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Fahr´ ´mal nach Lüneburg...

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19.06.2002
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Fahr´ ´mal nach Lüneburg...

Weiße Schäfchenwolken schwebten am blauen Himmel. In der Mittagshitze flimmerte es über die weite blauschimmernde Heide. Die Luft waren von einem unablässigen Summen der Immen erfüllt, die von Blüte zu Blüte schwärmten und den begehrten Heidehonig einsammelten.
Es hatte schon seit langem nicht mehr geregnet, so dass die beiden einsamen Wanderer schon von weitem durch die Staubwolke auf dem sandigen Weg einander gewahr wurden.
Frerk hatte sein Habe in ein blaukariertes Tuch zu einem Bündel geschnürt und an einem Birkenstock befestigt, den er über die Schulter trug.
„Jan“, murmelte er vor sich hin, als er die sich nähernde Gestalt erkannte, die ein Pferd am Zügel mit sich führte.
„Hallo Frerk“, wurde er begrüßt.
Der Angesprochene erwiderte den Gruß.
Die Männer waren nicht nur etwas gleich alt, sondern auch von ähnlicher Statur. Groß, kräftig, man sah ihnen an, dass sie etwas vom Zupacken verstanden. Nicht nur an ihren sonnengebräunten Gesichtern, auch an der derben Kleidung war unschwer zu erkennen, dass beide als Knechte auf einem der großen Heidehöfe ihren Lebensunterhalt fristeten.
„Wohin des Weges, Jan?“
Der wies auf das Pferd, einen kräftigen gedrungenen Kaltblüter, der von der Arbeit auf den sandigen Heideböden gezeichnet war.
„Mein Herr hat mich mit der Lise zum Schmied nach Undeloh geschickt. Die Hufen sollen neu beschlagen werden. Und wo führt es Dich hin?“
Statt zu antworten ließ sich Frerk auf einem der Findlinge nieder, die den Weg durch die Heide säumten.
Er öffnete den Lederbeutel, den er am Hosengurt trug, stopfte den Tabak in eine Pfeife und bot Jan ebenfalls etwas an.
Dieser nahm neben ihm Platz.
Es bot sich fast ein Bild des Friedens, als die beiden Männern schweigend auf dem Stein saßen und ihren Blick über die Heide schweifen ließen.
Beide waren Heidjer, deshalb erkannte Jan auch keine Notwendigkeit, trotz der langen Zeit der Stille, seine Frage zu wiederholen. Sie wussten, dass der liebe Gott die Zeit, aber nicht die Uhr erfunden hatte.
Frerk sog noch einmal behaglich an seiner Pfeife.
„Ich bin weg von mein Herrn“, erklärte er dann.
Wieder folgte eine längere Pause.
„So! So!“.
Pause.
„Wo das denn?“ hakte Jan nach eine Weile nach.
(Wieso das denn?).
Der andere Mann sah versonnen über die Heidefläche, nahm den Wacholder auf, der als grüne Inseln die weite Ebene durchsetzte und die Birken, die sich überall dort, wo die Heidschnucken nicht zum Weiden hingetrieben wurden, auf dem sandigen Boden festsetzen konnten.
„Weißt Du...“ begann Frerk gedehnt zu erklären, „vor´n halben Jahr ist bei uns auf´n Hof der alte Heidschnuckenbock tot geblieben. Kennst den noch?“
Jan nickte bedächtig.
Er konnte sich gut an das große kräftige Tier erinnern, das mit seinen gedrehten Hörnern der uneingeschränkte Chef der Herde war. Selbst die Hunde hatten Respekt vor ihm.
„Na ja... Auch so´n Bock is´ ´mal hinüber, nä? Und dann hat mein Herr zu mir gesagt, Frerk hat er gesagt, spann´an und fahr´ ´mal nach Lüneburg und hol´ ´nen Sack Salz.“
Der zweite Mann auf dem Stein bewegte erneut seinen Kopf um zu bestätigen, dass er den Erklärungen seines Freundes folgen konnte.
„... und so hab´n wir drei Monate lang auf´n Hof nur Heidschnuckenfleisch gegessen.“
Jan verzog mitfühlend das Gesicht, bevor sie weiter schweigend rauchten.
„Kaum war der Bock auf, ist uns die große Sau tot geblieben, die du sicher auch kennst.“
Jeder im Dorf kannte das kräftige Mutterschwein, dass sich einige Jahre im Mudd neben dem Kräutergarten gesuhlt hatte.
Diesmal zog Jan zur Bestätigung nur ein wenig die Mundwinkel in die Höhe.
Weiße Ringe stiegen über den Pfeifenköpfen in die Mittagsglut.
„Tjä... Und da sagt der Bauer zu mir, Frerk sagt er, spann´ an und fahr´ ´mal nach Lüneburg und hol´ ´nen Sack Salz.“
Sie klopften ihre Pfeifen am Findling aus und stopften sie erneut. Es dauerte eine Weile, bis sich die Glut zu ihrer beider Zufriedenheit entwickelt hatte.
Schließlich fand Frerk auch Zeit, seinen Bericht fort zu setzen.
„...und so hab´n wir drei Monate lang auf dem Hof nur Schweinefleisch gegessen.“
Jan empfand aufrichtiges Mitgefühl mit seinem Freund.
Beinahe heftig nickte er zu dessen Erklärung. Dann inhalierte er mehrfach an seiner Pfeife um schließlich seine Gefühlsregung zu offenbaren.
„Schlimm! Schlimm!“ ließ er hören, um nach zwei weiteren Rauchschwaden ergänzend zu hinterfragen. „Und warum hast Du nun Deine Stellung auf dem Hof aufgegeben und gehst auf Wanderschaft?“
Dabei sah er auf das im Heidesand liegende Bündel und den Wanderstab.
Frerk zuckte resignierend mit den Schultern.
„Eigentlich hab´ ich das ja nicht schlecht gehabt bei meinem Herrn, aber... weißt du... gestern ist die Oma tot geblieben...“

