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Ich trabte die Straße entlang. Es war schon dunkel. So war mir die Stadt am liebsten. Die meisten Menschen waren in ihren Häusern. Das machte es einfach, das leckere Futter aus ihren Mülltonnen zu holen.
An einem Gebüsch blieb ich stehen und schnüffelte. Es war mal wieder Zeit, mein Revier zu markieren. Doch dann störte mich ein Geräusch. Ich spitzte die Ohren. Klack-klack-klack machte es auf dem Gehweg.
Ich schnüffelte in die Luft, aber der Wind drehte sich in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Ich spannte mich an, bereit mein Revier zu verteidigen, drehte mich um – und erstarrte. Eine Frau kam langsam auf mich zu. Sie war noch einige Meter entfernt. Wahrscheinlich hatte sie mich noch nicht gesehen. Ich wollte schon hinter dem Gebüsch verschwinden, da erleuchtete eine Straßenlaterne das Gesicht der Frau. Sie hatte lange, dunkle Haare, die ihr helles Gesicht einrahmten. Ihre Augen waren groß und funkelten wie kleine Sterne im Licht. Um ihre Lippen spielte ein kleines Lächeln. Sie sah nett aus. Warm und fröhlich. Da bemerkte sie mich.
„Hey, na du? Wo kommst du denn her?“ Ihre Stimme war sanft und weich wie das Gras im Sommer. Sie war jetzt nur noch zwei Meter von mir entfernt, aber ich blieb, wo ich war. Es war lange her, dass ich mich mit jemandem unterhalten hatte.
„Gehörst du jemandem?“ Sie sah sich um, als würde sie etwas suchen.
Ich schnaubte. Ich gehörte nur mir selbst! Langsam bückte sie sich, sodass wir fast auf Augenhöhe waren.
„Kein Halsband“, bemerkte sie.
Ich schnaubte erneut. Natürlich trug ich keins dieser hässlichen, unbequemen Dinger.
Sie sagte nichts mehr, sondern streckte mir ihre Hand entgegen. Ich wollte nicht näher ran gehen, schnüffelte aber in ihre Richtung. Sie roch nach Blumen und – wie merkwürdig – Hunden.
Da machte sie eine ruckartige Bewegung und ich erschrak. Ich sprang ein Stück von ihr weg. Sie richtete sich aber einfach wieder auf und ging weiter. Immer wieder drehte sie sich aber zu mir um. Ich schüttelte mich. Mir fiel wieder ein, dass ich zu meinem Unterschlupf zurückkehren wollte und eigentlich hundemüde war.
Die nächsten Tage blieb ich am Rand der Stadt. Ich jagte kleine Nagetiere und Insekten. Leider fand ich nicht viele. Für die Tierchen war es noch zu kalt draußen. Liebend gern wäre ich in die Stadt geschlichen, aber ich wollte den Menschen vorerst nicht wieder zu nahe kommen. So war es auch gut. Und sicher. Auch wenn ich meinen Bauch nicht so füllen konnte, wie ich wollte, war ich zufrieden. Ich streckte mich auf der Wiese aus und wälzte mich genüsslich im Gras. Abends zog ich mich in meinem Unterschlupf zurück. Es war ein verlassenes Haus mit einem Loch in der Wand, welches ich als Ein- und Ausgang benutzte.
Wieder einmal war meine Jagd erfolglos geblieben und ich kam müde und hungrig nach Hause. Da blieb ich am Eingang abrupt stehen. Etwas war anders. Mein Rückenfell stellte sich auf. Langsam und vorsichtig setzte ich eine Pfote vor die andere und betrat mein Haus. Ich schnüffelte in die Luft. Menschen. Sie waren hier. Aber der Geruch war schwach, sie mussten schon lange wieder weg sein. In der Dunkelheit sah nichts anders aus. Alles war dort, wo es sein sollte: Der halb heruntergefallene Balken trennte den Raum in zwei Hälften; ein paar leere Kisten lagen verstreut herum; in der hintersten Ecke war mein Nest aus Stroh. Langsam ging ich darauf zu. Das Gefühl, dass etwas nicht stimmte, ließ mich nicht los. Ich machte noch einen Schritt. Sobald ich die Vorderpfote aufsetzte, klickte etwas und ich dachte, die Decke fiele vor mir auf den Boden. Ich sprang erschrocken zurück und sah gerade noch, dass ein Netz auf mein Nest gefallen war, ehe ich mich umdrehte. Ich rannte los ohne zu sehen wohin. Plötzlich versperrte mir eine Wand den Weg. Auch links und rechts ging es nicht weiter. Etwas ratterte direkt hinter mir. Ich fuhr herum und starrte auf Gitterstäbe. Ich war in eine Kiste geraten und gefangen.
