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Gegrilltes am Abend

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14.08.2005
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Gegrilltes am Abend

Ich erreichte das Haus mit einiger Verspätung und taumelte durch die Hintertür in den Garten, wo sie schon die ersten Biere getrunken hatten und anfingen, ihre nervenden kleinen Witze zu erzählen. Diese Familie war ein einziger Haufen von inzestgeschädigten Krüppeln, sie waren mir egal, aber ich hatte seit Tagen nichts anständiges mehr gegessen und war hungrig wie ein Wolf, also beschloss ich, auf einen Sprung vorbeizukommen. Die Parkers waren in Besitz von drei kleinen Welpen, einer hässlicher als der andere, und die Hunde sprangen und tollten nur so im Garten herum. Ich setzte mich neben Dorothy und beschmierte meine Wurst mit Ketchup und Senf, während ihr Mann mir ein Bier herüberreichte. Nur Tommy, der jüngste Hund, bewegte sich keinen Zentimeter von seinem Frauchen weg.
Er bewachte sie mit gespitzten Ohren wie die Sphinx die Pyramiden von Gizeh.
Jedes Mal, wenn ich einen Bissen nahm, kläffte er wie verrückt und sabberte mir auf meine ausgelatschten Turnschuhe. Sein Gebell schmerzte mir in den Ohren, hatte ich doch wegen einer Mittelohrentzündung erst den Otologen aufgesucht.
Die Einladung der Parkers war eine nette Geste, weil sie wussten, dass ich sonst in der Kneipe um die Ecke versauern würde. Zumindest dachten sie das, einziger Grund für mich, nicht in die Kneipe zu gehen, war meine gähnend leere Brieftasche. Vierzehnter Juli, und für mich gab es keine Frau, ganz zu Schweigen von einem bekackte Mistelzweig. Der Welpe hing jetzt an meinem rechten Bein und juckelte mich ab. Dorothy war entzückt und die Kinder betrachteten das Schauspiel, alle lachten und waren sich über den Spaßgehalt dieser Aktion einig. Welch glückliche Familie, die barmherzigen Samariter von nebenan, und sie glaubten ernsthaft, ich wäre ihnen in irgendeiner Weise zu Dank verpflichtet. Trautes Heim, oh trautes Heim.
Ich schlug ihm mit der Faust direkt ins Gesicht, und er brach jaulend zusammen. Das Familienoberhaupt der Parkers, Jefferson, sprang auf und schrie mich an. „Hast du sie noch alle du verkappter Idiot!“. Ich stieß den Grill um, griff hinter mich, tastete den Tisch nach etwas brauchbarem ab und griff nach einer Pfanne. Ich schlug sie Jefferson mit voller Wucht über den Kopf und er fiel rückwärts um und blieb liegen. Von dem Tag an wollten die Parkers nichts mehr von mir wissen.

 

Lässt mich ziemlich ratlos zurück das Ganze. Da ist jemand wütend auf die Welt und greift sich irgendwas, an dem er die Wut auslassen kann. Ja, das wars dann auch ...

 

Deswegen läuft es ja auch unter dem Namen "Experiment". Ich kümmere mich nicht um Konventionen wie sie uns im Deutschunterricht diktiert worden sind, nicht jeder Autor muss sich nachher fragen, ob er denn ebenso geniale Metapher wie Hemingway gefunden hat oder nicht. Die rohe Gewalt spielt den Kompensator der verlorenen Moral, funktioniert nur platonisch als Stilmittel, DAS ist es, was den meisten nicht gefällt.

 

Nein, hier ist sie nur Ausdruck verlorener Moral und isoliert deinen Prot, den Urheber der Gewalt. Damit fehlt ein gesellschaftlicher Bezug. Deine Wohlanständigkeitsfamilie taugt nicht als Bild der Familie als Keinzelle des Staats.
Es ist schon gut, dass es keine geschilderte Ursache für die Wut deines Prot gibt, den kann man sich mit Arbeitslosigkeit, Leben am Existenzminimum schon durchaus selbst vorstellen. Und es mag konsequent sein, dass sich die Wut deines Prot an Wehrlosen vergreift. Spiegelt schließlich die Machtlosigkeit, die er fühlt wieder.
Und trotzdem habe ich das Gefühl, es fehlt etwas.

