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Fallen lassen
Leerer Blick, stummer Schrei, taube Ohren. Nicht sehen, nicht sprechen, nicht hören. Dein gebannter Blick gilt dem tiefschwarzen Meer unter dir. Niemand ist da. Keiner, der deine Tränen sieht, keiner der dein einsames Weinen hört. Um dich herum befindet sich nur diese bedrückende Stille, die versucht dich in ihre Dunkelheit zu reißen. Und da ist diese markerschütternde Melodie, die dir sagt: Tu es!
Dein ganzer Körper zittert und du wiegst dich langsam hin und her. Dir wird klar, dass du nichts hast, dass du nichts bist. Nicht ohne ihn. Er hat dich verlassen. Er ist fortgegangen, ohne dich.
Du erinnerst dich an seinen Geruch nach frischen Plätzchen, die er in der Bäckerei seines Vaters backte. Sein Lachen hat dich schon immer verzaubert, wenn du dir mit ihm einen dieser Cartoons angesehen hast und er sanft deinen Arm streichelte.
Auf einmal kochen Wut und Zorn in dir hoch, und du würdest am liebsten die ganze Welt zertrümmern. Denn das hier ist leider kein Cartoon. Er ist fort und du wirst ihn nicht mehr lachen sehen. Immerhin wird man nicht einfach so von einem Auto überfahren und kehrt dann wie im Fernsehen aus dem Nichts als glücklicher Roadrunner wieder. Du bist wie gelähmt, unfähig dich zu bewegen. Trauer und Einsamkeit durchdringen die große Leere in deinem Herzen.
Dein gellender Schrei durchbricht die Stille der Nacht und scheucht die Krähen auf. Du erschrickst kurz, doch atmest dann wieder durch. Wäre damals nicht dieser Unfall gewesen, stündest du jetzt nicht hier am Abgrund deines Lebens.
Ein kurzer Blick in das Meer und du überlegst dir noch mal alles genau. Wird dich jemand vermissen? Merken sie, dass du nicht mehr da bist, oder bist du nur eine von vielen, die ihrem trostlosen Leben ein Ende gesetzt hat? Du weißt es nicht. Und jetzt ist es zu spät für Antworten. Du siehst nach unten und schließt die Augen.
Nun bemerkst du, dass Tränen dein Gesicht entlang rinnen. Doch du weißt, dass du keine Angst haben musst, denn unten wartet er auf dich. Gleich lässt du dich von den Flügeln der Trauer zu ihm tragen und schließt ihn für immer in deine Arme.
Noch einmal kurz durchatmen, ein letzter Blick, alles vergessen...und du fällst.