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Frühlingsmoment

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09.03.2005
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Frühlingsmoment

Von einem Geräusch, ich weiß nicht welchem, bin ich aufgewacht. Sekundenlang starre ich in die Dunkelheit, und nach einiger Zeit beginnt sie sich vor meinen Augen zu bewegen, kleine und große Wolken, schwarze Flächen, die über- und untereinander gleiten und ständig ihre Form verändern.
Ich bleibe still liegen, ganz still, und ziehe die Decke bis zum Hals hinauf. Meinen Fuß, den ich, weil mir so warm war, aufgedeckt hatte, winkle ich schnell an.
Ich weiß nicht, woher es kommt oder warum, aber oft, wenn ich nachts aufwache, habe ich dieses Gefühl.
Diese Angst, dass ich nur unter meiner Decke sicher bin. Ich kneife die Augen zu und versuche krampfhaft, wieder einzuschlafen, doch ich bin viel zu aufgeregt.
Langsam öffne ich die Augen wieder, und nach einiger Zeit ist die Dunkelheit plötzlich nicht mehr so dunkel. Kleine Lichter sind an der Decke zu sehen und meine Angst schwindet langsam.
Es ist warm in meinem Zimmer, beinahe zu warm für mich, unter meiner dicken Bettdecke. Vorsichtig, darum bemüht, dass mein Bett mit der quietschenden Matratze kein Geräusch macht, stehe ich auf.
Das Licht lasse ich aus, wozu auch, ich sehe gut mittlerweile und mein Zimmer kenne ich wie meine Hosentasche oder meine Nase oder sonst was. Außerdem will ich mich in der Nacht nicht sehen, mein verquollenes Gesicht und meine wirren Haare…
Noch unterstützt durch das grelle, künstliche Licht.
Ich tappe auf nackten Sohlen zu meinem Fenster und kann dabei nicht verhindern, dass ich mir den linken Zeh an etwas stoße. Das habe ich nun davon, dass ich das Licht nicht angeschaltet hatte. Irgendwo in meinem Hinterkopf erinnere ich mich daran, dass ich kurz vor dem Zubettgehen mein Regal noch umgestellt habe.
Ich schaue nach draußen und sehe Wiese, in weiter Ferne Berge und schließlich den Himmel. Zum ersten Mal fällt mir auf, dass der Himmel gar nicht schwarz ist… Er ist heller als die Landschaft, dunkelblau vielleicht und hie und da, wenn auch teilweise von Wolken bedeckt, gespickt von leuchtenden, kleinen Punkten, die mich an Glühwürmchen erinnern. Natürlich sind es keine Glühwürmchen… Nur Sterne, viele Sterne, aber ich gehöre nicht zu den Leuten, die schon versucht haben, sie zu zählen. Genauer gesagt habe ich nicht oft die Möglichkeit, sie mir anzusehen. Nachts bin ich nie draußen, ich habe ein bisschen Angst vor der Dunkelheit.
Mir fällt auf, dass das Dach des Nachbarhauses seltsam erhellt ist und ich runzle die Stirn. Es macht mich neugierig, und die Erkenntnis, dass die Nacht gar nicht schwarz ist, tröstet mich.
Auf leisen Sohlen gehe ich nach unten, ins Erdgeschoss, setze behutsam einen Fuß vor den anderen, um kein Geräusch zu machen. Als ich bemerke, dass ich nur ein kurzes, weißes T-Shirt trage, ist es schon zu spät, ich will nicht noch einmal zurückgehen und es ist mir auch egal. Ich öffne die Terrassentür und ein Schwall kühler Luft kommt mir entgegen. Was drinnen schwül und beinahe unerträglich ist, finde ich draußen kalt. Ich spüre, wie sich die Härchen an meinen Armen aufstellen und mich ein Schauer durchfährt. Trotzdem, obwohl ich ein Frösteln nicht unterdrücken kann, trete ich hinaus.
Nach einigen Schritten schon bin ich auf der Wiese angelangt und fühle das weiche Gras unter meinen Füßen. Grillen zirpen ganz sanft und leise und leichter Wind fährt durch mein Haar und kitzelt mich an der Schulter. Ich lege meinen Kopf in den Nacken und atmete tief ein und aus, und es riecht einzigartig nach frischen Blättern und Blumen und Tau und feuchter Erde. Frühlingsduft…
Das Dach meiner Nachbarn ist wieder dunkel wie eh und je und ich überlege gerade, ob ich mir das Leuchten nur eingebildet hatte, als er plötzlich erscheint: Hinter wie hingepustet wirkenden Wolken kommt der Mond hervor und taucht alles in ein silbrig- blaues Licht.
Ich freue mich so, innendrin, und ich weiß nicht einmal, warum eigentlich, es ist doch nichts Besonderes. Als auch noch der Wind stärker wird, der zwar kalt ist, doch meine Haut vorsichtig streichelt, und die Gräser am Wiesenrand zu wogen beginnen, kann ich nicht anders: Ich lache laut heraus.
Immer noch lachend lasse ich mich zu Boden fallen und breite die Arme aus. Trinken will ich, in mir aufnehmen, diesen Frühlingsmoment. Meine Augen sind weit offen und ich schaue nach oben, in den Himmel, zum Mond und zu den Sternen, dann kehrt mein Blick zurück und bleibt an weit entfernten Baumwipfeln und Bergspitzen hängen. Feuchte Kälte durchdringt mich von unten, von der Erde und vom Gras, aber ich mag es so, dieses Gefühl.
Mit den Fingerspitzen fahre ich über das stoppelige Gras, das sich in die finstere Nacht erstreckt. Es kommt mir vor, als würde ich in einer endlosen, grünen Wüste liegen. An meinen Beinen, meinen Armen juckt es, vielleicht krabbeln Ameisen darüber, vielleicht sind es Käfer, vielleicht der Wind: Es ist mir egal.
Einzig dieser Augenblick zählt.