 
Zuletzt bearbeitet:

Deswegen läuft es ja auch unter dem Namen "Experiment".
Ich habe kurz gezuckt, ob ich dir dann die entsprechende Rubrik vorschlage. Aber irgendwie entdecke ich hier doch nicht das große Experiment, das eine Veröffentlichung in der gleichnamigen Rubrik rechtfertigten würde.

Ich bin bei deiner Geschichte etwas zwiegespalten. Ganz so negativ wie meine Vorkritiker sehe ich sie nicht, aber dass sie mir besonders gefallen hätte, kann ich beim besten Willen auch nicht behaupten. Es ist im Grunde eine Art Kürzestgeschichte. Man kann es so sehen, dass dein Text nur das Gerüst einer Geschichte darstellt und dass der Gehalt, die Tiefe und die Seele fehlen. Man kann es auch positiv formulieren und sagen, dass die Geschichte unglaublich verdichtet ist - eine Reduktion auf das Nötigste. Ich sehe es eher wie im zweiten Beispiel, aber irgendetwas hinterlässt bei mir den Eindruck, dass das eher ungewollt und zufällig so geraten ist - nicht überlegt oder als besonderer Kniff. Denn für den besonderen Kniff fehlt eine Menge. Dazu ist der Stil nicht ausgefeilt genug und dazu wird die Verdichtung der Informationen nicht kontinuierlich genug umgesetzt.

Ansonsten stimmt es aber schon: Es gibt jede Menge Hinweise in deiner Geschichte auf die Charaktere deiner Figuren, sogar ein Ansatz zur Gesellschaftskritik lässt sich finden - ob der nun beabsichtigt ist, weiß ich natürlich nicht. Auf der einen Seite hat man den Prot, vom Leben enttäuscht, ohne Frau, die er sich anscheinend aber sehnlich wünscht, anscheinend auch ohne Job, ohne Geld, dafür mit einem Hang zu übermäßigem Alkoholkonsum (wahrscheinlich ist er sogar Alkoholiker). Das Leben hat ihn anscheinend so verbittert, dass er inzwischen alles und jeden hasst, der das hat, was er gerne hätte, aber nicht hat. (Was für ein Satz. :schiel: )

Auf der anderen Seite die Nachbarn, eine große Familie, Mann, Frau, Kinderchen, Hunde, der Grill darf auch nicht fehlen - alles so absolut typisch und klischeebeladen. Und diese typische Familie lädt den Prot, der eigentlich gar nicht dazu passt, zum Essen ein. Ob die Gedanken des Prot, dass sie dafür Dank erwarten und (meine Interpretation) sich nur so gönnerhaft verhalten, um ihr Gewissen zu erleichtern, kann der Leser nicht beurteilen. Das geht aus der Geschichte einfach nicht hervor. Genauso gut kann es sein, dass die Familie wirklich einfach nur nett und freundlich ist und helfen möchte - ohne Hintergedanken und ohne Dank und Treue zu erwarten.
Dein prot scheint es jedenfalls so zu sehen, dass diese Gönnerhaftigkeit und Freundlichkeit verlogen ist. Und hier sehe ich die angedeutete Gesellschaftskritik. Das erinnert mich extrem an einen anderen Autor hier, der nicht müde wurde, die so genannten "Gutmenschen" anzuprangern. In diese Richtung scheint mir auch deine Geschichte zu gehen.

