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Fußspuren im Schnee

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10.09.2005
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Fußspuren im Schnee

Es ist nur eine einzige Sekunde, wahrscheinlich weniger, die mein ganzes Leben verändert hat. Die letzte Sekunde des einfachen Lebens eines normalen Menschen. Soll ich dafür dankbar sein, jetzt wo alles vorbei ist? Ich weiß es nicht. Was wäre wenn…? Diese Frage habe ich mir am Anfang oft gestellt, doch der Nebel verfliegt langsam. Es dämmert und eine blutrote Sonne kratzt am Horizont. Die Zeit wird knapp.
Halt!
Zeit? Was interessiert mich das eigentlich noch? Was bedeutet Zeit schon ohne Existenz? Der Gedanke besteht ewig. Mich wird niemand vergessen. Das steht jedenfalls fest. Dafür habe ich unglücklicher Weise gesorgt. Meine Gedanken sind die Welt. Ich bin ein Teil von ihr und die Welt ist unser aller Ich.
Glaubst du an Schicksal? Aber wie konnte mir dies vorbestimmt sein?

„Atme!“

Scharf ätzender Rauch verschmorten Plastiks dringt gewalttätig in meine Nase. Die Ekel erregende Intensität erfasst jede meiner Geruchsnerven, bis mir die Galle hochsteigt. Mein Körper braucht Luft! Sauerstoff! Der Lebensduft jedes Menschen. Ich muss es zulassen, dass meine schmerzende Lunge sich übermäßig aufbäumt und wieder in sich zusammenfällt. 3 Mal, ehe sie sich kurz beruhigt und in zuckenden Gebärden wie ein Schlag aufs Brustbein allen Schmutz wieder versucht herauszujagen. Vergebens.

„Wach auf!“

Und ich öffne meine verklebten Augen. Ein Hitzeschwall ergreift meinen gesamten Körper, sodass ich glaube, davon zerdrückt zu werden. Die sengende Lohe bringt mein Blut zum Kochen, als ob mich das Feuer von innen auffressen wolle. Meine Arme dampfen, wie wenn jemand kurz vorher Wasser darüber gekippt hätte. Wasser! Schon bei dem Gedanken daran verwandelt sich meine Kehle zu einer staubigen Wüste.
Langsam werde ich mir meiner Umgebung bewusst. Doch alles wirkt auf mich so surreal, wie ein schlechter Traum. Ich sitze in einem Auto. Mein Auto? Die Frontscheibe ist
gesplittert. Dahinter verschwommene Silhouetten wie bunte Geister im Schneesturm. Hinter dem Plexiglas des Fahrerpults tänzeln kleine Flammen.
Mein Kopf dreht sich langsam nach rechts. Schon diese kleinste Bewegung lässt einen stechenden Schmerz in meinem Rücken aufbrennen. Jetzt erst bemerke ich dieses schlaffe Gegengewicht in meiner Rechten. Meine Augen wandern abwärts. Es ist eine Hand. Die zierlichen Finger fest von den meinen umschlossen. Mein Blick wandert wieder aufwärts, den der Hand zugehörigen Arm hinauf.
Der Anblick stimmt mich traurig. Ihr Kopf ist leicht nach links geneigt, wie als würde sie einer Stimme horchen. Sie ist wunderschön, oder war es jedenfalls einmal. Blutige Striemen überziehen ihr doch so makelloses Gesicht. Die Augen, halb geöffnet, erzählen eine unendliche Müdigkeit. Ihre Lippen formen ein Lächeln. Diese Schönheit zerreißt mich innerlich und trotzdem beherbergt sie Frieden, welcher nun auch mich erfasst in dieser unwirklichen Situation. Ich beuge mich zu ihr herüber und schließe ihre Augen. „Schlafe, mein Schatz! Schlafe!“ Ich gebe ihr ein Kuss auf die unversehrte Wange. „Ich liebe dich“
Wieso sage ich ihr das? Wer sie wohl ist…

