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Gefunden
Seit Jana am rechten Ringfinger nicht nur ihren eigenen Ehering trug, ging sie kaum noch außer Haus. Stundenlang stand sie am Bürofenster ihres Mannes, angelehnt an der rechten Rahmenhälfte, und starrte Richtung Himmel. Dabei nahm sie diesen gar nicht richtig wahr, weder seine vorbeiziehenden Farben noch seine sonst so unterschiedliche Konsistenz. Nachts schlief sie in der für sie ungewohnten Ehebetthälfte, wühlte die Nase in seinen zuletzt getragenen Pyjamaoberteil. Die dazu gehörige Hose zog sie selber an.
Sie wurde schmal, schmäler, verlor im Gehen eigene Hosen, stand schließlich vor seinem Kleiderschrank und entnahm diesem sanft und vorsichtig eine seiner Hosen. Es war die graue Cordhose, alt, verschlissen, mit Lederflecken, diverse Male vor der Altkleidersammlung errettet, von ihm heiß und innig geliebt.
In der Zeit danach trug sie seine gesamte Wäsche auf. Wusste sich in ihr ihm am nächsten. Als sie bei der vorletzten Hose angelangt war, fand sie einen frankierten Umschlag. Sie stutzte, konnte plötzlich wieder logisch denken. Es war nicht seine Art gewesen, getragene Hosen, vor allem mit Tascheninhalt, in den Schrank zu hängen. Mit zittrigen Händen entnahm sie der Hose einen handgeschriebenen Brief, konnte ihn nicht lesen, die Schrift war zu klein, suchte ihre Brille, fand sie nicht, griff zu seiner. Sie hatten sich oft damit ausgeholfen.
Als sie den Brief endlich entziffert hatte, zerknüllte sie ihn wütend, strich ihn dann auf seinem Nachttisch wieder glatt, kehrte ihm den Rücken, ging an ihren Kleiderschrank und zog eigene Kleider heraus. Ein Rock mit Gummiband im Bund und eine Bluse würden es für den Anfang tun.