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freimarkt

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28.10.2008
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freimarkt

Die Tage wurden kürzer, die Schatten immer länger, das immerwiderkehrende Zeichen vom Wechsel der Jahreszeiten hielt unmissverständlich Einzug in das Leben der Menschen in dem kleinen, verträumten Städtchen Bremen an dem Weserfluss.
Lange schon hatten die Oberen der Stadt die Mauern geöffnet, doch vor 973 Jahren, als der Bremer Freimarkt- Nordeutschlands größtes Volksfest- das erste mal stattfand, waren die Sitten rauher, das Leben einfacher, und die Stadt war erfüllt vom Gestank übellauniger Latrinen, ja in den Armenvierteln der Stadt liefen die Fäkalien sogar ungebunden durch die Gassen.

Rund tausend Jahre später hatten die Oberen mit solchen Problemen zum Glück nicht mehr zu kämpfen, das Kanalisationssystem der florierenden Hansestadt hatte sich bewährt, nur in Zeiten verheerender Naturkatastrophen hatte sich der Wasserstand der Kanalisation bisweilen soweit erhoben, das am ein oder anderen Orte die Abwässer aus den Gullis traten.

Also alles fest im Griff!
Alles?
Nicht ganz...
Eine handvoll Outlaws die mit ihren alten, gerade noch verkehrtauglichen Kaschemmen das Gesamtbild der Stadt seit einiger Zeit zu verzerren drohten, geboten der Ordnung auch hier Einhalt und schickten sich an in eine ihrer Kunstwerkstätten zu fahren um die Werltmärkte mit ihren Werken zu überfluten und so die Authorität ihrer Oberen auf die fieseste, je erdachte Art zu unterwandern: Erfolg!
Da ihre Werkstätten im direkten Bereich des Bahnhofs, genau gegenüber des Freimarkts lagen, blieb ihnen keine Chance die ihnen so sehr verhasste Zeit des Konsums und des grundlosen Fehlverhaltens ihrer Mitbürger zu entziehen.
Doch die Zeit ihrer Rache sollte ganz unverhofft kommen.
An einem sonnigen Herbsttag, nennen wir ihn der Einfachheit halber "heute", genauer gesagt sogar "eben gerade", fuhr der Kunsthandwerker Tide mit seiner Kaschemme beim Cinemaxx um die Ecke und betrat somit unwiderruflich das vor Leben nur so triefende Bahnhofsquartier, als völlig unerwartet- und völlig unbeabsichtigt- die alten, auch schon etwas rostigen, Halterungen des leider völlig überfüllten Fäkalientanks mit einem lauten Knirschen nachgaben und der Tank aus seinen Halterungen gerissen wurde.
Da der Tide in einem Auto von acht Metern Länge saß, war ihm das hässliche Geräusch reissenden Metalls und klatschender Scheisse auf asphaltierter Strasse nicht sofort als sein eigenes aufgefallen, doch beäugte er im Rückspiegel eine aufgeregt winkende Dame die ihn unmissverständlich auf etwas aufmerksam machen wollte.
Auf der Strasse, direkt vor ihr, lag ein Stück Plastik von faustgroßer Beschaffenheit (es stellte sich sogleich als Ablasssperre für den Fäkalientank heraus) und ein größerer Haufen verbogenen Metalls welches die Halterung des anscheinend abgerissenen Fäkalientank darstellte!

Was für eine Scheiße!
Ich dankte der Dame für ihre Aufmerksamkeit und schickte sie eilig fort, war sie doch die einzige Zeugin meines kleinen Versehens, und sie entschwand tatsächlich ohne die Tragweite dieser kleinen Tragödie für Mensch und Natur entblößt zu haben!

Tjaaaa, und?

Keiner sonst hatte etwas bemerkt!
Flux wie ein Derwisch in seinen besten Jahren zerrte ich den appen Tank unterm Auto hervor, transportierte ihn ab und nu steht er vor meiner Werkstatt und hält Wache!

Ein stiller Zeuge und geduldvoller Teilhaber an der Freude eines kleinen Mannes!

 

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