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Freunde
Es ist Winter und der Wald erscheint in seiner weißen Pracht romantisch und wild zugleich. Die Spuren im Schnee lassen erahnen, dass hier in Abwesenheit des Menschen ein betriebsames Leben der Tiere herrscht.
Gestern Abend habe ich mich zeitig zur Ruhe begeben, denn ich weiß, ich werde heute sehr früh aufstehen. Und tatsächlich, im schönsten Traum spüre ich plötzlich einen warmen Atem und etwas Nasses im Gesicht. Ich wache auf, senkrecht über mir steht, mit den Vorderpfoten auf die Bettkante gestützt, mein Freund, der Collie namens Xushu, und begehrt mittels Nasestupsen um fünf Uhr in der Frühe einen Waldspaziergang! Ich bin allein mit dem Hund in unserer Hütte, wir haben uns eine Auszeit genommen und sind beide sehr glücklich, mal richtig Zeit füreinander zu haben. Die braucht der Hund auch, er ist noch jung und recht verspielt. Hat aber schon eine gute Grunderziehung genossen und ich weiß, ich kann mich auf ihn verlassen. Also ziehe ich mich warm an und bewaffnet mit Taschenlampe und Hundeleine geht es raus in die Dunkelheit. Allerdings so dunkel ist es gar nicht, denn der Schnee reflektiert jedes Licht, das durch die aufreißenden Wolken von den Sternen in den Wald gelangt. Die Luft ist klar und kalt, der Hund ist munter und ich werde es gerade. Schuschel, wie ich den Collie gern nenne, rennt voraus, die Nase eingetaucht im Schnee. Immer wieder schaut er sich nach mir um, ob ich denn auch endlich herankomme und ob ich das wohl auch so toll finde, was da an Düften im Wald zu riechen ist. Für Schuschel ist das wie Zeitung lesen: Das Neueste ist da zu erfahren. Wer war in meinem Revier? Etwa noch ein Hund? Und wenn ja, dann schnell meine Markierung darüber setzen. Und dieser Duft, was mag das wohl sein? Ein Hase, ein Reh oder ein Wildschwein? Oder hat nur ein Igel den Winterschlaf verpasst? Xushu wird das noch herausfinden, die Erfahrung kommt mit den Jahren. Unser Weg führt uns runter an den See. Wir nähern uns ihm langsam, denn manchmal kann man Wild auf ihm beobachten.
Am Waldrand bleiben wir beide stehen. Xushus Ohren spielen und die Nase versucht Witterung aufzunehmen. Ein leichter Wind, vom See aufkommend, streicht durch sein dichtes Fell. Der See ist zugefroren und es gibt Tiere, die gern auch mal eine Abkürzung nehmen. Der Fuchs, dieser schlaue Bursche, versucht so an das Wassergeflügel heran zu kommen. Der auf dem See liegende Schnee verrät, wer sonst noch hier war. Ich betrete das Eis, es trägt und wir könnten mühelos den See überqueren. Das ist Schuschel aber nicht ganz geheuer, fiepend rennt er am Rande auf und ab. Die Enten da hinten in der kleinen noch offenen Stelle im Wasser, die scheinen interessant zu sein. Sie sind wohl wach geworden und aus ihrem Versteck im Röhricht vorsichtshalber in das Wasser gewatschelt. Ich ermahne den Hund, hier zu bleiben. Das erinnert mich an eine Begebenheit, die ich vor vielen Jahren erlebt habe:
Damals war mein treuer Begleiter ein Cockerspaniel namens Cocki. Diese liebe und wunderbare Hündin war ebenfalls gut erzogen, allerdings war sie in einer Sache nicht zu halten: Wildgänse! So kam es, als ich einmal nicht richtig aufgepasst hatte, dass sie mir in den spätherbstlichen, von Wasser flach überfluteten Neißewiesen ausgebüchst ist. Ehe ich mich versah, rannte sie so schnell durch das Wasser, dass dieses hoch aufspritzte und ihre langen Ohren waagerecht in der Luft standen. Ihr Ziel waren die Gänse. Nicht verwunderlich, denn der Cockerspaniel wurde einst als Stöberhund gezüchtet. Jedoch, bei solchem Getöse stiegen die Wildgänse auf und meine Cocki flog mit einem langen Satz ins Wasser der Neiße. Sie hatte wohl im Eifer die Uferzone übersehen. Da das Ufer der Neiße an dieser Stelle abschüssig ist, kam die Hündin nicht allein wieder heraus. Mit beiden Vorderläufen versuchte sie an Land zu kommen, jedoch das Wasser trieb sie immer weiter flussabwärts. Also bin ich gerannt was das Zeug hielt, habe mich am Uferrand in den nassen Dreck geworfen und konnte so die mir entgegen kommende Cocki herausziehen. Sie schüttelte sich das Wasser aus dem Fell, wackelte freudig mit dem gesamten Hinterteil, schaute mich mit ihren treuen Augen an, als ob nichts gewesen wäre, und ich war patschnass und völlig verdreckt aber glücklich, dass alles noch so glimpflich abgelaufen war.
Zurück aus meinen Gedanken registriere ich, der Collie an meiner Seite gehorcht, ihm fällt es leichter, die Enten zu vergessen. Dafür bekommt er ein großes Lob.
So sind wir beide etwa eine halbe Stunde unterwegs, bis ich dem Hund erkläre, dass wir nun in die warme Hütte zurückgehen und eigentlich noch ein Stündchen schlafen könnten. Schließlich haben wir ja frei, es ist immer noch dunkel und nichts kann uns hetzen. Das scheint auch dem Hund recht zu sein und bevor wir uns niederlegen, gibt’s noch ein kleines Leckerli. Schuschel ist auf seinem Lager schnell eingeschlafen. Er träumt wohl vom baldigen Frühstück oder von ausgedehnten Wanderungen durch den Wald, die uns in den nächsten Tagen erwarten. Später sitze ich dann bei einem duftenden Kaffee in der Hütte, schaue auf den Hund und denke mir, unter diesen Umständen stehe ich gern so zeitig auf.