann isst er sie. Das wäre widerwärtig. Sind alle Menschen so? Oder sogar alle Wesen, die es gibt? Keine Ahnung. Affen – Affen sind bestimmt so – und was für einen Affen gilt, gilt immer für den Menschen offiziell. Man könnte experimentieren.
„Hi!“. Hä? Ah, Marita. Nice, aber – vergeben.
Ich spreche: „Hey! Ich hab Sauhunger, muss schnell weiter.“ Ein Affenforscher könnte zu irgendwelchen Schimpansen gehen, oder so... Und er zeigt denen, wie man ein Gewehr anlegt und
„Sauhunger, was?“, fragt sie mich grinsend und zeigt auf ihre Augen, dann zucken ihre Mundwinkel kurz. „Ja, schon...“. Ich hab ja auch Hunger. Nein! Sie meint, ob ich was geraucht hab. „Also nein!“, sage ich und definiere genauer: „Also nicht...“, ich zeige auf meine Augen, grinse auch. Sie lacht immer noch. Sie hat ein kleines Muttermal auf ihren Augenlid und jedes mal wenn sie zwinkert – Zwinker – sieht man es ganz kurz als Strich.
„Ich fühl mich grade echt befreit.“, sagt Marita. „Ja?“ Jetzt sieht man das Leberfleckchen die ganze Zeit als Punkt. Sie hat ihre Augenlider ein bisschen gesenkt.
„Wenn du aufm Weg so einen heulenden Typen siehst, den brauchst du gar nicht beachten.“, sie lacht ganz ganz kurz durch die Nase. Ein Lachen kann einem viel verraten, aber in diesem speziellen Fall doch nicht. Scheiße, sie lenkt mich von den Affen ab. Sie hat krasse Augen. Tief-Grau-Blau ins nichts sehend. Oh Mann, schon wieder Im-Kopf-Poesie.
„Was? Ach so, ja, mach ich. Pass auf dich auf!“. Sie winkt mir und geht über die Straße zur Bank. Pass auf dich auf? Wie soll sie das machen beziehungsweise wie sollte sie das nicht machen. Beziehungsweise wieso nicht? Würde etwas passieren, wäre das bestimmt nicht ihre Schuld, zumindest wäre es nicht absehbar... Außer vielleicht, sie geht unachtsam über die Straße oder so. Ist sie aber nicht, sie ist ja schon drüben. Passt man nicht auf sich auf, wenn man bestimmte Risiken eingeht? Pasta. Nudeln. Ich will Nudeln. Wo kam das jetzt her? Aus meinem Unterbewusstsein. Ist also meine innere Stimme nicht nur Übersetzung und auch nicht mein ganzes Denken, sondern nur ein Anschlusszug an das, was mein Hirn so unbemerkt produziert... ?
Ein heulender Typ. Ich soll ihn nicht beachten. Er hockt auf einem Mauervorsprung und bemerkt mich gar nicht, weil er sich die Hände mit den Fäusten zuhält. Warum tut man immer das Gegenteil von dem, was andere sagen? „Schau nicht hin!“, heißt doch eigentlich automatisch „Guck mal, aber unauffälig!“. „Beachte den Typ nicht!“ heißt bestimmt „Guck mal wie er heult! Das war ich!“. Oder schließe ich da von mir auf andere, speziell auf sie? Und wenn ja, kann ich das in dem Fall machen? Und wenn wieder ja, wie zur Hölle hat sie den armen Jungen so fertig gemacht? Er sieht nicht wirklich aus, wie ein Junge – eher wie ein junger Mann. „Armer Junge“ ist trotzdem ein guter Ausdruck. Wenn ich mal über diese Geschichte schreiben sollte, würde ich ihn benutzen. Gleichzeitig mitleidig und respektlos. Schön.
Wie auch immer – den Triumph gönn ich ihr nicht, ihn jetzt zu beachten, nachdem sie „Beachte ihn nicht!“ gesagt hat und damit das Gegenteil gemeint hat. Man muss der Profilierungsgier der Leute entgegenwirken. Und außerdem: Nudeln. Nicht mehr weit.
Ob man die innere Stimme, das Bewusstsein, also das mal gleichgesetzt, ob man die wohl bewusst abschalten kann? Das Problem ist ja, dass es immer da ist, wenn man drauf achtet. So wie gerade. So wie eigentlich die kompletten vergangenen fünf Minuten, seit ich aufgestanden bin. Wie kann man was ausschalten, das man nur ausschalten kann, indem man nicht darauf achtet?
Ein kleines rotes Lämpchen im Zimmer, dass immer dann aus ist, wenn man es nicht anschaut. Vielleicht mit Infraroterkennung für meine Augen oder Kopfhaltung. Man kann es nicht mal testen. Man kann nichtmal testen, ob es funktioniert.
