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Flug nach Malle

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06.05.2008
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Flug nach Malle

Die Taxifahrt zum Airport war trotz Vollmond wenig romantisch. Mein in Anatolien geborener Kutscher stank heftig nach Rasierwasser von Atatürk, das mit Knoblauch. Es war viertel vor vier Uhr morgens. Zu dieser unmoslemischen Zeit zwitscherte weder Nachtigall noch Lerche, nur einige wenige werden noch munter am Vögeln gewesen sein. Nachts in der Großstadt. Knut steckt in Ruth, Lesbe Heike in Mareike und Gunter holt sich einen runter.

Mein Chauffeur ließ eine CD mit Volksmusik aus seiner Heimat laufen. Dazu sang er noch, zumindest versuchte er es. Zu mir meinte er kurz, seinem Schwager gehört die Imbissbude Istanbul, dort gibt es den besten Döner in der ganzen Stadt. Den Spruch hat er aus amerikanischen Spielfilmen geklaut, allerdings geht´s da immer um die besten Hamburger in der ganzen Stadt, auch wenn es sich nur um ein verschlafenes Provinznest handelt, häufig im texanisch-mexikanischen Grenzgebiet. Der Fremde, der das Restaurant betritt, jagt entweder einen entflohenen Sträfling, einen Alien oder ist einem Umweltskandal auf der Spur.

Mein Fahrer wechselte andauernd die Spur. Bei seinem beschnittenen Schwager werde ich wohl kaum einen Happen essen, ich ziehe Italiener vor. Wer kann schon sicher sagen, dass seine Speisen die besten sind? Was mich bei der Ratesendung mit Günther Jauch immer zum Schmunzeln bringt, ist Günnis folgende Frage: „Zu wie viel Prozent sind Sie sich sicher?" Ha, entweder bin ich mir sicher oder nicht. Dazwischen liegt bei mir nichts. Oder doch? Wenn jemandem alle vier Antworten spanisch vorkommen, und er entscheidet sich für eine, dann müsste er sich im Grunde genommen zu 25 Prozent sicher sein. Ich weiß nicht, wie die alle auf ihre 10, 20, 30 Prozent und so kommen. Keine Ahnung. Na ja, Mathematik war, im Gegensatz zu Shoppen gehen und in Urlaub fahren, noch nie so richtig mein Ding.

Im Präsens und am Terminal angekommen, schnell raus aus dem Wagen und erst mal einchecken und so. Das kann dauern. Hoffentlich zeigen die im Flieger nicht wieder die Mr. Bean Folge beim Zahnarzt, wünsche ich mir, als ich mich am AIR BERLIN Schalter anstelle. Mit meinem Dentisten hatte ich lange kein Rendezvous mehr. Ich sollte ihm nach meinem Urlaub einen Besuch abstatten. Von einer solchen netten Kapazität von Doktor lasse ich mir jedes Mal mit Freude die virtuose Anwendung von Zahnseide beibringen.

Die Schlange vor der Fluggastkontrolle ist nicht lang. Alles, was ich in Verbindung mit
Metall bringe, kommt in die Designer-Handtasche. Die kleine Uhr, die Halskette und das Goldene Blatt. Und das Täschchen lege ich zum Durchleuchten aufs Fließband. Mit beiden Hände halte ich mir die Ohren zu, so spazier ich durch den türlosen Rahmen, und hoffe, die Metalldetektoren sprechen nicht auf mein Intimpiercing an, an das ich nicht mehr gedacht habe. Sie tun es zum Glück nicht. „Alles okay?", will ich vom Sicherheitsbeamten wissen. Der nickt nur kurz. Die Frage „Wie ist ihr Name Soldat?" schenk ich mir und hole sehnsüchtig Emporio Armani vom Röntgen ab.

