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Früher war Tom Mensch

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25.03.2007
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Früher war Tom Mensch

Früher war Tom Mensch

Wer kennt sie nicht, die Penner am Bahnhof, die Schnorrer in der Fußgängerzone?! Verachtet von der Masse, völlig allein im Strom der Menschheit. Mit dem Verlust des Nutzens für die Gesellschaft haben sie auch ihre einstige Menschlichkeit verloren.
Tom ist einer von ihnen.

Nichts von dem, was er heute noch hat könnte an den einstigen Ruhm der ihn umgab erinnern. In einer zerfetzten, schmutzigen Hose lehnt er gegen das Bahnhofsgebäude. Die Augen sind geschlossen, er döst im Licht der kalten Oktobersonne. Vor ihm liegt ein Pappschild auf dem Boden „ Zwei Freunde, von der Welt verlassen, freuen sich über Kleingeld“, darunter ein großes „ Danke!“. Mit dem Freund ist Punika gemeint. Sie ist brünette, hat lange Beine und tiefbraune Augen. Punika ist ein Straßenköter, genauso von der Welt verlassen wie Tom. Im Winter wärmen sie sich gegenseitig, nachts passt Punika auf Tom auf.

Beide haben nichts auf der Welt, außer dem anderen und somit haben sie alles, was man nur haben kann.

Tom denkt häufig über sein altes Leben nach, meistens, wenn er mal wieder als Versager bezeichnet wurde. Doch er weiß, dass dem nicht so ist. Nach seinem Abitur hat er studiert. Informatik. Er war einer der Besten auf seinem Gebiet. Mit der Zeit hatte er eine kleine Firma eingerichtet. Auch verlobt war er gewesen. Doch bald schon lief die Firma nicht mehr und mit dem Geld ging auch seine Verlobte. Tom fand keinen Job und schließlich schmiss man ihn aus seiner Wohnung, ein riesiger Schuldenberg war das einzige, was sich nicht von ihm abwandte.

Tom öffnet die Augen und sieht sich um. Leute hasten an ihm und der Hündin vorbei. „Ja ja mein Mädchen, für uns haben sie nichts übrig. Nichts wissen sie über uns, dennoch urteilen sie.“ Punika schlabbert über Toms Hand. „Ja mein Mädchen, du hast Hunger.“ Tom klaubt das Kleingeld von der Pappe zusammen. Traurig sieht er die Hündin an seiner Seite an. Das Geld reicht noch nicht. Also steht Tom auf und fragt die Leute direkt nach Geld. Bald hat er das fehlende Geld beisammen. Mit Punika im Schlepptau macht er sich auf Richtung Aldi. Artig wartet sie am Eingang, Tom kommt mit einer Dose Hundefutter zurück. Heute gibt es Huhn. Gierig verschlingt Toms Gefährtin ihre Mahlzeit.

Für Tom reicht das Geld nicht, aber das findet er nicht schlimm, für seine Freundin hungert er gerne. Und oft. Manchmal bekommt er von den Brezelständen nach Geschäftsschluss die Reste geschenkt. Gestern war einer dieser Tage, aber das war gestern. Das Erste, was Tom auf der Straße gelernt hatte war, im heute zu leben, gestern ist vorbei und unveränderbar, von der Zukunft weiß man nicht einmal, ob man sie erlebt. Es kann so schnell alles vorbei sein.

An den Gedanken an Gestern zerbricht er langsam, die von Morgen sind noch schlimmer, weil Morgen erst noch kommt. Doch was kann jemand wie er an der Zukunft schon ändern?! Genauso viel, wie jeder andere auch, rein gar nichts, weil die Zukunft nicht von der Herkunft bestimmt wird, nicht von dem was man ist, sondern von allen Menschen zusammen. Und es ist beängstigend, sich das vor zu stellen, wenn man sieht, wie gleichgültig den meisten die Mitmenschen sind. Doch was bleibt jedem einzelnen übrig, als das Morgen zu erfahren? Nichts!