Es dauerte nicht lange, bis sie kamen. Zuerst hörte ich nur ihre Schritte. Dann sah ich sie. Vier Gestalten. Wie große, schwarze Schatten standen sie vor der Kiste. Ich kauerte auf dem Boden und legte die Ohren an. Einer von ihnen kniete sich vor die Gitterstäbe und leuchtete mich mit einer Lampe an. Ich musste die Augen zusammenkneifen und knurrte.
„Das muss er sein“, sagte die Gestalt mit einer tiefen, kalten Stimme. „Braunes Fell, weiße Pfoten und Schlappohren. Genau wie sie gesagt hat.“ Es musste ein Mann sein.
„Bringen wir ihn ins Tierheim“, sagte ein anderer.
Sie umzingelten mich und hoben mich mitsamt der Kiste hoch. Es wackelte und ich musste aufpassen nicht hin und her zu rutschen. Sie luden mich in ein Auto ohne Fenster. Ich hörte die Türen zuschlagen und den Motor angehen. Der Boden unter meinen Pfoten vibrierte und mein Körper zitterte. Das hörte auch nicht auf, nachdem das Auto endlich anhielt. Die Männer hoben die Kiste heraus und trugen mich in ein Haus. Jedes Mal, wenn einer von ihnen mich durch die Gitter ansah, knurrte ich. In dem Haus waren viele Gerüche von Tieren, vor allem von Hunden. Aber das beruhigte mich nicht.
Endlich stellten sie mich ab. Dann entfernten sie die Gitter von der Kiste. Sofort sprang ich hinaus, nur um nach wenigen Schritten wieder stehen zu bleiben. Von dem kleinen Käfig war ich in einen großen gelotst worden. In dem Raum war ich von vier Wänden umgeben. Eine Tür mit einem vergitterten Fenster führte hinein. Ich verzog mich in die Ecke, die am weitesten von der Tür entfernt war, und rollte mich zusammen. Die Männer hatten die Tür zugemacht. Einer von ihnen stand noch davor und starrte mich durch das Fenster an. Ich knurrte.
Ich weiß nicht, wie viele Tage vergingen. Ich blieb die ganze Zeit in meiner Ecke. Jeden Tag brachte einer der Männer Futter in den Käfig. Ich knurrte und legte die Ohren an. Ich wollte nicht, dass sie mir zu nahe kamen. Wenn ich allein war, fraß ich widerwillig das Futter. Es war trocken und schmeckte nach nichts. Selbst Würmer waren besser. Ich träumte vom Gras unter meinen Pfoten und dem Wind in meinem Fell. Doch jeden Tag erwachte ich auf einem harten Boden umgeben von Mauern.
Eine Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
„Bist du sicher? Er wirkt wild auf mich. Er hat keinen von uns an sich rangelassen.“ Es war einer der Männer, die mich gefangen hatten.
„Er hat nur Angst. Als ich ihn gesehen habe, wirkte er eher neugierig. Ich glaube, ich hätte ihn sogar anfassen können.“ Die Stimme kannte ich. Ich hatte sie schon fast vergessen. Und jetzt tauchte sie tatsächlich vor dem Fenster auf. Ihre warmen Augen schauten mich an. Sie öffnete die Tür und kam zu mir herein.
„Hallo, mein Junge.“ Ihre Stimme war ruhig und freundlich. Sie setzte sich neben der Tür auf den Boden und sah mir in die Augen. Ich schaute zurück.
„Keine Sorge, ich hol dich hier raus.“
Das ließ mich aufhorchen und ich hob den Kopf an, ließ aber die Ohren angelegt. Die ganze Zeit hielt sie mit mir Blickkontakt und ihre Stimme war zart und ruhig.
„Du kannst bei mir zu Hause wohnen. Ich habe einen großen Garten und noch drei andere Hunde, die auch mal Streuner waren, so wie du. Ich bin sicher ihr werdet schnell Freunde werden.“
Langsam entspannte ich mich.