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Generation Praktikum

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16.08.2010
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Generation Praktikum

Florence wollte Lehrerin werden.
Sie war in einem kleinen französischen Dorf, nahe der deutschen Grenze aufgewachsen und hatte schöne Erinnerungen an Schulferien mit den Eltern in Deutschland. Also wollte sie Deutsch-Lehrerin werden.
Die Hälfte des Studiums war nun um und ein zweiwöchiges Praktikum an einem deutschen Gymnasium war nicht mehr zu umgehen.
Lust und Zeit für großartige Vorbereitungsmaßnahmen hatte Florence nicht, aber was sollte schon schief gehen bei einem kurzen Aufenthalt im bekannten Deutschland.
Eine Unterkunft in einem vorübergehend leerstehenden Zimmer einer Wohngemeinschaft irgendwo im näheren oder weiteren Umkreis der Schule, deren Adresse sie noch nicht bekommen hatte, war bald gefunden und nun widmete sich weiter ihren Semesterferien und ließ alles andere auf sich zukommen.
Vor wenigen Wochen hatte Florence die Fahrprüfung bestanden, besaß auch schon seit einiger Zeit einen kleinen gebrauchten Renault Clio und war nun endlich stolze Eigentümerin des lange ersehnten roten A auf weißem Grund, das am Heck des blauen Kleinwagens prangte, um alle anderen Verkehrsteilnehmerin vor der Fahranfängerin zu warnen. Völlig unnötig, wie sie fand, aber dennoch symbolisierte das rote A ihren Aufstieg in die Gesellschaft des fahrenden Volkes und deshalb war sie sehr stolz darauf.

Die Semesterferien gingen zuende, das Praktikum im nahen Deutschland rückte näher und je näher es rückte, desto ferner erschien ihr Deutschland. Sie schob die Vorbereitungen endlos vor sich her und so schaffte sie es schließlich, am späten Sonntagnachmittag loszufahren. Montag morgens um halb acht Uhr sollte sie in der deutschen Schule sein.
Autobahnen sind eine Horrorvorstellung für die meisten Fahranfänger und Fahranfängerinnen und so entschied sich Florence, doch lieber die Landstraße zu nehmen. Und nun begann das große Abenteuer. Die so einfache Landstraße zog sich dahin, eine Kurve folgte der nächsten, musste doch zunächst einmal jenseits der französisch-deutschen Grenze der Schwarzwald durchquert werden. Nicht lange und sie konnte an der Autobahn nichts wirklich erschreckendes mehr finden. Aber nun war es zu spät. Kurve um Kurve fuhr sie durch eine an sich sehr schöne Landschaft, von der sie außer dem Asphalt vor sich so gut wie nichts wahr nahm. Es dämmerte langsam und bald schon wurde es in den engen Tälern dunkel. Täuschte sie sich, oder kamen ihr manche Kurven wirklich bekannt vor? Hatte sie die vorbeifliegenden Kirchtürme schon einmal gesehen? War sie nicht am Gasthof zum Wilden Hirsch schon dreimal vorbeigefahren? Nun, wahrscheinlich hießen die deutschen Gasthöfe alle gleich und die Kirchen waren alle im selben Stil erbaut. Aber standen da nicht immer wieder Menschen am Straßenrand, die sich erstaunt nach ihr umsahen? Hatte sie diese nicht auch bereits zwei- oder dreimal gesehen?

Um neun Uhr abends hatte sie ankommen wollen, spät genug, um sich noch um die Adresse der Schule und den Anfahrtsweg dorthin am anderen Morgen zu kümmern, das fiel ihr nun plötzlich auf. Und nun war es bereits nach zehn und die Kurven nahmen kein Ende und schon wieder war sie an einem Gasthof zum Wilden Hirsch vorbei gefahren und die kleine Frau im grauen Kostüm und dem auffallenden Hut, die auf einer Bank an der Bushaltestelle saß und ihr zuwinkte, hatte sie mit Sicherheit nun schon zum dritten Mal gesehen. Sie musste es sich eingestehen, sie hatte sich hoffnungslos verfahren. Sie würde es nicht mehr schaffen, bei Dunkelheit diese wilde Gegend zu durchqueren und wer wusste schon, was ihr im Lauf der Nacht dort noch alles begegnen würde. Und einen Schlüssel für ihre Unterkunft besaß sie auch nicht, am Ende würde sie dann mitten in der Nacht vor verschlossenen Türen stehen und müsste die Nacht im Freien oder im Auto verbringen. Nein, dann doch lieber zurück in heimatliche Gefilde. Frankreich fand ihr kleiner Clio sicher fast von selbst.
Und wirklich, nur noch einmal fuhr sie am Gasthof zum Wilden Hirsch und an der kleinen grauen Frau im großen Hut vorbei und bald schon überquerte sie die Grenze, diesmal in anderer Richtung.
Jetzt wollte sie nur noch in ihr Bett. Wie sie erklären sollte, dass sie am nächsten Morgen den abgemachten Ankunftstermin in der deutschen Schule nicht einhielt, das würde sie sich überlegen, wenn sie dann dort war. Falls sie überhaupt noch einmal in ihr Auto steigen würde, um die Reise ins ferne Deutschland erneut zu versuchen.
Im Traum fuhr sie Kurve, um Kurve, endlose Wälder mit wilden Hirschen und grauen Frauen erstreckten sich vor ihr. Kirchtürme, einer genau wie der andere, nur an einem von ihnen war ein großer Hut hängen geblieben, säumten die Straße und am schwarzen Himmel über dem Wald prangte ein großes rotes A auf weißem Grund.