Ein Russe beschallt mit seinem Handygespräch die gesamte Halle, wo ich mittlerweile sitzend die Illustrierte studiere. Am meisten fesselt mich der Artikel über die Seitensprünge prominenter Reitlehrer in königlichen Pferdeställen. Als der Flug nach Palma aufgerufen wird, bequeme ich meinen Hintern in die Höhe. Mit leicht wackeligen Knien stehe ich aufrecht, auf megageilen High Heels. Jedoch nicht gerade stabil. So stabil, wie die Lage der UDSSR Ende der achtziger Jahre. Gähnend stakse ich zum Boarding-Gate. Morgens fünf Uhr fünfzehn in Deutschland. Präziser gesagt, Rhein-Ruhr-Flughafen Düsseldorf. Geflogen bin ich noch nie gerne. Im Gegensatz zu einem Bruder, der ist schon immer gerne geflogen. Als Kind auf die Schnauze, später mit der geklauten Vespa aus der Kurve und zwischendurch zur Abwechslung auch mal von der Schule.

Zehn Minuten später sitze ich im Flugzeug auf dem Fensterplatz 12 F. Links neben mir pflanzt sich ein athletischer Typ mit vielen bunten Bildchen am Oberarm, der mir zur Begrüßung seinen Ellbogen in die Seite rammt. Der Typ trägt ein schwarzes T-Shirt über seinen Jeans und sieht etwas älter aus als ich, vielleicht Anfang dreißig. Ich bedanke mich mit einem gemotzten „Vorsicht, ich radier dir gleich die Tattoos weg!" Da guckt der mich entstellt an, wie früher mein Vater, als ich ihm meine Mathearbeiten vorlegte. Entschuldigt sich aber nicht, sagt kein Wort. Ein Benehmen haben manche Leute, die sollen sich mal ein Beispiel an meinem Bruder nehmen. Der ist letzten Monat aufgrund guter Führung ein halbes Jahr früher entlassen worden.

Alle Passagiere sind jetzt an Bord und eine Stewardess, die was Besonderes sein muss, gibt uns die Sicherheitsbelehrung. Den Rang dieser Dame habe ich nicht mitbekommen, da ich in Gedanken mich in Wortspielen übte, wie diese: Mit Alma in Palma, mit Olga an der Wolga, mit Joe am Po, mit Kai auf Hawaii, mit Nina und Tina in China, mit Sabine in der Ukraine, mit Richy auf den Fidschies und mit Erika in den USA. Moi, eure liebe, kleine, süße Sandra, findet ihr in Uganda und meine dicke Freundin Britta wohnt in Salzgitter.

Die was Besonderes sein muss heißt Marina und spricht mit einem osteuropäischen Akzent, ungefähr so wie Teresa Orlowski. Wenn diese Queen of Porno an Bord wäre, würde die sicher sagen: „Die Gummipuppen befinden sich unter dem Sitz. Blasen sie diese bitte erst nach dem Verlassen des Flugzeuges auf. Zur Stimulation zeigen wir ihnen heute den erotischen Film Enge Muschis, stark gedehnt. Bei Potenzproblemen servieren wir ihnen die Getränke auf Wunsch mit Viagra." Es wird dann der Moment folgen, wo man zollfrei das neue Rasierwasser von Lindsay Lohan kaufen kann, das für nach der Intimrasur.

Wir werden aufgefordert, uns anzuschnallen. Mein Nebenmann murmelt was von „Supermann braucht keinen Gurt", macht es aber nach einigen höflichen Aufforderungen von Marina trotzdem. Na ja, manche brauchen halt immer Sondereinladungen, aber Supermann braucht garantiert kein Flugzeug. Um nicht noch einmal einen merkwürdigen Blick von diesem Spacko zu kassieren, halte ich mich diesmal geschlossen. Bevor ichs vergess, ganz am Schluss würde Teresa uns bitten: „Öffnen sie den Reißverschluss an der Hose ihres Nachbarn erst beim Erreichen der Parkposition." Daran würde ich nicht denken. Dieser Grobian neben mir wird nie mein Höschen zum Schmelzen bringen. Auch wenn Supermann der Meinung ist, er könnte mit seinem Schwanz halb Bielefeld zum Einsturz bringen, näher kennenlernen muss nicht sein. Außerdem duftet der nach Budapester Bahnhofstoilette und Olbas-Tropfen gleichzeitig, das sagt alles.

