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Flüchtig

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29.11.2005
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Flüchtig

Er verzieht sich hinter seinen Schreibtisch und fixiert die Geschäftspapiere, die sie ihm gebracht hat - in einer abgewetzten Mappe gewissenhaft vorbereitet. Mit kleinem, mutlosem Schriftzug hat sie vorab unterschrieben. Nun greift er beherzt zum Füller und ergießt sich hemmungslos daneben, dringt mit dem letzten verwegenen Schlenker seines Namenszuges tief ein in ihre geduckte Schrift. Als sich danach ihre Blicke streifen, begegnen sich Ahnungen im Nebel. Sie glüht, erfüllt von einem schamlosen Gefühl. Eine jener Fantasien, die wie ein Blitz in die eintönige Ordnung krachen, wenn man noch kurz danach meint, es wäre plötzlich heller als die Wirklichkeit gewesen.

Vielleicht spürt er ihren verborgenen Zauber, erscheint sie doch immer wie ein Geschenk, das vergessen wurde. Sie fühlt einen Hauch von Macht, weil er sie anders als sonst betrachtet und sie endlich den Mut findet, seinen Blick auszuhalten, ihn zu genießen, mit vollen Atemzügen und instinktiv. Schauen. Direkt. Abgründig. Von jetzt an wird sie nicht mehr so zaghaft unterschreiben, sondern wild und sinnlich!

Unbehaglich räuspert er sich. Erhebt sich, als würde er sonst ertrinken. „Ist das alles?“ Er hält ihr die Unterschriftenmappe mit angewinkeltem Arm hin, damit sie näher kommen muss, lockt sie, wie ein scheues Tier. Als sie die Hand ausstreckt, hält er ein wenig länger fest; eine aufregende Verbindung zweier unentschlossener Bewegungen. Sie greift nicht wirklich zu, er lässt nicht richtig los.

„Ich hätte da noch einige ungeklärte Fälle, über die ich mal mit Ihnen reden müsste“, sagt sie, dämpft ihre Stimme wie in einer Kirche. „Damit wollte ich Sie heute aber nicht mehr belästigen.“
Er blickt auf die Uhr. Es ist schon spät für einen Freitag, an dem alle längst fröhlich das Wochenende genießen. Sie sind wieder mal die letzten im Büro. Er ist präsent, sie aber versteckt sich nur.
„Lassen Sie uns das lieber Montag machen“, sagt er entschieden. „Irgendwann muss ja mal Schluss sein. Sie sollten jetzt nach Hause gehen.“
Sie wirkt ein wenig verunsichert und sein plötzliches Loslassen bringt sie vorübergehend aus dem Gleichgewicht. Aber im nächsten Augenblick hat sie sich schon wieder gefangen.
„Dann ist ja soweit alles klar“, sagt er.
„Ja“, entgegnet sie und huscht mit den Papieren aus seinem Büro. Die Post will sie noch schnell fertig machen, während ihr schüchterner Duft eine Weile bleiben wird; bis auch der sich dann irgendwann verflüchtigt hat.

 

Auch gedopt? Oder einfach nur schlecht drauf.

Witz geh weg, ich will mich hier nützlich machen!

Schlechte Wörter:
Geschäftspapiere (Verträge, Unterlagen, Papiere)
errötete (...)
verborgene Zauber (...)
Fantasie (Momente, Ideen, was weiß ich)
Frauen als Geschenke zum Auspacken (...)

Gute Wörter:
abgewetzt
klein und mutlos
krachen
räuspert
greift zu, läßt nicht los
belästigen
huscht

Aber du hast nicht wirklich dran gearbeitet. Ich hab die anderen Geschichten gelesen.
Also sag ich jetzt nicht, dass die Sätze zu einem Inhalt gestolpert sind, dem dass zu hastig war und der geflüchtet ist.

War mir trotzdem ein Vergnügen.
Herzlichen Gruß,
Simone.