 

Hallo,

Florence wollte Lehrerin werden.
Sie war in einem kleinen französischen Dorf, nahe der deutschen Grenze aufgewachsen und hatte schöne Erinnerungen an Schulferien mit den Eltern in Deutschland. Also wollte sie Deutsch-Lehrerin werden.
Die Hälfte des Studiums war nun um und ein zweiwöchiges Praktikum an einem deutschen Gymnasium war nicht mehr zu umgehen.
Lust und Zeit für großartige Vorbereitungsmaßnahmen hatte Florence nicht, aber was sollte schon schief gehen bei einem kurzen Aufenthalt im bekannten Deutschland.
Das ist ein Berichts-Stil. Nichts ist in Szenen aufgelöst, sondern es wird aus zweiter Hand berichtet. Wir erfahren nichts Bildlich-Sinnliches über Florence, sondern bekommen kalte Fakten serviert.
Und das ist dann nicht einmal hübsch aufbereitet, sondern in schwachem Gebrauchsdeutsch: „schöne Erinnerungen an Schulferien mit den Eltern in Deutschland“ – da steckt nichts drin außer der banalen Information, „schöne Erinnerungen“ – was soll das sein? Was hat ihr gefallen? Die Landschaft? Die Leute? Das Essen? Dass sie mit ihren Eltern zusammen war, die sie sonst wenig gesehen hat?

Eine Unterkunft in einem vorübergehend leerstehenden Zimmer einer Wohngemeinschaft irgendwo im näheren oder weiteren Umkreis der Schule, deren Adresse sie noch nicht bekommen hatte, war bald gefunden
Und das ist schon ein zweites Hauptproblem des Textes. Die Sprache ist unmelodisch und gar fürchterlich. Vorübergehend leerstehendes Zimmer einer Wohngemeinschaft irgendwo im näheren oder weiteren Umkreis der Schule … war bald gefunden.
Was soll das denn sein? Was ist denn das, bei Licht betrachtet, auch für ein sprachlicher Unsinn? Sie hat eine Unterkunft gefunden in einem vorübergehend leerstehenden Zimmer einer Wohngemeinschaft? Bitte? Es war ja wohl VORHER leerstehend, bis sie da eingezogen ist. Und wen schert das überhaupt? In welches Zimmer sollte sie sonst einziehen? Wohl kaum in ein „nicht leerstehendes“. Und die Information, das Zimmer befinde sich „im näheren oder weiteren Umkreis der Schule, deren Adresse sie noch nicht bekommen hatte“ – Was ist denn ein näherer oder weiterer Umkreis? Das ist eine Nullinformation. Sie sucht sich eine Wohnung, ohne den Standort der Schule zu kennen?

Vor wenigen Wochen hatte Florence die Fahrprüfung bestanden, besaß auch schon seit einiger Zeit einen kleinen gebrauchten Renault Clio und war nun endlich stolze Eigentümerin des lange ersehnten roten A auf weißem Grund, das am Heck des blauen Kleinwagens prangte, um alle anderen Verkehrsteilnehmerin vor der Fahranfängerin zu warnen.
Viel zu viele allerwelts Adjektive. „Wenigen Wochen“, „einiger Zeit“ – das sind auch solche Nullinformationen, „kleinen gebrauchten Renault Clio“ – ein Renault ist immer klein, „stolze Eigentümerin“ ist eine langweilige, weil viel zu häufig benutzte Wendung – „lang ersehntes rotes A auf weißem Grund an blauem Kleinwagen“ – viel zu viele Farben für so ein fades Bild. Der Text wird dadurch unnötig zäh und langweilig.

Die Erzählstruktur, die Perspektive muss viel lebendiger sein, vom ersten Satz an, und sprachlich geht das so gar nichts. Der Text hat nichts Literarisches an sich.

Gruß
Quinn

 

Hallo mafalda,

also irgendwie habe ich nach dem Titel eine ganz andere Geschichte erwartet ... eben eine, die sich mit der gesellschaftliche Entwicklung des Praktikantendaseins beschäftigt. Statt dessen lese ich eine Geschichte, von einer Studentin die endlich ein Auto hat und damit verkehrt in der Welt umher fährt. Und am Ende frage ich mich, hatte sie denn kein Geld für einen Autoatlas oder genügend Deutschkenntnisse um nach dem Weg zu fragen?

Das einzige was hier in die Rubrik Gesellschaft für mich passt, ist der Titel, die Geschichte selbst könnte auch gut unter Sonstiges stehen.