Die Gefährten machen sich wieder auf zum Bahnhof, vielleicht findet sich noch etwas Kleingeld. Oder Tom findet etwas, das Pfand bringt. Weder das eine, noch das andere geschieht und als die Sonne untergeht rücken Tom und Punika näher zusammen. Es gibt zwar Obdachlosenheime, aber da dürfen Hunde nicht rein und wo sein Hund nicht schlafen darf will auch Tom nicht schlafen. Was ist ein warmes Bett denn schon bei innerer Kälte und völliger Einsamkeit? An sich die gleiche Lüge wie das Leben selbst. Selbstbetrug bis zum äußersten, bis es nicht mehr geht und keiner mehr da ist den man blenden könnte, bis man nicht mal mehr sich selbst blenden kann. Der Punkt, an dem die heile Welt zusammenbricht und das Leben wirklich beginnt, das Überleben.

Tom mag die Dunkelheit, auch wenn sie gefährlich ist, gefährlicher als der Tag, aber Punika beschützt ihn. Und nachts erkennt ihn keiner als Penner, nachts darf er Mensch sein, weil ihn keiner genau sieht, nur Schatten und Schritte nimmt man war. Und er könnte das sein, für jeden, der ihn sieht, was er ist, ein Mensch. Aber auch die Nächte sind grausam, weil sie so häufig so kalt sind und weil sie doch nur ein Warten sind, ein Warten auf den nächsten Tag, vielleicht auch auf das Ende, wer weiß das schon?

Die Nacht ist sehr ruhig, nicht einmal schlägt Punika an. Nicht als die Mädels und Jungs des schnellen Geldes sie passieren und auch nicht, als ein Motor in der Ferne aufheult. Nach und nach senkt sich die Dunkelheit über die Stadt, nur Straßenlaternen und Neonschilder von Bars spenden noch etwas Licht, vereinzelt fahren Autos durch die leeren Gassen. Der Atem steht Punika vor der Schnauze, dünner Reif hat sich auf den Frontscheiben der geparkten Autos gebildet. Die Hündin erhebt sich um wieder Wärme in ihre kalten Glieder zu bekommen. Sie könnte weglaufen, weder ein Halsband noch eine Leine halten sie bei Tom. Sie kuschelt sich wieder an Tom und schläft ein.

Am Morgen wundern sich die Passanten über einen großen braunen Hund. Der Hund winselt und scheint ziellos zwischen den Leuten umher zu irren. Schließlich wird das Tierheim von einer mitleidigen Seele gerufen. Bei solch einer Kälte lässt man keinen Hund raus, er scheint ausgesetzt worden zu sein, trägt er ja kein Halsband oder ähnliches, was ein fürsorglicher Besitzer seinem Liebling umgelegt hätte um zu zeigen, dass der Hund jemandem gehört. Doch der Hund will sich nicht einfangen lassen.

Bis zu letzt hält Punika Tom die Treue, sie lockt die Leute vom Tierheim zu seinem Leichnam. Die Polizei wird gerufen und die Hündin schließlich eingefangen, weggebracht von dem einzigen, was sie je hatte. Die Polizei kümmert sich um Toms Leiche, erfroren ist er in dieser kalten Nacht. Dennoch hat er ein seliges Lächeln auf seinen toten Lippen. Denn er war nicht allein, als er gegangen ist, ganz anders als die meisten von uns war er bis zum Schluss bei jemandem, der ihn liebte. Jemand, der bis zu letzt da war.

Und das absurde an dieser Situation ist, dass ein Tier am menschlichsten war, es war einfach da, ohne nach dem Grund zu fragen, ohne zu wissen, was es selbst davon hat. Und nun ist es allein, in einem Zwinger, seiner Freiheit beraubt und ohne jemanden, der das Selbe für es tun würde.

Später an dem Tag erfährt die Presse von Toms Tod, viele Leute am Bahnhof werden befragt, was sie dazu denken, keiner will ihn je bemerkt haben, wie tragisch dies doch ist und eigentlich hätten sie gar keine Zeit. Wenn man ihnen in die Augen sieht sieht man, dass sie Tom kannten, nur vom sehen zwar, aber wenn man jemanden über Jahre hinweg jeden Tag sieht, kennt man ihn dann nicht ein bisschen, besser, sollte man ihn dann nicht ein bisschen kennen?!

