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Gemütsregen
Schauer. Ein Schauer läuft Martin über den Rücken. Im Fernsehen wird eine durchwachsene Nacht angepriesen. Begleitet von Schauern. Es wird sich nichts ändern. Es regnet ja bereits. Martin steht am Fenster, im Dunkel der Nacht, und beobachtet die Straßenlaterne auf der gegenüberliegenden Seite. Diese Lampe lässt die Welt mit ihrem diffusen Licht eher noch trostloser aussehen, als sie zu erhellen. Er nippt gedankenverloren an seinem Drink und lauscht dem Fernseher im Hintergrund, ohne sich wirklich für das Programm zu interessieren. Figuren, die blass und farblos über den Bildschirm flimmern.
Sich einzugestehen, dass man aus der Bahn geworfen wurde, ist kein leichtes Unterfangen. Dieses Zugeständnis an die grausame Welt wollte gerade aus Martins Lippen hervorbrechen, da wurde die Tür zu seinem Appartement fast aus den Angeln gebrochen.
Anke war wieder zurückgekommen. Zurückgekommen im wahrsten Sinne des Wortes. Verlassen hatte sie ihn. Aus niederen Beweggründen. Zurückgekommen war sie. Aus Angst keinen besseren zu finden. Schließlich hatte sie sich wieder bei ihm eingenistet.
Martin hasste diese gespielte Vertrautheit. Sollte er sie vor die Tür setzen? Könnte er das vor sich selbst rechtfertigen?
Martin stellt den Whisky, einen sehr guten Single Malt, auf dem Glastisch ab. Er nestelt das Softpack aus der Hemdbrusttasche hervor und klopft sich eine Zigarette heraus. Die Flamme des Feuerzeugs spiegelt sich in seinen Augen und Martin nimmt einen tiefen Zug. Er lehnt sich entspannt zurück und stößt den blauen Dunst vor sich in den Raum.
Leider währte diese Entspannung nicht für lange. Denn schon hört er den schrillen Schrei seiner Möchtegernlebensgefährtin. Was würde sie nur ohne ihn tun? Nur allein ihre Tollpatschigkeit wäre ihr Todesurteil.
Als Martin sie am Küchenboden liegen sieht, überschwappt ihn zuerst eine Welle der Genugtuung und Erleichterung. Dann wandelt sich sein erschlagend positives Gefühl ins Gegenteil. Würde er ohne sie leben können? Martin fühlt den Puls seiner Freundin, die ihm ehemals das schönste Leben bescherte. Abermals spürt er die Erleichterung in sich aufkeimen als er ihren Puls ertasten kann.
Anke öffnet die Augen einen kleinen Spalt breit und muss blinzeln, geblendet von der Sonne, die so fröhlich in die Küche strahlt. "Was ist passiert?", wispert sie.
Dazu hatte sich Martin noch keine Gedanken gemacht. Jetzt erst versucht er die Lage, in der er sich befindet, zu begreifen.