Oder war es Dein Ziel, mit dieser Geschichte all die Praktikanten aufs Korn zu nehmen, die zu dusselig sind, sich im Alltag zu behaupten? :hmm: Da bräuchte es m.M.n. es etwas mehr, als ein rotes A und keinen Straßenatlas.
Da bräuchte es mehr Fingerspitzengefühl, damit der Leser Dir freundlich gewogen bleibt. Denn das zu Verallgemeinern - Praktikanten sind unfähig (und genau darum geht es hier, so wie es dasteht) - da sind sicher erst Mal nicht viele Leser auf Deiner Seite. Ich zum Beispiel, mag diesen Ansatz gar nicht ;).

Also, entweder neuer Titel + andere Rubrik, oder - wenn es tatsächlich ein Text ist, der sich gegen Praktikanten richtet - dann sollte es etwas mehr sein.

Wäre schön, wenn Du auf die Kommentare antworten würdest, ist ja nicht böse gemeint, was die Leute so schreiben. Aber so ohne eine Reaktion, da weiß man doch gar nicht, ob Du das hier liest, Dich damit auseinandersetzt, ob man es vielleicht für den Papierkorb geschrieben hat - und ehrlich, dann fände ich es Schade um meine Zeit. Du musst es ja nicht gut und richtig finden, aber so ein kleines ... - na Du weißt schon ;).

Beste Grüße Fliege

 

So oder doch so ähnlich müssen sich die die Legionäre gefühlt haben, als sie anno tobac von Germania superior den Rhein Richtung Germania magna überquerten,

liebe mafalda – herzlich willkommen hier auf kg.de!,

aber heutigentags sind die Unterschiede zwischen Vogesen (älter: „Wasgenwald“, teutscher als der Teutoburgerwald, da hier entscheidende Phasen* unseres Gründungsmythos stattgefunden haben): und Schwarzwald, Alsace und Baden nicht annähernd so groß wie vor nahezu zwo Jahrtausenden -

nur versteht man etwas anderes unter der „Generation Praktikum“ -Fliege hat bereits angedeutet - als eine Studentin, die gerade mal zwo „praktische“ Wochen an einem Gymnasium verbringen müsste und aufgrund der buchstäblichen UnERFAHRENHEIT bei der Anreise vom Elsass in den Schwarzwald überfordert wird. Tatsächlich ist die Generation P. Nachfolge der Generation X und bezeichnet die jungen Leute, die sich von Praktikum zu Praktikum hangeln in der Hoffnung, endlich einen ordentlichen Job zu erhalten, die aber als billig(st)e Arbeitskräfte ausgebeutet werden, was natürlich nicht ausschließen kann, dass Mlle. Florence nicht eines Tages in diese Tretmühle geraten kann, was ich aber bei Lehrern für eher unwahrscheinlich halte. Genug der langen Einleitung:

Der Text wird – bis auf kleinere Mängel, aber wer hätte die nicht? – solide und unaufgeregt erzählt, kann aber wahrscheinlich auch niemand so recht aufregen (außer Q natürlich, der sich aber nicht unbedingt unrecht hat, aber auch das solltestu nicht tragisch, schon gar nicht krumm nehmen, er hat keinen Schatten und kann deshalb schon nicht darüber hinwegspringen). Was besonders unlogisch wirkt ist, dass Florence nicht die Adresse der Praktikumsstelle weiß und doch im weiteren Umkreis ein Zimmer beziehen will. Da sollte man doch aufatmen, dass sie diese Adresse nicht findet. Aber kann es sein, dass ihr die Adresse ihrer Praktikumsstelle eben nicht genannt wurde, wohl aber der Name des Gymnasiums?

Ich ließe zudem die Marke des Kleinwagens weg. Wir sind schon Litfaßsäulen genug, wenn wir Konfektionsware tragen und brauchen nicht noch Reklame zu schreiben Dreckschleudern ob mit oder ohne Katalysator.

Was Du unbedingt ändern müsstest, wäre >zuende<, da auseinander und zwar „zu Ende“ zu schreiben –

und rechtzeitig, bevor ich schließe, fällt mir ein und zugleich auf, dass es zwar kurvenreiche Strecken im Schwarzwald gibt und wildes Getier wie Rotwild, aber eine Serie von Gasthöfe/-stätten Zum Wilden Hirsch, zudem an der gleichen Strecke? Wüsst’ ich nun nicht.

Florence hat schlichtweg Angst, fürchtet sich vor einer neuen erFAHRUNG und fährt von Anfang an in einem Albtraum immer im Kreis wie der Hamster im Laufrad, was ihr selbst noch auffällt – denn nur im letzten Teil weiß sie es.

Bleibt zu hoffen, dass die Angst sie nicht auffresse.

Gruß

Friedel

* Gemeint sind Waltharilied und Sivrittragödie, in beiden spielen Gundahar/Gunther/Gunnar und Hagen/Högni bedeutsame Rollen, der eine Chef der Nibelungen, die nix anderes sind als die Burgunder, der andere als deren Bundeskanzler – wenn ich’s mal so sagen darf.

 

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