Der Kapitän stellt sich vor und gibt die Flugzeit mit einer Stunde und fünfundfünfzig Minuten bekannt. Das sagen die jedes Mal immer so sicher, als ob nichts passieren könnte. Angenommen, wenn ein total durchgeknallter Jauch mit einer Handgranate in den Fingern und dem Koran unterm Arm sich auf diese Weise Zugang zum Cockpit verschaffen würde, dann wäre ich aufs äußerste gespannt, ob wir überhaupt irgendwo sicher landen würden.

Ein Weilchen später, wir sind bereits über Luxemburg, wird uns eine obligatorische Folge mit Mr. Bean gezeigt. Den Kauf eines Kopfhörers zum Preis von drei Euros spare ich mir, da Mr. Bean eh kaum ein Wort spricht. Das erinnert mich an den Kumpel von meinem früheren Freund Manfred. Stefan war ein Einzelgänger, dumm, ein bisschen verrückt und stolzer Besitzer eines Kariesimperiums. Der hat den Mund kaum aufgemacht, klar bei den Zähnchen. Und wenn, war jedes vierte Wort ein umgangssprachliches Verb für den Geschlechtsakt. Sprache und Literatur waren nicht seine Stärken. Einige Jahre darauf traf ich ihn in der Disco, wo er mich zu lauter Techno-Musik anschrie, er hätte in der Vergangenheit viel gelesen. Allerdings ein und dasselbe Buch mehrmals. Wie diese spannende Geschichte hieß, habe ich vergessen. Irgend etwas mit „Der Fänger will poppen", oder?

Ach ja, mein erster fester Freund Manfred. Auf Flucht vor den Unterhaltszahlungen seiner Ex-Frau soll er angeblich seit knapp drei Jahren auf Grönland leben, quasi im Exil. Manfred war der erste Kerl, der mir seine Zunge in den Mund stecken durfte. Gerne hätte er mir auch andere Teile in meinen Körper gesteckt, aber dies ließ ich damals nicht zu. Ich trennte mich von ihm, als er mit Caro rummachte, die war zu dieser Zeit meine engste Freundin und gleichzeitig aber auch meine schärfste Rivalin. An dem Tag, als Caro zum ersten Mal wild auf meinen Manni getroffen ist, verlor sie drei Dinge auf einmal: Ihr Zungenpiercing, ihre Unschuld und mich als Freundin. Aber das ist schon ein paar Tage her, da waren chinesische Schaukelstellungen noch böhmische Dörfer für mich. Verschaukelt hat Caro andauernd ihre Freunde. Ich konnte lediglich nur fragmentarisch Spanisch, Caro hingegen konnte bereits ausgezeichnet französisch. An ihrer Technik hat sie in den Jahren weiter gearbeitet. Hab ich mir von Männern sagen lassen, die dafür 50 Euro bezahlt haben.

„Auf der rechten Seite befindet sich Paris", klärt uns der Flugkapitän auf. Ich seh nur Wolken, selbst die Spitze des Eiffelturmes ist nicht zu erkennen. Für eine Million Euro wäre die Frage nach der Höhe des Turmes ein wenig zu einfach. Das exakte Gewicht zu erraten hingegen wäre wesentlich schwieriger. Das interessiert uns Frauen sowieso mehr, das Gewicht. Insbesondere Britta, die aus Salzgitter. Die verfeinert all ihre Lieblingsspeisen mit Schokoladensauce. Deshalb ist die auch fett. Und deshalb ist die auch chronisch untervögelt. Und deshalb futtert die auch so aus Frust, ein Teufelskreis. Wenn jeder Mensch so viel wiegen würde wie sein IQ, dann würde mein Bruder spindeldünn sein. Für ihn wäre die Frage „In welcher europäischen Metropole steht der Eiffelturm?" eine echte Herausforderung. Dafür kennt der die festgelegten Schemata bei Taekwon-Do-Gürtelprüfungen nahezu auswendig.