 

So, auch von mir eine Frühlingsgeschichte...Ist momentan wohl einfach die Zeit dazu.
Obwohl ich mir selbst nicht wirklich sicher bin, was ich von dieser Geschichte halten soll...

 

Hallo Lily,
wie der Titel schon sagt, ist es eher eine Momentaufnahme als eine Geschichte, aber wie du schreibst: Es ist wohl einfach die Zeit dafür. Ich habe die Geschichte gerne gelesen, musste zwischendrin immer schmunzeln, vor allem, als deine Prot durch das dunkle Zimmer tappt. Im Vergleich zu der ersten Hälfte, in der du so viele liebevolle Details hast - der aufgedeckte Fuß zum Beispiel -, kommt mir der eigentliche Frühlingsmoment fast ein bisschen kurz vor, aber ich kann ihn gut nachvollziehen und stand für einen Moment wirklich mit deiner Prot auf einer nächtlichen Wiese. Zu kritteln hätte ich vielleicht, dass die Atmosphäre für mich fast mehr nach einer lauen Sommernacht schmeckte als nach bloßem Frühling, und dass es extrem gemein von dir ist, mir mit deinen Landschaftsbeschreibungen Fernweh nach den Bergen einzupflanzen.
Ansonsten ... gern gelesen, in meiner gegenwärtigen Frühlingsstimmung bin ich für sowas einfach empfänglich.
Liebe Grüße, ciao
Malinche

 

hi malinche,
:rotfl:
Schön, dass sie dir gefallen hat!
Ich freue mich natürlich doppelt, dass sie dir gefällt, als Bewunderin deiner Geschichten... :D
Wahrscheinlich werde ich morgen nochmal drüber gehen ("eigentlicher Frühlingsmoment"), denn irgendwie bin ich jetzt zu müde dazu...
Oh, ich wollte nicht gemein sein, aber ich hab die Berge halt genau vor der Haustür... (war das jetzt wieder gemein?! ;) )
Lg,
Lily

 

Hi Lily,
Alles in allem hat auch mich die Geschichte gut unterhalten, vor allem der Schreibstil gefällt mir. Normalerweise sind Texte ohne eigentliche Handlung todlangweilig und selber versuche ich lange Beschreibungen immer zu umgehen. Du schaffst es aber durch die fühlbar werdende Stimmung zum Weiterlesen zu animieren.

Einige Fehler und Kritikpunkte gibt es natürlich trotzdem (ich finde immer welche ...):

"Schemenhaft erinnerte ich mich daran, dass ich kurz vor dem Zubettgehen mein Regal noch umgestellt habe." - da verfällst du für einen Satz in die Vergangenheit. Ausserdem macht das Wort "Schemenhaft" hier nicht viel Sinn: Entweder erinnert man sich daran, dass man das Regal umgestellt hat, oder man erinnert sich nicht daran (zugegeben, das ist jetzt recht spitzfindig).

