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Gandhi in geheimer Mission
"Fahren Sie bitte los", ließ sich eine leise Stimme von hinten vernehmen.
"Na ja, man soll den Tag nicht vor dem Abend loben", meinte der Taxifahrer gelassen und schaltete das Taxameter ein. Sein Fahrgast hatte sich auf dem Rücksitz zusammengekauert, hielt eine größere Handtasche an sich gepresst und strich seinen Rock glatt.
"Wohin solls denn gehen?"
"DAS WERDEN SIE SCHON NOCH FRÜH GENUG MERKEN, UND JETZT FAHREN SIE ENDLICH! BEEILUNG!"
"Die Japaner haben ein Sprichwort", sagte der Taxifahrer im Losfahren ruhig. "'Wenn du es eilig hast, mache langsam.'"
"Es ... es tut mir leid", brachte die Frau auf dem Rücksitz unter Tränen hervor. "Ich wollte nicht so grob sein." Schluchzen machte ihre Worte fast unverständlich. "Ich muss zum Hotel Thorn und habe es wirklich sehr, sehr eilig."
"'Und wenn du es sehr eilig hast, mache einen Umweg'", sprach der Taxifahrer und bog in eine Seitengasse.
"Nis wie Pamm", maulte er.
"Aber Jenny McCarthy ist doch auch to-"
"Nis wie Pamm!"
"Ganz ruhig, ganz ruhig, wir besorgen dir eine andere, nur keine Aufregung", beschwichtigte der Manager und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
"Nis wie Pamm!"
"Wie lange brauchen Sie noch ungefähr?", ließ sich die leise Stimme wieder vernehmen.
"Eile mit Weile, was lange währt, wird endlich gut."
Von der Rückbank erscholl ein ohrenbetäubendes Lachen.
"Sie haben immer so lustige Sprüche drauf", prustete die kleine Frau. Ihr Rock verrutschte.
"Nirgendwo fällt Humorlosigkeit mehr auf als beim Lachen", murmelte der Taxifahrer. Die Frau hörte es nicht, da sie noch mit Lachen beschäftigt war.
Das Taxi bog in die Straße, in der sich das Hotel befand. Noch 700 Meter bis zum Ziel.
"Hallo ..."
"Ha-hallo. Was - kann ich für Sie tun?"
"Ich möchte zu Herrn Roger Whittaker, ich bin ... eine Freundin. Ich bin angemeldet."
"Natürlich", antwortete der Portier diskret und nach einem kurzen Blick auf seinen Notizzettel für Zimmer 66 gab er der Dame auf der anderen Seite der Rezeption die gewünschte Auskunft.
"Und ich hätte eine Sekunde wirklich gedacht ... na ja", murmelte der Portier, nachdem sie in Richtung Aufzug gegangen war. Dann widmete er sich Fräulein Huber, der Dreiundachtzigjährigen aus Zimmer 12, die unbedingt ihren Hund behalten wollte.
Noch 500 Meter bis zum Ziel.
"Ahh, wie Pamm", gluckste er erfreut.
Der Manager und die Bodyguards verließen diskret die Suite. Im Herausgehen hörten sie noch die Dame sagen:
"Ich fand Sie wunderbar in, äh, Ghost Dog."
"Wie Pamm!"
Aus der Handtasche, die die Frau an sich gepresst hielt, erklang ein leises mechanisches Brummen. Erschreckt sah sie nach vorne, doch der Taxifahrer schien nichts bemerkt zu haben. Sie sah sich um. Kamen da die Wände auf sie zu?
Der Taxifahrer ließ auch diesen Anfall unkommentiert.
Noch 200 Meter bis zum Ziel.
"Fräulein Schmidt."
"Ja?", kam es fragend aus der Gegensprechanlage.
"Kommen Sie doch bitte kurz herein."
"Sofort."
"Fräulein Schmidt, ich habe eine besondere Aufgabe für Sie. Sehen Sie diese Tasche? Sie muss bis zwölf Uhr bei Roger Whittaker sein. Ohne sein Maskottchen tritt er nicht mehr auf, hat er gesagt."
"Aber -"
"Hören Sie! Diese Mission ist von größter Wichtigkeit! Unsere Agenten sind leider alle außer Haus, Betriebsausflug, nur Sie sind noch hier. Wir vertrauen Ihnen diese Aufgabe an, enttäuschen Sie uns nicht! Sie werden sich ein Taxi nehmen müssen, die Firmenwagen sind alle zur Inspektion."
"Aber -"
"Keine Angst. Das Fahrgeld wird Ihnen selbstverständlich erstattet."
"Wir sind da."
"Danke, was macht das?", fragte Fräulein Schmidt schüchtern.
"In Geldsachen hört die Gemütlichkeit auf ... die Fahrt war kostenlos."
"Äh, aber -"
Der Taxifahrer löschte den Betrag des Taxameters.
"Einen schönen Tag noch. Öffnen Sie die Tür. Steigen Sie aus. Und dann einfach fest zuschlagen."
Fräulein Schmidt, die es gewohnt war, Anweisungen zu befolgen, befolgte die Anweisungen. Das Taxi fuhr weiter, sie betrat das Hotel.
"Hallo. Ich möchte zu Herrn Roger Whittaker."
Der Portier, der von Berufs wegen zur Diskretion verpflichtet war, hob nur eine Augenbraue und verwies sie nach erneuter Konsultierung seines Notizzettels ebenfalls an die Präsidentensuite.
"Herr Whittaker, Ihr Maskottchen ist jetzt da."
"Knuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuut."
Das Taxi rollte aus und kam zum Stillstand. Die Beifahrertür wurde von außen geöffnet und eine Frau stieg ein.
"Mission erfüllt?", fragte sie, nachdem sie sich angeschnallt hatte.
"Nur ein Sieg, für den es keine Besiegten gibt, ist wirklich ein Sieg."
"Eloquent wie immer, Gandhi."
"Und jetzt fahren wir nach Memphis."