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Fensterputzen

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15.03.2006
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Fensterputzen

Fensterputzen

Clara hat einen eingewachsenen Zehennagel.
Ihr Sohn hat Probleme mit der Prostata, und ihre Tochter bekommt bald das vierte Kind vom dritten Mann.
Jetzt war ich wieder über das Neuste aus Claras Leben informiert - und außer mir auch die gesamte Nachbarschaft. Ich war gerade beim Fensterputzen, als Clara - sie wohnte übrigens auf der anderen Straßenseite genau gegenüber meiner Wohnung - als Clara also ihr Fenster öffnete und zu mir herüberrief: „Hey, Andreas! Lange nicht gesehen, was!“
„Stimmt, ich hab dich auch lange nicht gesehen“, antwortete ich.
„Wie gehts dir?“ hallte es von der anderen Straßenseite herüber.
„Danke gut, und dir?“ - Ich hatte nicht vor, genauer ins Detail zu gehen; Clara dagegen schon.
Ihr „Mir geht’s 'Danke', man lebt und stirbt ja dann doch irgendwann“, war nämlich nur der Anfang ihres in aller Ausführlichkeit folgenden Tagesreports. Außer den schon erwähnten Neuigkeiten hatte sie noch einiges mehr von sich zu berichten. So erfuhren die Nachbarn und ich, dass sich Clara - sie ist übrigens Mitte sechzig, sieht aber mindestens fünfzehn Jahre älter aus - dass sich also Clara zurzeit kaum noch gegen die große Anzahl von Verehrern wehren kann. Diese hätten es aber - laut Clara - nur darauf abgesehen, sie sexuell auszunutzen. Aus diesem Grunde würde sie dann doch lieber alleine bleiben - schade, wo ich mir doch gerade angefangen hatte Hoffnungen zu machen.
Außerdem plagten Clara auch noch ihre schlecht angepasste Zahnprothese - ja, ja, die Gesundheitsreform ..., ihr Diabetes - war schon vom letzten Klönschnack bekannt, und seit einigen Tagen eine heftige Magen-Darm-Verstimmung - Danke lieber Gott, dass sie nicht näher ins Detail gehen wollte. Aus dem Tagesreport entwickelte sich langsam ein Jahresrückblick - wir hatten uns wirklich sehr lange nicht mehr gesehen.
Während Clara redete, hatte ich lediglich die Chance hin und wieder ein paar Höflichkeitslaute wie „Aha“, „Oh je“ oder „Ach wirklich?“ von mir zu geben. Ich war richtig stolz auf mich, als es mir einmal gelang ein „Das tut mir echt Leid!“ unterzubringen. - Allerdings musste ich es dreimal wiederholen, bis Clara mich endlich verstanden hatte. Fortan begnügte ich mich dann wieder mit besagten Höflichkeitslauten.
So plötzlich, wie sie das Gespräch begonnen hatte, beendete sie es auch.
„Na, dann mach mal gut Platz für neuen Dreck!“, rief sie mir noch über die Straße zu, bevor sie ihr Fenster schloss.
Ich blieb zurück und begann über den Sinn und Unsinn des Fensterputzens im Speziellen und dem des Saubermachens im Allgemeinen nachzudenken.
„Platz für neuen Dreck schaffen“, hatte Clara gesagt. Aus diesen wenigen Worten entstand für mich eine wirkliche Prüfung - hatte ich mich doch wie immer nur mühsam zu meiner heutigen Fensterputzaktion aufraffen können. Sollte das ganze Putzen also von vornherein sinnlos sein? Ist ein Leben ohne Putzen möglich? Wie könnte das aussehen? Warum mache ich das Ganze überhaupt? - Vielleicht, damit Mutti stolz auf mich sein kann, wenn sie mich besuchen kommt - „Guck mal Mutti! Ich habe alle Fenster ganz alleine geputzt, und Tante Clara hat mir dabei zugesehen...“ - Nein, Schluss jetzt mit diesen trüben Gedanken! „Ich mache sauber! - Ja, ich will!“
