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Freche Gören
Im Jahr 1940, so berichtet es meine Mutter, brach die Familie nach Mekka auf, denn erstmals hatte man reichlich zu essen und genug des Geldes für die Reise. Jedenfalls bis Aleppo. Dort lebte ein Bruder meiner Großmama, welcher eine Handvoll Kamele besaß. Bis Syrien rutschte die Familie, samt Hühnern, Ziegen und anderem Proviant, auf der Lade des Lastwagens herum. Großmutter war damals sechzig und rief bei jeder Mulde, derer es reichlich gab, ‘Allah, Allah’. Sie ahnte nicht, was noch kommen würde! Drei Monate schaukelte sie auf dem Kamel durch flimmernde Hitze. Mekka schien ihr so fern wie das Paradies dem Halunken. Großmutters Ankunft in Mekka möge ihm Hoffnung geben!
Als es an der Zeit war, nach Hause zurückzukehren, fiel die Großmutter auf die Knie, schrie und tobte, sie wolle in Mekka bleiben. ‘Aber Mama’, sagte meine Mutter, ‘das geht doch nicht, wovon willst du denn hier leben, wir haben kein Geld, das wir dir schicken könnten.’ Das arme Weib gab zur Antwort: ‘Lieber verhungere ich, als diese Strapazen noch einmal zu ertragen, ich werde die Böden der Moscheen schrubben, den Alten und Dicken die Füße waschen und von Almosen mein Dasein fristen. Alles besser als zu reisen!’ Stellt euch vor, sie mussten ihr die Hände binden, sie schnallten sie mit Gewalt auf das Kamel!
Meine Töchter werden schon zimperlich, wenn sie die Stadt durchqueren sollen. Dann erzähle ich diese Geschichte. Und was antworten die frechen Gören?
“Vater, wie du redest! Kein Mensch spricht mehr wie du! Dein Türkisch stammt aus dem vorletzten Jahrhundert!” Und dann hacken sie auf ihre Geräte ein, als wären es widerspenstige Klaviere.
“Unter dicke Bäuche gebeugt, schmutzigen Füßen geduldig und glücklich dienend”, sage ich trotzig.
Niemand hört es, sie haben wieder diese Stöpsel im Ohr.
Schon gut, ich halte das Maul.