 

Hallo Rick, du kannst wirklich gut schreiben, das muss der Neid dir lassen.
Aber das weisst du ja sicher schon. ;)

Dein Stil gefaellt mir gut, auch wenn ich "Schiffe im Nebel" leicht abgedroschen finde, Zuege und Schiffe, die sich kreuzen, im Nebel, in der Nacht etc, gibt's schon so oft und passt nicht recht zu den anderen originelleren Formulierungen.
Inhaltlich ist es halt mehr so eine Skizze, eben "fluechtig", aber doch nett.

gruss, sammamish

 

in einer abgewetzten Mappe gewissenhaft vorbereitet
das hört sich irgendwie sehr schön widersprüchlich an :)
und sie endlich den Mut findet, seinem Blick auszuhalten, ihn zu genießen
seinen
Von jetzt an wird sie nicht mehr so zaghaft unterschreiben sondern wild und sinnlich!
unterschreibenKOMMA
„Damit wollte ich sie heute aber nicht mehr belästigen.“
Sie
„Ja.“, entgegnet sie und huscht mit den Papieren aus seinem Büro.
Punkt nach Ja weg

Hallo Rick,

wäre diese Geschichte von jemand anderem geschrieben worden, hätte ich sie so wohl gar nicht kommentiert.
Ich meine ... was ist denn das?
Ich vermisse bei dieser Geschichte dein Sprachgenie und deine unübertroffenen Metaphern. Irgendwie vermisse ich bei dieser Geschichte einfach den Rick :)

Jedenfalls hab ich sie nicht verstanden. Wobei ich zugeben muss, dass ich da sehr davon beeinflusst bin, dass du sie geschrieben hast, und ich möglicherweise nur deshalb einen tieferen Sinn darin suche.

Bruder Tserk

 

Salü Rick,

also ehrlich, ich freu mich auf Montag. Bin gespannt wie es dann weiter geht. Eben, wegen dem:

„Ich hätte da noch einige ungeklärte Fälle, über die ich mal mit Ihnen reden müsste“, sagt sie,

Aber ich kanns mir ja denken und so flüchtig ist's auch gut.

Herzlich, Gisanne

 

Jedenfalls hab ich sie nicht verstanden. Wobei ich zugeben muss, dass ich da sehr davon beeinflusst bin, dass du sie geschrieben hast, und ich möglicherweise nur deshalb einen tieferen Sinn darin suche.
Vielleicht muss man schon einmal in einem Büro mit einem anderen Geschlecht gearbeitet und gelebt haben, um diesen Text zu verstehen, Tserk.

Und zu Rick:

Du tust mir langsam richtig Leid, wenn du eine neue Geschichte gepostet hast. Die Erwartungshaltung deiner Stammleser ist so immens, dass ein kleines Amuse-Gueule nicht mehr angenommen wird, weil jeder gleich ein Mehrgangmenue serviert bekommen möchte.

Ich vergleiche diese kleine KG nicht mit den anderen von dir. Ich sehe einfach nur ein Blitzlicht auf eine schon lange verquerte Beziehung zweier Arbeitskollegen. Typisch: Er Chef, sie Sekretärin oder Assistentin.
Für mich gut erzählt, da nachvollziehbar. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Liebe Grüße
bernadette

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Simone,

danke für deinen Kommentar. Doping würde ich zunächst einmal nicht gänzlich ausschließen, mein Anwalt hat mir aber geraten, darauf nicht allzu konkret zu antworten. *g*

Deine Auflistung der schlechten und guten Wörter fand ich interessant, sie gibt mir wertvolle Anhaltspunkte, mir zu dem einen oder anderen garstigen Wort noch einmal Gedanken zu machen.

Möglichweise wirkt die Geschichte wie ein Schnellschuss, ist es aber nicht. Wenn es trotzdem kein "Unvergnügen" bereitete, bin ich schon erleichtert.

Hallo sammamish,

du hast dir gleich zielsicher jene Formulierung herausgesucht, die mir am meisten Kopfzerbrechen machte, ein der wenigen Metaphern und dann auch die "Schiffe im Nebel", dieses alte Metaphernwrack. Ich habe mir gedacht, dass dies in der Regel für Menschen oder deren schicksalhafte Begegnung verwendet wird und dachte, es mit "Ahnungen" zu koppeln wäre vielleicht doch noch okay. Vielleicht fällt mir da noch etwas Originelleres ein! Ein Text wird ja eh niemals fertig.

Danke jedenfalls für die lobenden Worte.

Hallo Tserk,

vielen Dank für deinen Kommentar und die Auflistung der Fehler, die ich natürlich umgehend korrigieren werde.

