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- 16.05.2005
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Ever
Die Musik aus den Kopfhörer schließt die Außenwelt aus, scheint meine Seele von meinem Körper zu trennen, ich bewege mich nur noch automatisch vorwärts, immer weiter, ohne konkretes Ziel. Ich verstecke mich hinter einem Vorhang aus Tönen, die sich durch meine Ohren hindurch bis direkt ins Herz hineinzufräsen zu scheinen und dabei mein ganzes Wesen einnehmen, die die Farben der Bilder darstellen, welche mir meine Erinnerungen malen. Den Erinnerungen, die das Einzige sind, was ich noch bewußt wahrnehme. Denn ich bemerke nicht, wie meine Schuhe über den rauen Asphalt schaben und wie ich kurz taumle, wenn ich durch ein Schlagloch aus meinem Gehrhythmus gebracht werde, ich höre auch nicht die Menschen, die mich freudig grüßen, als ich ihren Weg kreuze, während ich ihnen nur ein Lächeln zuwerfen kann, von welchem ich im Grunde meines Herzens weiß, dass es nicht echt ist, nur eine Lüge mir und ihnen gegenüber ist. Ich kann nicht aus der lauen Abendluft den Geruch des Sommers herausfiltern, nein, alle Eindrücke lassen mich gleichgültig, erreichen mich nicht einmal wirklich, so auch die gerade aufgekommene Brise, die mich lediglich frösteln lässt. Es sind nur Fremde, die ich nie wirklich kennenlernen werde und die nie auch nur ansatzweise erahnen könnten, wer ich wirklich bin, es sind nur wenige von Millionen Schlaglöchern, die ich in meinem Leben achtlos überqueren werde.
Doch meine ich trotz allem die spitzen Kieselsteine des Weges an meinen Füßen zu spüren, jenes Weges, auf dem ich als Kind Fahrradfahren lernte und auf dem ich immer barfuß entlanglief, wenn ich vom Haus zum Garten wollte, und ich erinnere mich an den Anblick des halbvermoderten Holzschaukelgerüstes in eben diesem Garten, auf dem ich als Indianer verkleidet herumturnte und an den Geruch von Tannen, der sich in meine Kleider einnistete, als ich auf dem höchsten der Holzbalken Abend für Abend meinen Triumph über diese kleine Welt hinausheulte.
Der Song endet und ich bleibe stehen, drehe mich kurz um, um zurückzuschauen auf den Weg, den ich bis jetzt gegangen bin, sehe, von wo ich gekommen bin und als ich mich wieder umdrehe, sehe ich den Weg, der noch vor mir liegt. Ein neues Lied fängt an, ich setze meinen Gang fort. Und ich muss lächeln bei all den Gedanken an damals, so lächeln, wie ich es vielleicht bald tun werde, wenn ich mich an die Phase meines Lebens erinnern werde, die im Moment mein Jetzt ist, ich lächle, wie ich vielleicht bald den Menschen zulächeln kann, wenn wir uns treffen, denn auch wenn ich es jetzt noch nicht wahrhaben will, so wird es eines Tages doch geschehen.
Und solange gehe ich.