„Geh!“

Meine Linke langt zum Türgriff. Sie öffnet sich lautlos in die Nacht hinein. Aller Schmerz ist wie von Zauberhand gewichen. Ein Gewühl des erfüllt seins keimt in mir auf. Ich lege ihre Linke in ihren Schoß, ein letzter Blick, und steige aus dem Auto. Die Luft ist eisig und mein Atem bildet eine weiße Wolke, während dicke Schneeflocken aus dem schwarzen Himmel an mir hinunter kräuseln. Jede Flocke auf meiner heißen Haut ist wie ein kleiner Nadelstich.
Die geisterhaften Gestalten nähern sich meiner, doch ich schenke ihnen keine Beachtung. Mein Ziel steht fest. Ich weiß zwar nicht, wohin, doch ich begreife, es liegt nicht mehr in meiner Hand. Die feinen Rädchen des Schicksals drehen sich heute Abend nur für mich. Ich habe keine Angst mehr. Schon seit dem Augenblick, als sich meine Augen schlossen und es eigentlich für immer bleiben sollten. Wer auch mir diesen einmaligen Einblick gewährt hat, ist mit seinem Vorhaben noch nicht am Ende.
Die Füße haben ihr eigenes Leben. Schritt für Schritt folgen sie ihrer ungeschriebenen Bestimmung. Schritt für Schritt komme ich dem Ziel näher. Nur, ein Impuls lässt mich aufsehen. Die Silhouetten sind jetzt ganz nahe. Eine greift nach meinem Arm, doch die Hand fließt durch mich wie durch Wasser. Dann sind auch sie verschwunden. Jetzt bin ich allein. Doch es ist keine kalte Lehre, sondern das einsame Erkennen. Die Füße lenken mich zu einer Laterne am Straßenrand. In ihrem Lichtschein verteidigt verzweifelt eine Spinne ihr im Wind wippendes Netz vor dem Schneesturm. Unter der Laterne sitzt ein Mann. Seine Kleidung erinnert an die eines Landstreichers. Mit gesenktem Kopf hält er einen kleinen Einband in den Händen. Ich bücke mich zu ihm hinunter und er hebt träge den Kopf, hält mir das Buch entgegen. Doch ich bin gefangen. Seine Augen! Wie zwei schwarze Löcher starren sie ziellos ins Leere. Geistesabwesend nehme ich sein Buch in die Hand, schlage es auf. Darin steht nur ein einziger Satz.
„Wer bin ich?“

 

Hallo Mannimond,

deine Geschichte lässt mich ziemlich ratlos zurück und ehrlich gesagt hat sie mir auch nicht sonderlich gut gefallen. Dafür werfen sich in mir zu viele Gedanken übereinander.
Ich versuche sie mal ein wenig zu verdeutlichen:
(Die Gedanken die in mir einzeln aufkamen haben mir im Grunde genommen gut gefallen, aber dann gab es wieder Dinge die es vollkommen zerstört haben)

Das Erlebnis eines Sterbenden. Dazu passt die "Wiederbelebung" (Atme! - Wach auf - wie ein Schlag aufs Brustbein)
Die Idee fand ich gut. Wiederbelebung ist aber schlecht möglich so lange er noch in seinem Wagen sitzt.
Zudem wird das Mädel neben ihm als tot beschrieben; ergo hätten sie dann gemeinsam aussteigen müssen. Er überlebt die Geschichte also.
Dann können die Menschen ausserhalb des Autos ja nur Tote sein, denn als er aussteigt werden sie nicht mehr erwähnt, ausser dem Penner. Was sollen die denn da?
Aber die Gestalten kann ich so gerade noch akzeptieren, nicht aber die Handlung an sich, da die im Prinzip darauf hinausläuft, dass er ebenfalls tot ist (zumindest wird mir dies assoziiert); dann kann er aber keine Schmerzen empfinden.

Auch der hochtrabende Schreibstil gefällt mir nur bedingt. An manchen Stellen ist er passend, aber im Gesamteindruck einfach störend. Der letzte Satz schlägt dem Fass dann den Boden aus. Muss er jetzt seine Sünden in dieses Buch eintragen? Ein Foto einkleben? Erscheint die Antwort später?