Der gewalttätige Nachbar würde es bestimmt zerhauen. Mit seinen Baseballschlägern. Und dann würde er darauf Haustierragout zubereiten. Das heißt - wenn man vom Symbol wieder auf die Realität kommt - er würde seinen eigenen Kopf zertrümmern und dann daraus speisen. Widerwärtig. Ob alle Menschen so sind? So gewalttätig und so hirnlos. Also vielleicht sogar absichtlich hirnlos. Halten wir uns selbst klein?
Der Winzige Chinese, oder Asiate halt, der die italienischen Nudeln verkauft, hat sich bestimmt nicht selbst klein gehalten. Es waren seine Gene.
„Hi!“. Er lächelt mit den letzten 3 Millimetern seiner Mundwinkel.
„Hallo!“, sagen seine Gene.
Wenn Gene sprechen könnten...
„Ähm... die überbackenen Maccharoni. Bitte.“. Er nickt kurz, währenddessen lächelt er für einen Moment stärker. Seine Mundwinkel sind auf einer bestimmten Höhe in der Luft befestigt, das macht sein Unterbewusstsein, um seine Gene im Zaum zu halten und damit sich seine innere Stimme nicht damit beschäftigen muss. Wenn er seinen Kopf nach unten bewegt, grinst er. Um traurig zu sein, müsste er sich auf einen Hocker stellen. Der Abstand zwischen Mundwinkel und Boden als Konstante in seinem Leben. Das ist traurig. Vielleicht sollte ich mal mehr mit ihm reden.
Die Mikrowelle zählt von 30 runter. 29. 28. 27. Wie wohl meine Konstanten so aussehen? Hab ich Konstanten? Wahrscheinlich herrscht in mir auch der Kampf zwischen Unterbewusstsein und Erbgut. Die innere Stimme ist bloß der Preisrichter.
5. 4. 3. 2. 1. Bling!
„Danke!“. Geldbeutel raus. Hab nur ein 2€-Stück, die Nudeln kosten 1,50. Ich gebs ihm.
„Danke!“
„Stimmt so!“
„Danke!“, er beugt sich leicht nach vorne, um Lächeln zu können.
„Ciao!“
Geil. Ich hab eine Idee. Mit den Affen, das. Szene: Ein Verhaltensforscher im Dschungel macht Tests mit ... Schimpansen. Oder Gorillas. Besser Gorillas, falls es mal verfilmt wird. Er zeigt einer Gruppe von Affen ein Gewehr. Es sind... es müssten... vier Affen sein. Der Forscher zeigt, wie das Gewehr funktioniert. Er legt es an und erschießt dann gnadenlos einen Gorilla. Seine Artgenossen rühren sich nicht, sie sind schockiert oder ungerührt. Dann gibt der Forscher dem größten Gorilla seine Waffe. Hilft ihm dabei, es auf seine Schulter zu legen. Der Forscher hat ein ziemlich gutes Verhältnis zu den Affen. Auch zu Tieren allgemein - was erstaunlich ist, wenn man betrachtet, wie er mit ihnen umgeht. Deshalb kann er seine rechte Hand über die des bewaffneten Affen legen und dessen Finger in Richtung Abzug drücken. Er will ihm zeigen, wie man mit einem Gewehr umgeht und herausfinden, wie sich dadurch die Sozialstruktur der Tiere verändert. Nutzen sie die Macht, um sich gruppendynamisch zu stärken? Er lässt den Gorilla auf einen anderen Gorilla zielen und drückt dann gemeinsam mit ihm ab. Der Schädel des Opfers zerplatzt wie eine Wasserbombe, nur dass es eine Blutbombe ist – und natürlich stirbt es. Der Täter regt sich erst nicht, dann reißt er sich vom Forscher los. Er hat die Waffe noch in den Händen. Sein Blick ruht auf dem toten Weibchen und starrt dennoch ins Nichts. Er begreift langsam. Man kann nichts grillen. Dann fährt er herum – was bei Gorillas sehr eindrucksvoll aussieht - und mustert den Forscher. Menschenrechte für Tiere? Rachegefühle? Er hebt das Gewehr und richtet es auf den armen Jungen. Der hebt abwehrend die Hand, will ihn beruhigen und bemerkt, dass er einen Fehler gemacht hat. Dies ist allerdings auch das letzte, was er jemals feststellt, denn dann trifft ihn ein Schuss in den Oberkörper. Er geht zu Boden und stirbt. Es ging nicht um Menschenrechte, Macht oder Rache, sondern um Spaß – und weil unser Gorillaheld mehr davon will, erschießt er auch noch den letzten verbliebenen Artgenossen. Ob alle Menschen so sind wie dieser Affe? Ob mein Nachbar dieser Affe ist?
Und – verdammt. Mein Unterbewusstes hat das gemacht. Meine innere Stimme ist ausgestiegen, als ich die ersten Affengedanken hatte, aber der Zug ist trotzdem weitergefahren. Und irgendwann, als er voll genug war, wieder bei meinem Ich rausgekommen und hat mir eine komplette Filmszene abgeliefert. Ohne, dass ich es bemerkt habe. Das heißt, meine innere Stimme ist nur dazu da, um mich von dem abzulenken, was eigentlich in meinem Kopf passiert. Meine innere Stimme ist ein Zeichentrickfilm, der mir vorgespielt wird, während ich beim Zahnarzt bin. Erst, wenn der Zahn raus ist, geht er weg.