Ich finde es nachvollziehbar, dass du mit diesem Text nicht allzu viel anzufangen weißt, er ist eine Momentaufnahme aus der Bürowelt und bietet darüber hinaus eher wenig Erkenntisse. Und es sollte auch eine erotische Momentaufnahme sein - eigentlich liegt leas Interpretation sehr dicht an meiner Intention. Nach der Story "Sex im Büro", die ja stellenweise eher plakativ war, fühlte ich mich irgendwie motiviert und schuldig, noch eine andere form der Betrachtung eines Büroalltags zu finden, schlichter, ruhiger und zurückgenommen. Leise, gewissermaßen.

Besonders dankbar bin ich dir auf jeden Fall für deine Rückmeldung, auch wenn dich dieser Text überhaupt nicht angesprochen hat. Das ist für mich nämlich auch wichtig zu wissen.

Hallo Gisanne,

der Montag, dieser Januar der Woche, ist trist und grau und der Freitag ist dann schon lange vergangen. Die ungeklärten Fälle werden eigentlich nie gänzlich geklärt. Das ist das, was du dir wahrscheinlich schon gedacht hast. Danke für deine Meinung zum Text.

Hallo lea victoria,

ich schrieb es schon an Tserk, du bist dicht dran. Ich entnehme deiner Interpretation, dass der kurze Text im Wesentlichen so ankommen kann, wie ich es gemeint habe und danke dir für diese Interpretation meiner Worte. Auf ein metaphorisches Feuerwerk habe ich bewusst verzichtet, obwohl es mir schon in den Fingern juckte. Das mit der Unterschrift war eigentlich der Auslöser, der erste Gedanke für die Geschichte, um den herum der Rest entstand. Die erotische Begegnung zweier Unterschriften auf einem Arbeitspapier.

Hallo bernadette,

vielen Dank für deinen Kommentar.

Zitat: Vielleicht muss man schon einmal in einem Büro mit einem anderen Geschlecht gearbeitet und gelebt haben, um diesen Text zu verstehen

Davon bin ich überzeugt!

Ich weiß ja nie so genau, welche Erwartungshaltung meinen KG entgegengebracht wird und bin da (noch) gänzlich unbefangen. Die KG ist sicherlich anders als die meisten meiner anderen Texte, schon allein deshalb, weil ich mir für diese kurze Momentaufnahme Metaphern weitgehend verboten habe. Ich wollte die Szene möglichst einfach und eher sachlich beschreiben und trotz dem Einiges zwischen den Zeilen unterbringen.

Zitat: Für mich gut erzählt, da nachvollziehbar. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Vielen Dank!

Grüße von Rick

 

Lieber Rick,

Wenn du nicht zu wenig dran gearbeitet hast, dann vielleicht zuviel. Das geht auch.
Zu diesen Wörterlisten. Ich habe sie so lapidar hingeworfen, sorry.
Ich benutze solche Wörterlisten bei meinen Geschichten, um im mythischen Sinn die unauffälligen Kleinode zu sammeln und die Störenfriede rauszuwerfen. Sozusagen ganz aus dem Bauch. Denken ist da das Blödeste, was man machen kann, wenn man solche Wörterlisten für sich nutzen will.

Viele Grüße,
Simone.

 

Hallo Simone,

stimmt, zuviel an Texten arbeiten ist nicht so gut, das raubt der Sache gelegentlich die Seele. Das mit den Wörterlisten finde ich auf alle Fälle gut, egal ob man sich anschließend mit Kopf, Herz, Bauch oder Leber damit beschäftigt.

Grüße von Rick

 

Hallo Rick,

habe heut schon etliche Geschichten angefangen zu lesen, aber nichts konnte mich so richtig begeistern. Da dachte ich mir, stöbere doch mal in Ricks Geschichtenliste rum, schließlich gibt es einige von ihm, die du noch nicht gelesen hast.
Da bin ich also über dieses Teil gestolpert. Gleich beim Anklicken fiel mir auf, das ich die Geshcichte doch schon mal gelesen aber nicht kommentiert habe. Das soll jetzt also nachgeholt sein.
Wie soll es anders sein: mich hast du mit dieser kg mal wieder verzaubert. In meinen Augen absolut gekonnt wie du Thema und Form miteinander verwebst. So flüchtig, wie sich die Sekretärin vorkommt, gibst du auch die Informationen, kaum hat sich die Geshichte entfaltet, ist sie auch schon wieder vorbei. Eben ein flüchtiger Augenblick. Für mich aber (wohl wie für die Sekretärin) hinterlässt das Geschehen einen nachhaltigen Eindruck.
Sätze wie dieser sind ein Genuss:

Mit kleinem, mutlosem Schriftzug hat sie vorab unterschrieben. Nun greift er beherzt zum Füller und ergießt sich hemmungslos daneben, dringt mit dem letzten verwegenen Schlenker seines Namenszuges tief ein in ihre geduckte Schrift
Da schwingt soviel mit und macht sofort klar, wie es um die beiden bestellt ist. Obwohl immer das Spannungsfeld bleibt: bildest sie sich das ganze ein, oder knistert es tatsächlich ein bisschen ...

Freue mich, wenn du mal wieder Zeit für eine neue Geschichte findest :)

grüßlichst
weltenläufer

 

hallo rick,


das ist die erste kg, die ich von dir lese, und so kann ich es nicht mit deinen anderen vergleichen. ja... eine sehr flüchtige kg, hast du aber auf jeden Fall super beschrieben, diese flüchtigkeit. ich mochte, wie die du das unterschriben der Papiere beschreibst. Wie er unterschreibt, und wie sie sich dann vornimmt, wild und sinnlich zu unterschreiben... das passte sehr gut.

mfg,

JuJu

 

Hallo Rick,

sie sind sonst länger, deine Geschichten und enthalten sehr viel mehr Metaphern. Stimmt. Aber diese Geschichte hier hat für mich genau die richtige Länge.
Du schilderst einen Moment voller Hoffnungen für die Frau und auch der Mann ist einen Moment versucht, den Kontakt auszuweiten. Diese Schilderung ihrer Gedanken kommt flüchtig daher. Aber sind diese Gedanken nicht 'auf der Flucht'? Sie nisten sich kurz ein, um dann doch zu verschwinden. Einen Moment Illusion für die Frau und eine kurze Unentschlossenheit bei dem Mann, ja, ich empfand die Schilderung sehr gelungen.

Lieben Gruß,
Jurewa

 

Hallo Rick

... ein Wort in der KG drückt alles aus: Ahnung.
Ein Nebel, ein Hauch unter der Oberfläche unserer Realität reibt sich spürbar, lauert unfassbar und lässt in uns Saiten klingen, deren Ton uns verunsichert.
Schön zu lesen - bis auf:
...ins Wochenende verschwunden sind. Sie sind wieder mal die letzten im Büro.
Kein Geringerer als Du kann diese beiden SIND leichtfertiger umschiffen.
Sagte ich schon: schön zu lesen.
Liebe Grüße
Detlev

 

Hallo Weltenläufer,

danke für die Wiederbelebung dieses kleines Textes. Sorry, dass ich erst heute in der Lage bin, darauf zu reagieren. Es freut mich natürlich, dass dir auch diese flüchtige Momentaufnahme ein Lob wert ist. Ob ich mal wieder Zeit für eine neue KG finde? Ich arbeite hin und wieder relativ uninspiriert an ein paar Texten und hoffe sehr, irgendwann mal wieder die nötige Zeit und die nötige Einstellung zum Schreiben zu finden.

Hallo JuJu,

danke für deinen Kommentar. Nach meiner Einschätzung ist das nicht der ideale Einstiegstext in mein "Gesamtwerk". Umso mehr freut es mich, dass er dir nicht missfiel.

Hallo Jurewa,

flüchtig und Flucht, das sind genau die Aspekte, die mich zu diesem flüchtigen Text veranlassten. Danke, dass du diesen kleinen beschriebenen Augenblick als gelungen bezeichnest. Es hat mich - wie immer - sehr gefreut, deine Meinung unter einer meiner Geschichten zu entdecken!

Hallo Detlev,

auch dir vielen Dank für deinen Kommentar. Die von dir angesprochene textliche Ungenauigkeit konnte ich (hoffentlich) verbessern. Ansonsten freue ich mich, von dir eine positive Meinung erhalten zu haben, für diesen kleinen, stillen Text.

Rick

 

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