Fußspuren
Fußspuren
Ich springe über die Wiesen. Die Bäume am Waldrand faszinieren mich. Ihre Wipfel scheinen in die unendliche Weite des Himmels zu ragen. Im Schatten der Blätter ist es angenehm kühl, und wenn das Sonnenlicht hin und wieder hierher durchdringt, lässt es alles freundlicher erscheinen.
Laut pfeifend schreite ich in den Wald. Ich folge mit meinen Augen einem Igel, der aus dem Laub kriecht und den Weg überquert. Dabei bemerke ich Fußspuren. Neugierig folge ich ihnen. Nach kurzer Zeit führen sie vom Weg ab, aber auf der weichen Erde kann ich sie klar erkennen. Hier müssen viele Leute gelaufen sein, aber nur in eine Richtung. Ich laufe den Spuren nach und versuche das Pfeifen der Vögel nachzuahmen. Es macht mir Spaß und ich bin glücklich.
Je weiter ich gehe, desto dunkler wird es. Plötzlich steht vor einem seltsamen Hügel ein Mann. Er grinst zwar, doch seine grausame Erscheinung kann er nicht verbergen.
„Wer bist du?“, frage ich ihn freundlich, „was machst du denn hier im Wald?“
Sein Grinsen verwandelt sich zu einem zornigen Blick. Er zieht ein langes Messer und sticht zu.
Ich renne verstört davon. Ich blute. Voller Angst stolpere ich durch das Gestrüpp.
Was ist geschehen?
In einem nicht enden wollenden Strom fließt das Blut aus meiner Schulter.
Wie kann der Mann so etwas tun?
Die Tränen kullern mir an den Wangen herunter. Ich höre die Vögel nicht mehr. Laut pocht meine Wunde. Ich laufe immer weiter, ich kann meine Schulter nicht sehen.
Um mich herum wird es immer dunkler. Ich versinke in meinen Gedanken, doch sie befriedigen mich nicht.
Warum hat er das getan?
Ich irre ziellos im Wald umher. Das Gebüsch streift mein Gesicht und kleine Dornen zerreißen meine Kleider. Die Vögel scheinen mit ihrem Gesang über mich zu spotten.
Ich will fort von hier.
Ein Eichhörnchen sitzt auf dem Weg, und ich jage es fort. Ich gehe weiter, doch weiß ich nicht, wohin mich meine Schritte führen sollen. Ich habe Angst vor der Zukunft, aber ich hasse die Gegenwart.
Die Wunde ist über die Jahre hinweg verheilt. Ich laufe immer noch und achte nur darauf, dass sie nicht wieder aufbricht.
Dann sehe ich einen alten Mann auf dem gleichen Hügel sitzen wie in meiner Kindheit. Ich sehe sein Messer und in meiner Wunde entfacht der alte Schmerz. Ich hasse ihn. Meine Finger zittern. Dann greife ich zu einem Stein. Jetzt wird mir erst klar, daß ich ihn mehr hasse als alles andere. Ich schreie auf und erschlage den alten Mann.
Ich erkenne, was der Hügel wirklich ist: eine Anhäufung von Skeletten.
Ich nehme das Messer und richte mich auf.
Ich kann die Vögel nicht mehr hören. Alles was ich höre, ist ein fröhliches Pfeifen.
Ein kleiner Junge kommt auf mich zu...
geschrieben von Jadawin und Gilk