Ich putzte also mehr oder weniger munter weiter. Es war ein so schöner warmer Frühlingstag, den ich auf gar keinen Fall nur mit Hausarbeit verbringen wollte. Die Chancen dafür standen nicht schlecht. Es war Samstag, ich war vor elf Uhr aufgestanden und hatte gestern schon die Einkäufe fürs Wochenende erledigt. Außerdem wollte Gabi nachher vorbeikommen und mit mir Spazieren gehen - vorausgesetzt, dass ich bis dahin die Spuren lustvollen Herumschlampens beseitigt hätte. Ich hasse es, auf diese Art und Weise erpresst zu werden.
Unter mir tauchte der Dumm-Schnacker vom Nebenhaus auf. Er kam vom Einkauf und legte wie üblich vor unserem Hauseingang erst einmal seine obligatorische Pause ein. Diesmal holte er sich allerdings nicht wie sonst seine Dose Bier aus der Einkaufstüte hervor, sondern starrte zu mir in den ersten Stock herauf.
„Pass bloß auf, dass du nicht abstürzt!“, rief er mir mit heiserer Stimme zu. „Die meisten Unfälle passieren nämlich beim Fensterputzen!“
Na danke, gerade hatte ich mich zum Weitermachen motivieren können, da wurde ich erneut mit der Sinnlosigkeit meines Tuns konfrontiert. Wenn ich es schon dämlich finde, dass manche Menschen bereit sind, für ihre eigene Schönheit zu leiden, wie extrem dämlich wäre es dann, für eine schöne Wohnung zu sterben? Meine Gedanken wurden deutlich existenzieller. Dennoch gelang es mir, mutig weiterzuputzen.
„Wenn du nicht mehr weißt, ob es Tag oder Nacht ist, dann wird es Zeit zum Fensterputzen“, tönte es nun wieder von unten nach oben.
Gott sei Dank schien diesmal nicht das sonst übliche Angebot zu kommen, auch noch bei ihm die Fenster zu putzen, wenn ich bei mir fertig wäre. Den Spruch hätte ich jetzt nämlich überhaupt nicht gebrauchen können.
„Ich hatte in letzter Zeit ständig das Gefühl, wir hätten dichten Nebel, wenn ich aus dem Fenster geguckt habe“, rief ich ihm schnell zu. Gleichzeitig hoffte ich, dass er durch einen Spruch meinerseits auch gar nicht mehr auf die Idee kommen würde, mir diesen Standardspruch an den Kopf zu schmeißen.
„Als ich das letzte Mal Fenster geputzt habe, habe ich erst gesehen, dass auf der anderen Straßenseite Häuser sind!“, toppte er meinen Spruch, packte seine Einkaufstüte und machte sich dann bedächtig auf den Heimweg.
Ich putzte weiter. Das Wetter schien immer schöner und mein Handeln immer unsinniger zu werden. Böse, höchst chauvinistische Sprüche durchkreisten meinen Kopf. Nein, zumindest für diesen Teil der Hausarbeit bin ich nicht geboren worden. Doch jetzt musste ich da durch.
„Wenn du hier fertig bist, kannst du ja bei mir weitermachen“, erklang es plötzlich hinter mir.
Obwohl ich die ganze Zeit am Fenster zugange gewesen war, hatte ich Gabi nicht kommen sehen. Auch das Aufschließen der Tür hatte ich nicht bemerkt. Nun stand sie breit grinsend da und knallte mir diesen Spruch aller Sprüche um die Ohren. Ausgerechnet meine geliebte Gabi musste mir mitten in einer akuten Sinnkrise das antun.
Für einen Moment war ich nicht mehr Herr meiner Sinne. Ich reagierte motorisch. Der Lappen traf Gabi mitten im Gesicht. Es war ein nasser, dreckiger Lappen. Gabi war eine sehr attraktive, schöne Frau - und sie gehörte zu den Menschen, die dazu bereit sind, stundenlang für ihre Schönheit zu leiden. Mein Lappenwurf war ein Make-up ruinierender Volltreffer gewesen. Nun drohte mir doch noch ein Sturz aus dem Fenster - aber das ist eine andere Geschichte.