"Mit den Fingerspitzen fahre ich über das stoppelige Gras, das sich um mich herum ausbreitet, jetzt, im Dunkeln, kommt es mir vor, als würde ich in einer endlosen, grünen Wüste liegen." - Dieser Satz ist typisch für den ganzen Text. Erstens ist er etwas gar lang und würdest du ihn besser nach "ausbreitet" unterteilen. Zweitens finde ich die Formulierung "um mich herum ausbreitet" unpassend, schliesslich ist das Gras ja schon dort. Die Beschreibung könnte an dieser und auch an anderen Stellen noch etwas präziser sein. Drittens: Die grüne Wüste ist dafür wieder ein sehr schöner Vergleich. Ein Alternativvorschlag als Beispiel: "Mit den Fingerspitzen fahre ich über das stoppelige Gras, das sich in die finstere Nacht erstreckt. Es kommt mir vor, als würde ich in einer endlosen, grünen Wüste liegen."

Als letzte Kritik noch eine Bemerkung zum Schluss: Ich würde den letzten Abschnitt mit dem Erwachen am folgenden Morgen ersatzlos streichen. Unzählige Geschichten enden bereits so und deshalb bleibt die Wirkung aus. "An meinen Beinen, meinen Armen juckt es, vielleicht krabbeln Ameisen darüber, vielleicht sind es Käfer, vielleicht der Wind: Es ist mir egal. Einzig dieser Augenblick zählt." - das ist doch ein viel schönerer und aussagekräftigerer Schluss, oder?

Viele Grüsse
Sorontur

 

hi Sorontur,
erstmal natürlich danke für deine Kritik!
Tja, eine (für mich) typische Frühlingsgeschichte... Schön, dass ich dich trotz der eigentlich fast gar nicht stattfindenden Handlung zum Weiterlesen animieren konnte.
Bezüglich deiner Kritikpunkte (die Fehler habe ich ausgebessert):
Danke für den Alternativvorschlag, ich werde ihn anwenden.
Beim Schluss bin ich mir immer etwas unschlüssig, aber ich werde mir die Geschichte nochmal genauer durchlesen und schauen, was ich mit dem letzten Absatz noch anstelle.
Liebe Grüße,
Lily

 

Hallo Lily!

Ein süßer, kleiner, netter Text! :kuss:
Im Moment bin ich auch richtig in Frühlingsstimmung!

Zu kritteln hätte ich vielleicht, dass die Atmosphäre für mich fast mehr nach einer lauen Sommernacht schmeckte als nach bloßem Frühling, und dass es extrem gemein von dir ist, mir mit deinen Landschaftsbeschreibungen Fernweh nach den Bergen einzupflanzen.

Ohja! :D
Ich musste auch daran denken wie ich ich letztes Jahr im Sommer als ich im Urlaub nachts raus bin und mich auf die Wiese gelegt hab... :shy:
Aber dann dachte ich, für eine Frühlingsnacht vllt ein bisschen kalt, meinst du nicht? :D

LG, Bella. :bounce:

 

Hi LadyAvalon,

naja, ehrlich gesagt habe ich es noch nie ausprobiert... :D
Aber ich musste daran denken, dass es, ich glaube, letzten Freitag, auch abends noch recht warm war.
Oh, und einmal bin ich im März mit nackten Füßen morgens um halb sechs über die Wiese gelaufen... War zwar ein bisschen feucht, aber da war das Gras auch schon höher. Momentan ist ist ja noch ganz kurz stoppelig..
Also keine Ahnung, wer will, kann es ja mal ausprobieren! :lol:
Soll ja Leute geben, die sowas machen (ich gehöre nicht unbedingt dazu, obwohl ich es beim nächsten sonnigen Tag nachts vielleicht mal ausprobiere ;) Ich sag dann Bescheid, wie kalt es war! :D )
Ansonsten noch Danke schön für dein Lob! :shy:
Liebe Grüße,
Lily

 

Hi Lily!

Deine Momentaufnahme hat mir gefallen, es ist einfach Frühling (auch wenn's gerade regnet.) Dann hat man Lust, solche Dinge zu tun. Und meine Bettdecke wird mir jetzt auch zu warm. ;)
Aber dem mit der warmen Sommernacht muss ich mich anschliessen. Im Mai hab ich mal bei einem Openair draussen geschlafen, im fetten Schlafsack und mit einer Biwakhülle: Es war arschkalt! Vor allem kurz vor Dämmerung...
Lass deine Prot doch wenigstens frieren :) !

Liebe Grüsse
sirwen

 

hi sirwen,
erstmal danke!
Okay okay, ihr habt mich überzeugt... Ich lasse sie frieren... :D
Besser?! :)
Liebe Grüße,
Lily

 

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