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Farbenlehre

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25.10.2004
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Farbenlehre

„Es ist Frühling...“
„Hmm.“
„...die Sonne scheint und wir haben frei.“
„Ja. Der erste freie Tag seit 14 Tagen.“
„Bei mir ist es der erste seit 10 Tagen, glaube ich. Nein, stimmt nicht. Ich hatte noch einen Tag als Springer, letzte Woche. Das war wie ein freier Tag, aber die Sonne schien nicht.“
„Hm.“
„Aber wir haben keine Girls.“
„Da vorn laufen sie. Sprich sie doch an!“
„Ich weiß nicht. Was soll ich denn sagen?“
„Was nettes...“
„Soll ich sie fragen, ob sie zu uns rüberkommen wollen?“
„Nein. Du musst sie erst in ein Gespräch verwickeln.“
„Was für ein Gespräch?“
„Na, wie sie heißen und wie es Ihnen geht vielleicht.“
„Ich weiß nicht.“
„Angsthase! Wenn du es nicht machst, mach ich es eben.“
„Ich bin kein Angsthase. Aber was, wenn... na, wenn sie nicht mit mir sprechen wollen. Das wär mir peinlich.“
„Ach, weißt du was? Du bleibst hier und ich spreche die Beiden an.“
„Wenn du meinst...“
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„Dumdidum didum.“
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„Und wie war es?“
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„Warum sind sie nicht mitgekommen? Warst du nicht nett?“
„Ich war NETT.“
„Erzähl doch mal!“
„Es gibt nicht viel zu erzählen. Sie wollten nicht und fertig.“
„Aber was hast du gesagt! Wie hast du es angestellt.“
„Ich hab sie gefragt, ob sie herkommen möchten.“
„Und?“
„Nichts und. Die waren blöd.“
„Ach so.“
„Die Nächsten sprichst du an.“
„Ich?“
„Jep.“
„Hm.“
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„Die sieht nett aus.“
„Ihre Freundin auch. Los geh hin. Beeil dich sonst sind sie weg!“
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„Das hat aber gedauert.“
„Ja. Aber mitkommen wollten die auch nicht.“
„Hm.“
„Ich war sehr nett. Ich habe mich vorgestellt und habe nach ihren Namen gefragt. Nadine und Anne hießen sie.“
„Ja, ja, den Rest kann ich mir denken. Schon gut.“
„Du weißt, warum sie nicht mitkommen wollten?“
„Ja. Weil wir blau sind.“
„Wie meinst du das?“
„Na, wir sind blau und sie sind gelb. Ist doch klar, dass sie uns nicht wollen. Die Gelben arbeiten alle in Büros und verdienen viel Geld und wir...“
„...arbeiten in einer Spülküche und sind blau.“
„Genau. Das passt einfach nicht. Stell dir mal vor, wir hätten mit denen Kinder. Die wären dann grün und würden vielleicht gar keine Arbeit finden.“
„Und das wollen die gelben Frauen nicht?“
„Genau.“
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„Aber die grünen Kinder könnten arbeiten. Sehr gute Arbeit sogar.“
„Ach ja? Als was denn?“
„Sieh doch mal.“
„Was soll ich da sehen? Das ist ein ganz normaler Strauch. Davon gibt es viele.“
„Du kommst nicht drauf? Na gut, ich verrate es dir: Forscher! Sie wären tolle Forscher. Kein Tier würde sie entdecken, weil sie genauso grün sind, wie die Sträucher. Sie könnten tolle Berichte machen über Tiere, die wir noch nicht kennen, weil sie uns immer an der blauen Hautfarbe erkannt haben.“
„Und warum sind wir dann kein Meeresbiologen?“
„Hm...Ich weiß nicht. Weil das Meer nicht wirklich blau ist sondern durchsichtig?“
„Ja, kann sein. Und weil uns die Ausbildung fehlt.“
„Stimmt.“
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„Dann können Rote auch nicht mit den Gelben eine Familie gründen.“
„Nein, die wären dann orange. Außerdem gibt es Rote hier nur selten. Die leben auf einem anderen Kontinent.“
„Woher weißt du das alles.“
„Ich bin viel gereist. Fünf Jahre lang war ich nur unterwegs.“
„Ich möchte auch mal reisen.“
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„Sag mal, meinst du die Roten würden sich für uns interessieren.“
„Haha...“
„Warum lachst du?“
„Hahaha...li hihihi lihi...“
„Lila? Haha, unsere Kinder wären Lila.“
„Genau, hahaha... stell dir das mal vor!!! Hihi..“
„Aber mit einer lila Hautfarbe kriegt man keine Arbeit mehr.“
„Was ist auf einmal los mit dir?“
„....“
„Bist du traurig?“
„Ich hätte nichts gegen grüne und orange und lila Kinder. Ich meine, ich kann doch nicht nur darauf achten, was für Farben rauskommen und ob die Kinder damit Arbeit finden. Ich möchte doch einfach nur eine Frau lieben und von mir aus auch bunte Kinder bekommen.“
„He!He! Bleib mal locker, ja? So ist es nun mal. Du wirst dir eine blaue Frau suchen und glücklich werden. Okay?“
„...“
„Sieh mal! Da vorn läuft eine hübsche Blaue und eine Freundin hat sie auch. Ich bin gleich wieder hier. Inzwischen sorgst du dafür, dass man dir deine Heulerei nicht mehr ansieht.“
„Ich habe nicht geheult..:“
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„Und! Was haben sie gesagt? Warum laufen sie jetzt in die andere Richtung?“
„Ich weiß nicht! Die wollten nicht, müssen noch einkaufen, oder so.“
„Heute ist Sonntag, da haben die Geschäfte zu.“
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„Weißt du ich versteh das nicht. Unsere Hemden sind gebügelt und wir duften gut. Wir sind doch gute Männer! Warum kommt niemand zu unserer Gesellschaft?“
„Ich glaube, die wollten auch lieber gelbe Männer, die in Büros arbeiten und viel Geld verdienen.“
„Dann müssen wir auch viel Geld verdienen.“
„Das geht nicht. Wir haben keine Ausbildung.“
„Doch! Ich habe Medizin gelernt.“
„Wo das denn?“
„Bei meinem Onkel.“
„Die Gelben haben andere Medizin, da kannst du keine Medizin machen, wie dein Onkel.“
„Das ist gute Medizin, besser als die hier.“
„Ja, aber das kennen die hier nicht.“
„Ich möchte auch lieber Spüler sein. Das ist ein guter Job. Es ist so still und man kann träumen zum Rauschen der Spülmaschine....Sag mal, mag keine Frau einen Spüler?“
„Ich weiß nicht. Ich habe jedenfalls noch keine gefunden.“
„Keine einzige?“
„Keine!“
„Das ist schlimm.“
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„Dort! Schnell! Da hinter dem dicken Baum. Siehst du?“
„Eine Gruppe Roter!“
„Genau! Rote Frauen. Was die hier wohl machen?“
„Ich weiß nicht, meinst du wir sollten versuchen sie kennen zu lernen?“
„Ja, versuchen sollten wir’s.“