Ist Frankreich größer als Deutschland, Herr Jauch? Wir sollten den Franzosen das Saarland zurückgeben. Dafür bekommen die Spanier den französischen Teil des Baskenlands, das dann endlich komplett ist und unabhängig wird. Spanien ist den ETA-Terror los, das Volk atmet auf und wir erhalten dafür als Dank Mallorca als neues deutsches Bundesland. Erster Ministerpräsident auf der Sonneninsel wird dann keinesfalls Lafontaine oder Müntefering sondern Bodo Ballermann.

Der Kapitän meldet sich wieder. „Wir befinden uns im Landeanflug. Das Wetter in Palma ist wolkenlos, die Temperatur beträgt aktuell 17 Grad." Na bitte, tolle Aussichten. Wenn ich im Hotel bin, schnell raus aus den klebrigen Klamotten und ein Bad im Meer nehmen. Dann ins Restaurant. Dort lasse ich mich kulinarisch verwöhnen mit Spaghetti Bolognese, dazu ein Fläschchen Lambrusco. Echte mallorquinische Spezialitäten also. Wenn mir was unangenehm zwischen den Zähnen klemmt, kann ich zur Not meinen String-Bikini zu Hilfe nehmen, der ist genau so dünn wie Zahnseide. Nachmittags am Pool sonnen und Pina Colada genießen, nachts werde ich am Strand monden. Das ist voll romantisch, besonders bei klarem Himmel. Und wenn ein interessanter Mann dabei ist, kann man bis vier Uhr morgens fabelhaften Spaß haben. Da bin ich mir 100 Prozent sicher.

 

Halo Mieze666,

hat mir gefallen deine Geschichte. Ließ sich gut lesen, gestört hat mich nur, dass es ein wenig wenig Gespräche gab. Ein Dialog hier und da hätte die Atmosphäre sicherlich belebt.

Tendenziell fand ich es zu Beginn ein wenig sprunghaft wie du vom Taxifahrer zu Günther Jauch und denn ins Flugzeug kamst. Hast aber, wie ich finde, schön die Kurve bekommen, und alles wieder zusammen bekommen, dass es zum Schluß wieder schlüssig war.

Vom Gaggefüge her waren es alles ja mehr oder weniger Wortspiel-und witz, teilweise gelungen, teilweise auch nicht ganz so gut. Gerade auch hier hast du damit zu Beginn, für meinen Geschmack, übertrieben.
Richtig klasse fand ich ja:

Im Präsens und am Terminal angekommen
und
Alles, was ich in Verbindung mit
Metall bringe, kommt in die Designer-Handtasche. Die kleine Uhr, die Halskette und das Goldene Blatt.
(Hier nach der Handtasche vielleicht besser einen Doppelpunkt?!)

Gute Geschichte, tolle Unterhaltung

Gruß
Lemmi

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Mieze,

gut, die Handlung ist nicht der Rede wert, eher Geruest, um moeglichst viele Witzchen unterschiedlichster Herkunft (vermutlich ueber Monate gewissenhaft in einer Kladde zusammengesammelt) reinzuklemmen, aber oft reicht es mir durchaus, sprunghaften Gedanken zu folgen. Wenn, na ja, wenn diese Gedanken irgendwie folgenswert sind, und das schien mir in diesem Fall nicht so. Mir war dieser Text hochgradig unangenehm, nicht nur wegen vieler peinlicher Wortspiele und zusammenhangloser Witzelei (auch schlimm: der beschnittene Schwager), sondern vor allem, weil die Gedankentraegerin offensichtlich dumm und boese ist. Und dumm und boese, das sagte schon meine Mutter, ist immer eine ganz schlechte Kombination.

Auf der guten Seite kann ich allerdings vermerken, dass der Text ungewoehnlich fehlerfrei geschrieben ist. Weiter so!

Ansonsten, nix fuer ungut, ist halt Humor, das ist oft kontrovers.

lg
feirefiz

PS: Ich seh grad nochmal den Titel. Da haette mir natuerlich klar sein muessen, was mich erwartet...

 

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