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Göttinnen sterben nicht

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01.07.2001
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Göttinnen sterben nicht

Wir lassen in diesem Leben so viele Dinge unerledigt zurück

Die Luft war rein – kalt – bitter kalt. Das Atem tat weh. Sie atmete die Luft ein, spürte den Schmerz, sah ihren Atem, der zu einer Dampfwolke sich verflüchtigte. Die Krähen zogen grosse Kreise am Himmel. Sie blickte in den blauen Himmel – keine Wolke – nur ein beruhigendes Blau. Sie liebte den Himmel – liebte das Blaue – liebte die Kälte. Die Kälte brachte sie zur Vernunft. Es waren Augenblicke, die sie brauchte – brauchte, um die Traurigkeit weg zu schieben. Manchmal war diese Traurigkeit in ihr. Sie meldete sich nie an. Plötzlich war sie da, ergriff von ihren Gedanken Besitz und liess sie dann nicht mehr los. Sie könnte dann heulen, ihren Kopf an die Wand hämmern, um die Traurigkeit zu verjagen. Aber sie liess sich nicht verjagen. Die Traurigkeit war da. Sie blieb stehen, schaute die grosse Weisstanne an. Ihre Aeste bogen sich unter der weissen Last des Schnees. Ein wunderschöner Anblick in der winterlichen Landschaft. Sie brauchte die Traurigkeit, die Niedergeschlagenheit, weil sie dann auch wieder fröhlich sein konnte, lachen konnte. Sie liebte ihn. Liebte ihn so stark – so intensiv. Er war in ihrem Herzen – hatte dort seinen Platz gefunden. Sie wusste, sie konnte nicht mehr ohne ihn sein. Sie brauchte seine Worte, seine Briefe, seine Stimme, sie brauchte ihn einfach so, wie er war. Sie fror, versorgte ihre Hände in die Manteltasche und lächelte die Weisstanne an. Die Krähen hatten sich auf die Weisstanne niedergelassen und blickten sie von oben herab aus ihren kleinen runden Augen, als wollten die Krähen sie fragen, wer sie sei, was sie hier tue. Sie lächelte still vor sich hin. Sie dachte an ihm, an seine Wärme, an seine Berührungen. Sie hatte nie über sein Leben gross nachgedacht – über sein Alter, über seine Kindheit. Sie liebte ihn, so wie er war. Sie erinnerte sich an dem Abend, als er ihr telefoniert hatte, ihr gesagt hatte, dass er sie gern habe, sie liebe. Sie spürte, dass er lange brauchte, um diese Worte in den Hörer zu flüstern. Aber als die Worte kamen, waren sie von Herzen. Das spürte sie. Jetzt spürte sie die Kälte nicht mehr, lächelte den blauen Himmel an. Schloss die Augen. Sie spürte die Traurigkeit in ihrer Seele.

„...ich habe Dich so gern....weißt Du das?“ flüsterte sie. Er konnte sie nicht hören, weil er nicht da war. Die Krähen, die Weisstannen hörten sie nicht. Nur ihre Seele hörte sie.
„...ja..ich weiss, dass Du ihn liebst“, antwortete ihre Seele, „ Du musst ihn nehmen, wie er ist. Er liebt Dich, er wird Dir nie weh tun, weil er das nicht kann. Er weint, wenn Du ihm weh tust“

Sie nickte still vor sich hin. Sie wusste das. Seine Art, sie in die Arme zu halten – die Art, sie zu lieben im matten Licht der Lampe in der Wohnstube – dass alles liebte sie an ihm. Sie wusste, dass sie in diesem Leben so viele Dinge unerledigt zurück lassen würde. Oft genügt nicht ein Leben, um alles zu tun, was man will. Sie wusste das – der blaue Himmel wusste das – die Weisstanne wusste das – und – und auch er wusste das.

„Ja, ich will Dich..ich will Dich in allen Zeiten Deines Lebens – jetzt als Mann – später, wenn wir alt werden, auch dann will ich mit Dir draussen sitzen – vor dem Haus – auf der Veranda. Unsere zittrige Hände werden sich halten – unsere alten Augen werden sich anschauen und unsere Liebe wird weiter glühen in unseren Herzen“, flüsterte sie der Weisstanne zu. Die Krähen flogen davon – zogen grosse Kreise. Sie würde ihre Liebe – ihre Worte zu ihm tragen. Heute würde sie ihm schreiben – schreiben von ihrer Liebe zu ihm – schreiben, dass sie ihn wollte – ihn begehrte. Wenn man sich so liebt, dann sollte man das einander sagen – dann sollte man die Zeit vergessen – das Leben – nur die Augenblicke, die sollte man an die Hand nehmen. Sie würde es heute tun. Der Schnee unter ihrer Fusssohle knirschte. Es war kälter geworden. Die Sonne versank als rote Kugeln hinter dem Wald. Sie lächelte vor sich. Die Traurigkeit war weg. Sie würde ihm heute schreiben – er würde ihr auch schreiben. Er würde ihr schreiben, wie er sie liebte, wie er sie berühren würde. Sie wünschte sich das – sie wollte ihn. Jetzt wollte sie ihn – heftig – wild – sie wollte nicht mehr warten . Warum auch warten, wenn das Leben solche Geschenke für die Augenblicke verschenkt? Warum auch? Nein, sie würde sich ihm hingeben. Es war Zeit – die Zeit war da. Sie erinnerte sich als keines Kind - Vater und Mutter, sie hatten oft zu wenig Zeit – dann war sie alleine – alleine mit ihrer Sehnsucht. Mädchen haben Sehnsucht – wollen die Hände des Vaters auf ihren Kopf spüren, weil es gut tut, zu spüren, dass man geliebt wird. Das hatte sie nicht gespürt. Erst mit ihm begann sie sich zu spüren – ihre Seele und ihren Körper – ihre Gefühle. Jetzt wollte sie ihm ihre Sehnsucht mitteilen. Sie war bereit. Ja, wir lassen in diesem Leben so viele Dinge unerledigt zurück. Ihre Liebe zu ihm – das wollte sie nicht unerledigt zurück lassen.

© Franz Ludin
aus meinem Band „Göttinnen leben ewig“ ISBN 3-8280-0619-1

 

Das Atem tat weh

Das ist echt als Buch veröffentlicht? Aber nicht mit solchen Fehlern drin, oder? Naja, das war jetzt der Korinthenkacker-Ben, aber fiel mir nur so auf, zumal es gleich in der ersten Zeile stand.
Wenn ich mehr Zeit habe, folgt noch eine "richtige" Kritik. :)

 

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