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Fenster
Er lies sich auf die Bank neben der Haltestelle fallen und blickte sich ausdruckslos um. Direkt gegenüber stand ein heruntergekommenes Gebäude, eines von denen, die nur noch als quadratische Litfaßsäule gebraucht wurden. Kein Putz mehr auf den Wänden stand das Haus vor ihm in der Kälte. Auf Höhe der ersten Etage stach eine Straßenlaterne aus seiner gekerbten Silhouette hervor und beschien die Straße sanft; streichelte den kalten Stein mit ihrem süßen Licht.
Sein Blick streifte die dunklen Fenster, die wie furchtbare Narben an dem Steinklotz klebten. Sie waren von einem morschen Holzrahmen ins Mauerwerk eingefasst, das blättrige Glas war bei einigen von ihnen löchrig. Er bemerkte, dass die Fenster sehr dunkel waren. Ja, Sie waren wirklich ziemlich schwarz. Schwarze, tote Fenster. Das höllischste Schwarz, dass er je gesehen hatte! Rabenschwarz! Und das bei der süßen Laterne nebenan!
Im Glas der Haltestellenüberdachung sah er das schwarze Haus wieder. Schon wollte er sich erneut abkehren, da bemerkte er etwas. Neben den unverschämten Fenstern und hinter der Laterne hingen nun Andere. Die waren auch schwarz. Nur 2 Fenster, die waren hell erleuchtet. Man konnte direkt in die warme Stube blicken.
Wieder sah er in das Glas. Da waren Sie wieder, und sie strahlten so schön! Jetzt begriff er.
Eine unbeschreibliche Trauer fuhr ihm durch die Knochen. Niemand kümmert sich noch um die schwarzen Stuben. Sie lassen sie stumm sterben; stumpf verwittern. Keiner putzt das Haus neu an. Niemand wechselt die morschen Rahmen aus. Keiner verkabelt die Räume hinter den Fenstern und hängt eine Lampe auf.
Der Wille verwelkt.
Schwarz wird es.
Um mich herum nur noch Blinde.
Bin ich ein Schatten?
Irgendwann wird auch die Laterne nicht mehr leuchten und es wird Niemanden kümmern. Weil nie jemand aus den schwarzen Fenstern das Licht auf der Straße gesehen hat. Die Laterne wird nur noch als rostiger Kadaver dahängen.
Als er Zuhause ankam, dachte er lange nach.
Diese Nacht war die erste, in der er ohne heruntergelassene Jalousie schlief.