 

Servus Hannes!

Eigentlich ist es ein deftig bäuerlicher Witz den du uns da erzählst. Es ist nicht der Stoff den ich mir als Buch zulegen würde, aber dennoch ...

Ich fand, vor allem anfangs, einen Zugang auch zu so einer Geschichte. Zum einen durch deine Art sie zu erzählen und weil sie mich sehr an Bilder vom Maler Lienz erinnert, die kräftigen Männer, das gedrungene Pferd usw. Wenn man sie aus diesem Blickwinkel und der dazupassenden Zeit betrachtet ist sie gut gemacht.

Lieben Gruß - schnee.eule

 

Ja, wie die Geschichte vom Hasen und Bären, die ich eben las, auch dieses ein breitgewalzter Witz. Aber lesenswert.

("ist uns die große Sau to geblieben" - da fehlt ein "t")

Gruß
Bobo

 

Hallo Schnee.eule,
hallo Bobo,

vielen Dank für Eure Anmerkungen. Ihr habt es richtig erkannt, dass in dieser Geschichte nicht die Pointe, sondern der Weg dorthin mein eigentliches Anliegen war. Darüber hinaus reiht sich diese Story in einen lockeren Verbund weiterer kleiner "Geschichtchen" aus der Region "nördlich des Germanen-Äquators" ein. Ich gestehe außerdem, dass mich die (sprachliche) "Zeitverschiebung" auch ein wenig "gekitzelt" hat.

Aber, Du hast natürlich Recht, Bobo, auch dort schreibt man "tot" mit einem zweiten "t" am Ende. Danke für den Hinweis.

Mit einem fröhlichen Gruß aus Münster
Hannes

 

Lieber Hannes,

zu dieser Geschichte wollte ich schon länger mal, nämlich damals, als ich sie gleich nach ihrem Erscheinen las, etwas schreiben.
An deinem mittlerweile wirklich typischen Hannes Nygaard Stil hab ich nix auszusetzen. Das wird bald langweilig mit dir, nix rummeckern zu können.
Aber vollendetes Lob vermag ich dir auch nicht auszusprechen.
Zwar hast du den Plot formvollendet in die rechte Zeit gesetzt und mit erquicklichen Worten erfüllt, jedoch mir gefällt einfach nicht, dass du deine Autorenkräfte an solche Plots verschwendest.
Im Grunde genommen hast du einen Witz ausführlich und auf hohem Niveau erzählt, aber eben nicht mehr und nicht weniger und mir wäre halt mehr lieber.

Nun ist mir ja nicht unbekannt, dass du auch an anderen Werken zugange bist, von daher wäre es ein wenig einseitig, wollte ich dich bitten, nun endlich mal an eigenerdachte Plots heranzurobben und diese genüßlichen Wortes umzusetzen, jedoch verkneifen kann ich es mir doch nicht.;)

Liebsten Gruss
elvira

 

Liebe Elvira,

du hast Recht. Der Plot in dieser Story ist nicht von mir. Wie ich früher schon einmal angemerkt habe, kam es mir in dieser Geschichte mehr auf den Weg zum Ziel an als auf den eigentlichen Schlußpunkt an.

Das gilt aber nicht für die Geschichten, in denen der Plot meiner Phantasie entsprungen ist.

Da ich noch ein paar weitere Geschichten bereits fertig habe, möchte ich diese im Laufe der nächsten Monate an dieser Stelle veröffentlichen. Dann werde ich mich von der Rolle des "Heimatdichters" verabschieden und neue Ideen verfolgen, die auch schon in der Kreativecke meiner Festplatte Platz gefunden haben.

Dir danke ich für deine kleinen Stiche, mit denen du jene Gehirnwindungen inspirieren möchtest, denen Ideen zu weitergefassten Themen entspringen könnten.

Liebe Grüße an Hommonias Tochter
Hannes

 

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