Den letzten Satz finde ich enttäuschend - der Inhalt ist fast null. Dass die Familie nach diesem Ereignis nichts mehr vom Prot wissen will, ist eh klar - ganz egal ob sie vorher tatsächlich ihr Mitgefühl nur geheuchelt habe oder ob der Prot sie verkannt hat. Als Ende der Geschichte ist dieser letzte Satz jedenfalls sehr schwach. Ich würde mir eher eine Art Auflösung erhoffen. Vielleicht wolltest du sie in Richtung "war alles vorgeheuchelt" geben, aber das funktioniert nicht. Wenn ich jemandem helfen würde, immer und immer wieder, und derjenige greift mich dann tätlich an, sodass ich im Krankenhaus lande, könnte der mich auch mal. Ich hoffe, du verstehst, was ich damit sagen will.

Ansonsten würde ich dir einfach nur raten, dir Gedanken darüber zu machen, ob du die Geschichte möglichst ausgefeilt und bildreich schildern willst oder die Verdichtung wählst. Und dann würde ich das auch konsequent umsetzen - entweder so oder so. Aber kein Mischmasch. Vielleicht rief das auch die negativen Kritiken hervor.


P.S.: Was ich auf jeden Fall zum gesellschaftskritischen Interpretationsansatz noch schreiben wollte: Er funktioniert nicht. Dein Prot kommt in der Geschichte viel zu schlecht und unsympathisch weg. Sollte das also dein Punkt gewesen sein, dann funktioniert er nicht.

Daher kommt vielleicht eher in Betracht, dass das Leben deinen Prot so verbittert hat, dass er langsam aber sicher den Realitätssinn verliert und hypermisstrauisch wird - also tatsächlich eine Verlogenheit unterstellt, die es so gar nicht gibt. Und letztendlich genau das angreift, was sein eigenes Ideal wäre, das er aber nicht erreichen kann (Familie, ...). Na ja, auf jeden Fall kommt das so nicht rüber. Deswegen solltest du das Ende wirklich anders auflösen.

 

Ich glaube, du hast mehr verstanden als ich dachte dass es jemand verstehen wird.
Der lakonische Schreibstil im Ganzen, der Protagonist, erinnert euch das nicht an irgendwen? Tickt da wirklich garnichts? Ich helf euch auf die Sprünge:

"Ansonsten stimmt es aber schon: Es gibt jede Menge Hinweise in deiner Geschichte auf die Charaktere deiner Figuren, sogar ein Ansatz zur Gesellschaftskritik lässt sich finden - ob der nun beabsichtigt ist, weiß ich natürlich nicht. Auf der einen Seite hat man den Prot, vom Leben enttäuscht, ohne Frau, die er sich anscheinend aber sehnlich wünscht, anscheinend auch ohne Job, ohne Geld, dafür mit einem Hang zu übermäßigem Alkoholkonsum (wahrscheinlich ist er sogar Alkoholiker). Das Leben hat ihn anscheinend so verbittert, dass er inzwischen alles und jeden hasst, der das hat, was er gerne hätte, aber nicht hat."

Auf WEN bitteschön trifft den diese Beschreibung zu? Welcher große Schriftsteller hockte wohl in meinem Kopf und grinste, als ich nach 2 Flaschen Rotwein anfing, draufloszuschreiben? DAMN! Charles Bukowski. Jetzt ist es raus.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Roadkill,

musste direkt mal noch etwas Recherche betreiben nachdem die letzte Geschichte von dir so beeindruckend war.

Diese Kurzgeschichte hat (meiner Meinung nach) nur einen Magel.
Sie ist zu kurz.
Die Gewalt verfehlt nicht wegen ihrer Plötzlichkeit oder Sinnlosigkeit ihre Wirkung sondern weil der Schock nicht durch genügend Tiefe vorbereitet wird. Ich denke du weißt schon was ich meine, und vieles wurde auch schon gesagt, deswegen fasse ich mich kurz.

Steven King sometimes said something like:
Leave some time for the receiver to react.
Otherwise the Impact of the Story will be roadkilled, before being able to reach it's maturety.

And just for the record: from now on I'm a fan.

 

*gg* Dankesehr. Aber du hast Recht, im Nachhinein betrachtet müsste die Geschichte bearbeitet werden...

 

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