Und als in der Zeitung bekannt wird, dass er erfroren ist, da haben sie alle ein schlechtes Gewissen, weil ihnen doch die alte Steppdecke auf dem Dachboden eh lästig war, weil sie so viel Essen und auch Trinken wegschmeißen. Es werden ein paar Blumen an die Stelle gelegt, an der Tom immer saß, auch Kerzen werden angezündet.

Doch im Grunde ihres Herzens beneiden sie Tom, weil sie wissen, dass er nicht allein sterben musste und weil sie wissen, dass sie an sich genau das Gleiche haben, wie er es hatte und doch viel weniger.

 

Das schrieb Mimocon unter seine Geschichte:

HI,

das ist die erste Geschichte, die ich hier poste, ich hoffe, ich bin im richtigen Unterforum gelandet;)

Viel Spaß beim Lesen


Hallo Mimocon,

herzlich Willkommen auf Kurzgeschichten.de! Bitte schreibe derartige Mitteilungen immer in ein gesonderetes Posting unter der Geschichte.

Danke und viel Spaß auf kg.de!

Lieben Gruß, Bella

 

Hallo mimocon,

eine sehr traurige Geschichte, die Du da geschrieben hast.
Ich will dann auch gleich mal anfangen:

Ab hier

Bis zu letzt hält Punika Tom die Treue, sie lockt die Leute vom Tierheim zu seinem Leichnam. Die Polizei wird gerufen und die Hündin schließlich eingefangen, weggebracht von dem einzigen, was sie je hatte. Die Polizei kümmert sich um Toms Leiche, erfroren ist er in dieser kalten Nacht. Dennoch hat er ein seliges Lächeln auf seinen toten Lippen. Denn er war nicht allein, als er gegangen ist, ganz anders als die meisten von uns war er bis zum Schluss bei jemandem, der ihn liebte. Jemand, der bis zu letzt da war.
wirds leider moralisch. Du erörterst etwas, was der Leser bereits am Anfang Deiner Geschichte weiß. Es ist klar, daß der Hund bei ihm bleibt - bis zum Schluß -, weil Hunde treuer als Menschen sind - was ja auch Deine Grundaussage zu sein scheint.
Von daher; völlig überflüssig, was noch alles kommt, meiner Meinung nach. Man weiß es einfach. Hinzu kommt, daß es ab da sehr moralisch wird. Schon vorher bist Du ziemlich moralisch, aber das jetzt sprengt alles. ;)
Diese Moralität braucht es meiner Meinung nach überhaupt nicht. Es reicht, wenn Du die Situation schilderst; seinen Tod, den umherirrenden Hund, den sie schließlich ins Tierheim stecken. Ohne Wertung. Denn die Wertung liegt beim Leser und ergibt sich auch aus dem Text.

Liebe Grüße
stephy

 

Hallo mimicon,

na, da hast du ja ordentlich auf die Tränendrüse gedrückt. Ud irgendwie habe ich das Gefühl, den Plot schon in zehntausend Weihnachtsfilmen gesehen zu haben. Das Gefährliche an dieser Darstellung ist natürlich immer ein gewisser Hang zur Romantisierung eines harten Schicksals, in dem die "echten "Werte" genau deshalb noch zählen: Loyalität.
So stellt auch deine Geschichten weniger gesellschaftspolitische Fragen, sondern wälzt diese auf den einzelnen an. Steppdecken und Nahrungsmittelreste einer Überflussgesellschaft lösen das Problem allerdings nicht. Sie machen das Kapital weder bescheidener, noch weniger zynisch. Das schlechte Gewissen des einzelnen ist systemstabilisierend. Und angesichts des immer stärkeren Auseinanderklaffens der sozialen Schere wird in Zukunft die Anzahl Obdachloser in dem Maße steigen, wie die Anzahl der Decken und Lebensmittel sinken wird, die noch jemand für sie übrig hat.
Auffällig ist, dass du die Zeichensetzung nicht liebst. Da hast du extrem viele Fehler drin. Auch fällt es dir offenbar schwer, zu unterscheiden, wann etwas zusammen-, wann auseinander geschrieben wird. "sich vorzustellen" schreibt man zum Beispiel zusammen.

Lieben Gruß, sim

 

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