 

Welch eine Welt in der man den Status an der Hautfarbe erkennen kann.
Eigentlich etwas Deprimierend , wären da nicht die Protagonisten, die sich zwar Gedanken über die Mischung machen, doch nicht in Depressionen verfallen weil sie niemanden kennen lernen können der nicht ihrem Status entspricht.
Die Parallelen zum richtigen Leben sind unverkennbar und Real, auch wenn man es einem hier und Heute nicht so schnell ansehen kann woher er kommt.
Bezeichnend ist doch zumindest das eine Wirkliche Statusvermischung nicht wirklich stattfindet. Meiner Meinung nach ist eine Heirat zwischen verschiedenen Kulturen heute einfacher als zwischen den gesellschaftlichen Schichten, da hat auch das soziale Schulsystem der vergangenen Jahre nicht wirklich was verändern können. Denn leider ist Intelligenz nicht ursächlicher Weg zu Ansehen und gesellschaftlicher Akzeptanz.

 

Hallo Simone,

Der Schwachpunkt der KG dürfte wahrscheinlich der Einstieg sein. Auf mich jedenfalls wirkte er sehr harmlos, gewißermaßen verniedlichend und forderte mich wenig zum Weiterlesen auf.
Hingegen ist der Inhalt des Rests absolut lesenswert, und die erzielte Distanz zum Leser durch die putzige Beschreibung der Charakter (Ich hielt sie bis zum Ende für Stofftierchen) erscheint logisch, da sie den universellen Gedanken der Vermischung von Sozialkulturen noch absurder, um nicht zu sagen grotesker, erscheinen lässt.
Eine insgesamt überzeugende Kurzgeschichte im Dialog-Stil, die Lust auf mehr macht. Eventuell könntest du eine Fortsetzung zu anderen gesellschaftlichen Themen anfertigen, in der du ebenfalls diese auf charmante Art und Weise, mit viel Komik kritisch hinterfragst.

 

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