Der heulende Typ sitzt immer noch da. Eben habe ich über ihn nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich ihn ignorieren sollte. Während ich mich also mit ihm beschäftigt habe, habe ich mich nur damit beschäftigt, mich nicht mit ihm zu beschäftigen. Das ist weird. Maritta muss ihn abserviert haben. Maritta ist hot. Ich könnte ihn fragen – neein. Unsensibel, außerdem ist er ein Loser. Lieber nach Hause und essen. Maritta hat gesagt, ich solle ihn nicht beachten und damit gemeint, ich solle ihn beachten, weil es ihr Werk war. Wahrscheinlich war das von ihr auch keine Absicht – aber so wies aussieht, gibt’s ja eh keine Absicht und darum – wollte sie mir damit sagen, dass sie wieder zu haben ist. Und Maritta sieht nice aus und ist cool. Wenn sie mir sagen wollte, sie sei wieder zu haben und aber immer das Gegenteil von dem meint, was sie wirklich sagt, dann will sie mich vielleicht nicht dazu bringen, mit ihr anzubändeln, sondern von ihr weg zu bleiben. Außer das eine war bewusst und das andere unterbewusst. Und wie ist es bei mir? Das ist ein Monolog mit meiner inneren Stimme, also sollte ich das Ergebnis nicht überschätzen, weil es ja eigentlich keine Bedeutung hat. Weil mein Unterbewusstsein gerade mit meinen Genen um Konstanten kämpft und mich nur ablenkt. Ach. Krass. Maritta kommt gerade wieder aus der Bank.
„Hey!“
„Ah... hey! Na, warst du essen?“ Da kommt das Muttermal wieder. Hihi. Zwinker! Cute.
„Noch nicht!“, ich hebe die Aluschale mit den Nudeln hoch. Warum habe ich eigentlich nicht bei dem Fast-Food-Ding gegessen? Ich hab wirklich Hunger. Und was entscheidet mein Unterbewusstsein bezüglich Maritta.
„Ah!“
„Wo musst du lang?“ - Entscheidung: Vorsichtiges herantasten.
„Da!“
Ich auch. „Ich auch! Sollen wir zusammen gehen?“
Klar.
„Klar!“
Jetzt bin ich dabei. Gehen wir los. Ganz schön lange Stille für ein Anbändeln. Ob sie wohl an Gott glaubt? Ob sie wohl an die Gewalt im Menschen glaubt? Vielleicht ist sie ja auch echt dumm und blöd und unwitzig und hat trotzdem eine schreckliche Lache. Wahrscheinlich streitet sich mein Unterbewusstsein gerade darüber mit meinen Genen. Sexualtrieb oder Schutzmechanismen. Das ist es. Das ganze Nachgedenke ist nur Ablenkung dafür. Wie ich meine Paarungs- und Partnerschaftskonstante festlege. Wie offensiv oder ob überhaupt ich dahingehend vorgehe. Und nicht nur allgemein, sondern auch ganz konkret auf diese Situation bezogen. Ich habe es erkannt. Und mir ganz egal, ob mein Ubewu – hehe: Ubewu - da mitgeholfen hat, oder nicht, ich kann jetzt bewusst die Entscheidung treffen, was ich tun will, da ich meinen inneren Konflikt kenne. Endlich ist alles klar.
„Du, ich muss jetzt gehn!“ Hö? Wir sind ja schon bei mir zu Hause...
„Hier? Ich wohne hier, was machst du denn hier?“ Ich sollte mal Alternativen für das Wort „hier“ finden. Und eine Entscheidung treffen. Ja, ich tus:
„Willst du noch kurz mit hoch zu mir kommen?“
„Nee, tschuldige! Aber mein Freund wohnt hier und wir planen gerade ne Demo...“ Verdammter Kopf! Verdammter Kopf!
„Ach so. Ähm. Jahaa. Dann viel Spaß dabei.“ Verdammter Kopf! Verdammter Kopf!
Sie klingelt beim Baseballschlägernachbarn. Nein, nein, nein... Nicht der Schlächter!
„Also ciao dann.“, sie zwinkert mir sarkastisch zu. „Immer schön an den Regenwald denken!“, hätte sie noch sagen können. Krwzlsgn.
Maccharoni hab ich noch in der Hand. Treppe hoch. Stufe. Stufe. Stufe. Stufe. Stufe. Stufe. Wenn das alles keinen Sinn gemacht hat, was hat mein Bewusstsein dann sonst vorbereitet? Stufe. Stufe. Stufe. Stufe. Tür auf. Guten Appetit.
Wow, ich konzentrier mich nur aufs Essen.