 

Hallo anbas!

Herzlich willkommen auf kg.de! :)

Eine nette kleine Geschichte über reizende Nachbarn :D, den Sinn des Fensterputzens und, nicht zu vergessen, die Leiden des fensterputzenden Protagonisten, hast Du hier zum Einstand abgeliefert. :)
Sie war recht unterhaltsam und flüssig zu lesen, so hab ich, zumindest um die Uhrzeit, nichts weiter auszusetzen, außer den paar Kleinigkeiten:


»Zehnagel«
– Zehennagel

»„Stimmt, ich hab’ dich auch lange nicht gesehen“
„Wie geht’s dir?“ hallte es von der anderen Straßenseite herüber.«
– die Apostrophe (hab, gehts) können weg
– dir?“, hallte

»ja, ja, die Gesundheitsreform....,«
– nur drei Punkte und eine Leertaste davor (außer die drei Punkte ersetzen einen Wortteil, was aber hier nicht der Fall ist)

»als es mir einmal gelang ein: „Das tut mir echt leid!“ unterzubringen«
– den Doppelpunkt weg, Leid groß

»„Na, dann mach' mal gut Platz für neuen Dreck!“ rief sie mir noch über die Straße zu bevor sie ihr Fenster schloss.«
– mach ohne Apostroph
– Dreck!“, rief … zu, bevor

»sondern starrte zu mir in den ersten Stock hinauf«
herauf

»„Pass bloß auf, dass du nicht abstürzt!“ rief er mir mit heiserer Stimme zu.«
– abstürzt!“, rief

»Gott sei Dank schien diesmal nicht, das sonst übliche Angebot«
– ohne Beistrich (= Komma): … nicht das …

»mir diesen Standartspruch an den Kopf zu schmeißen.«
– Standardspruch

»dass auf der anderen Straßenseite Häuser sind!“ toppte er meinen Spruch,«
– sind!“, toppte


Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Anbas,
von mir auch noch einmal ein Willkommen hier.

Erstmal Textkram:

Neben der Sache mit dem Zehnagel, den Prostata-Problemen und des erwarteten Nachwuchses gab es noch weitere Neuigkeiten. ...
Außer ihrem Zehnagel plagten Clara auch noch ihre schlecht angepasste Zahnprothese
Im Einstieg der Geschichte hatte das Aufzählen der Probleme Witz. Den machst du zunichte, wenn du es zu wiederholen versuchst ... Es hat keine Running-Gag-Qualitäten. Besser fänd ich :
Neben den schon aufgezählten Neuigkeiten gab es noch weitere ...
Außerdem plagten Clara auch noch ihre schlecht angepasste Zahnprothese

Mein Lappenwurf war ein Make-up ruinierender Volltreffer gewesen.
Schöner fänd ich: Mein Lappenwurf war ein Volltreffer gewesen: Make-up ade.

Und mit dem Fehler im Standardspruch bist du nicht allein. ;)

Vielleicht, damit Mutti stolz auf mich sein kann, wenn sie mich besuchen kommt - „Guck mal Mutti! Ich habe alle Fenster ganz alleine geputzt, und Tante Clara hat mir dabei zugesehen...“
Nett!

Eine kleine Alltagsgeschichte, wie sie einem in den Kopf kommen kann, während man so meditative Tätigkeiten wie Fensterputzen (ja, mein Jahr ist bald um - dann muss ich auch mal wieder ran ;) ) ausführt. Mit einer netten Schlusspointe.

Also, humorvolle Ansätze hast du ja schon. Insgesamt könntest du das ausarbeiten, indem du straffst und noch besser pointierst. Das gilt für den ganzen Text.

Gruß, Elisha

 

Hallo Ihr beiden!

Vielen Dank für die nette Begrüßung und die tollen Rückmeldungen :) !!!
Wie Ihr seht, habe ich das meiste gleich umgesetzt. Nur von dem "make-up ruinierenden Volltreffer" mochte ich mich nicht trennen.

Gruß Andreas

 

Hallo anbas,
hat mir auch sehr gut gefallen, deine Geschichte. Gut beobachtet.
Ich gehöre allerdings zu der Gattung Frauen, die Fensterputzen als einzige Hausarbeit gerne mag. Einfach deshalb, weil man innerhalb kurzer Zeit ein Ergebnis hat, das längere Zeit Freude bereitet. Schon, wenn man im Anschluss aus dem Fenster schaut und neue Dinge entdeckt, rechtfertigt ein Putzen. Das aber nur als unwesentliche Nebensache!
Ciao,
jurewa

 

Hallo burana53, hallo Jurewa,
danke für Eure Rückmeldungen, ich habe mich wirklich gefreut :) .

@ Burana53
"...Und wenn Du damit fertig bist ..." Merkwürdig, hab mir das schon mehrfach durchgelesen und komme irgendwie nicht dadrauf, wie der Satz weitergehen soll. Hier scheint es in meiner Phantasie massive Grenzen zu geben :lol: .

@ Jurewa
Es ist gut, dass es Menschen wie Dich gibt. Irgendwer muss ja für den klaren Durchblick sorgen :D . Außer Fensterputzen gäbe es da noch ein paar Dinge im Haushalt, die nicht so wirklich meine Sachen sind (z.B. bügeln und umtopfen). Vielleicht fallen mir ja dazu auch noch Geschichten ein.

Gruß an Euch beide
Andreas

 

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