Meines Erachtens stimmt die Geschichte vorne und hinten nicht, aber vielleicht liegt das an mir, da ich den Sinn einfach nicht entdecke.
Es entsteht der Eindruck einer Überschneidung zwischen der Welt der Lebenden und der der Toten, aber ich finde mich da überhaupt nicht zurecht. Schade eigentlich.
ICH persönlich hätte gerne gelesen, dass er definitiv tot ist und mit dem Mädel gemeinsam aussteigt, von den Gestalten in Empfang genommen wird, oder so... (bzw. damit es logisch stimmt: Er liegt auf der Straße und wird wiederbelebt, steht irgendwann auf und öffnet ihr - ganz Gentleman - die Tür).

Hier noch ein wenig Formelles:

Was wäre wenn…?
Würde ich kursiv setzen.
Dafür habe ich unglücklicher weise gesorgt.
unglücklicher Weise
Ich bin ein Teilt von ihr und die Welt ist unser aller Ich.
Teil
Die sengende Lohe bringt mein Blut zum kochen
zum Kochen
eine Spinne ihr im Wind wippendes Netzt vor dem Schneesturm
Netz
Mit gesengtem Kopf hält er einen kleinen
Sengen heißt verbrennen/angebrannt. Ich denke mal, du meinst "gesenkt" :)


Gruß, Zensur

 

Hi Zensur,

danke erstmal für die Kritik und Tipps.
Ich versuche jetzt mal, meine Darstellung, so wie ich’s haben wollte, zu verdeutlichen:

Mannimond schrieb:
Schon seit dem Augenblick, als sich meine Augen schlossen und es eigentlich für immer bleiben sollten.

Also war der Mann zuerst tot.
Dann hast du Recht, er wird wieder belebt.

Mannimond schrieb:
„Atme!“

Aber wozu sollte er deswegen nicht im Auto sitzen? Er könnte ja an sonst was gestorben sein. Immerhin kann man raus lesen, dass es ein Autounfall war. Hast du erwartet, dass er auf normaler Weise von vielleicht andern Menschen wieder belebt wird? Das hatte ich nicht beabsichtig. Dieses „Atme!“ kann man ja als ihm von einer unbekannten Kraft eingeflüsterter Lebenshauch beschreiben.
Und damit ist es auch möglich, das Mädchen als tot zu beschreiben und dass der Mann Schmerzen empfindet.
Die Menschen, die er als verschwommene Silhouetten beschreibt, sind lebendig! Es könnten andere Menschen sein, die den Unfall gesehen haben, die Polizei oder Feuerwehr. Nach dem Aussteigen werden sie erwähnt:

Mannimond schrieb:
Die Silhouetten sind jetzt ganz nahe. Eine greift nach meinem Arm, doch die Hand fließt durch mich wie durch Wasser.

Sie könnten versuchen, dem Mann zu helfen, weil sie möglicher Weise gesehen haben, wie er aus dem Auto kommt. Ich habe vorher schon von der unbekannten Kraft gesprochen: Sie könnte ihm jetzt diese Eigenschaft gegeben haben, dass er nicht mehr von „normalen“ Menschen von seinem Weg, seinem Schicksal abgebracht werden kann.

Den Penner beschreibe ich mal als Medium zwischen zwei Welten(nicht unbedingt Jenseits und Welt der Lebenden), welches das Ziel des Mannes beherbergt: Das Buch.
Ich habe nicht beabsichtigt, auf den Schlusssatz eine Antwort zu geben. Ein offenes Ende, in dem alle Möglichkeiten offen stehen, was mit dem Mann dann passiert ist, oder was diese Frage „Wer bin ich?“ für ihn bedeutet. Nur am Anfang erzählt er ja, dass er kein wirkliches, „normales“ Leben mehr führt.

Deiner Kritik über meinen Schreibstil hab ich nichts entgegenzusetzen. Wenn er dir nicht gefällt, kann ich daran auch nichts ändern.
Danke für deinen Vorschlag am Ende, aber ich möchte doch keine Geschichten schreiben, nur, wie es andere gern hätten. :-)

Ach ja: Wie schaffe ich es, etwas im Text kursiv zu schreiben?

Gruß
Mannimond

 

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