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Georgs Geburtstag

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31.08.2008
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Georgs Geburtstag

Hatte er an alles gedacht? Der Seesack war bis oben hin voll. Immer wieder war er unschlüssig, zögernd. Er mußte sich zusammenreißen, stopfte noch einen Pullover hinein und verschloß ihn mühsam. Ölzeug und Schlafsack hatte er schon eingepackt, dazu Wäsche für einige Wochen. Einen Kurzwellenempfänger. Bücher. Ein Adressbuch mit Telefonnummern. Das Takelmesser. Es war schon nach Mitternacht; er spürte, daß er schlafen gehen sollte.

Dies war der letzte Abend vor der Reise – einem Segeltörn, der Georg für einige Wochen in die Ostsee führen sollte. Aus der engen Wohnung in Hannovers Univiertel, in die sich nur selten ein Sonnenstrahl verirrte, in die Weite, wo nur Himmel und Wasser auf die Sinne wirkten, wo das gleichmäßige Rauschen des Bootes in den Wellen ihn umfing, bis er eins wurde – mit den Wellen, dem Himmel, der Welt.

Bis dahin waren es noch eine Nacht und ein halber Tag Anreise, mit dem Bus zum Bahnhof, dann mit dem ICE nach Hamburg und weiter mit dem Regionalexpress nach Kiel. Dort lag, unweit des „Millionenbeckens“, wie die Kieler diesen Hafen nannten, wo vor dem feinsten Yachtclub die Reichen und die Schönen ihre Rennyachten ausstellten, sein Folkeboot. Es war ein kleines unauffälliges Segelboot aus Holz, wie sie zu hunderten im Ostseeraum gesegelt werden.

Georg rechnete: Eine Stunde für das Aufstehen und Frühstücken, eine Stunde für den Weg zum Bahnhof, eine Viertelstunde zur Sicherheit, falls er den Bus verpasste. Machte zweieinviertel Stunden. Der ICE fuhr um zehn Uhr sechsunddreißig. Georg stellte den Wecker auf viertel nach acht und ging in das Bad.

Georg dachte an seinen Segeltörn. Er zog es vor, es langsam angehen zu lassen. Die Schlei oder Fehmarn als erstes Ziel anzulaufen würde bedeuten, dass er gleich am ersten Tag in die Nacht segeln musste. Er hatte sich bei seinem Freund in Möltenort angekündigt und wurde zum Nachmittagskaffee erwartet. Möltenort lag ebenfalls in der Kieler Förde, eine Segelstunde in Richtung Ostsee. Bei gutem Wind könnte er gegen vier Uhr dort eintreffen. Dort übermorgen früh aufzubrechen, bedeutete bessere Startbedingungen: Er konnte es bei gutem Wind bis Dänemark schaffen. Während er die Zähne putzte, sendete der Deutschlandfunk den Seewetterbericht. Er versprach leichten, nachmittags auffrischenden Wind aus Südwest – ideal, um Kiel in Richtung Ostsee zu verlassen.

In der Nacht wachte Georg auf. Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass etwas falsch war. Aber was? Hatte er etwas vergessen? Auch zweifelte er plötzlich an der Windvorhersage des Seewetterberichtes. Was wäre, wenn der Wind schwach bliebe und er erst abends in Möltenort ankäme? Den Nachmittagskaffee mit seinem Freund und dessen Familie wollte er sich nicht entgehen lassen. Er griff nach dem Wecker und stellte ihn eine Stunde vor. Es hatte etwas erlösendes; nun konnte er wieder schlafen.

Am nächsten Morgen trug Georg sein Gepäck, den schweren Seesack und eine Reisetasche, zur Bushaltestelle. Er schaffte es, wie nachts geplant den früheren Zug zu erreichen. Da er nicht mit dem gesamten Gepäck durch den Gang gehen konnte, ging er mit der Reisetasche vor, wählte einen Sitzplatz nahe dem Ausgang und holte den Seesack nach. Geschafft!
Im Zug hatte er ein anregendes Gespräch mit einem Passagier, der ihn wegen des Seesacks angesprochen hatte. Sie sprachen über das Segeln, diese intensive, völlig andere Art zu leben, zu sein.
Der Zug ratterte laut bei zweihundert Stundenkilometern. Unruhig zappelte er im Gleisbett; dabei war es noch lange nicht die Höchstgeschwindigkeit. Weite Landschaft zog vorbei, dann ein Ort, eine weiße Halle, eine Brücke, Siedlungshäuser, mit einem lauten Windstoß kam ein ICE entgegen – es war zehn Uhr, in einer Stunde käme der nächste ICE hier vorbei, würde ebenfalls genau hier dem entgegenkommenden Zug aus Hamburg begegnen. Ohne Georg, die Bewohner würden wieder den selben Lärm erleben, wie alle Stunde jahraus, jahrein.

In Hamburg stieg Georg in den Vorortszug um. Die schmutzigen Waggons mit dem Graffiti, den verdreckten Toiletten und dem lauten Gerappel ließ sich leicht hinnehmen, wenn er ihn zu einem Urlaub auf dem Meer führte. Die Fahrt in Deutschlands nördlichste Landeshauptstadt erinnerte auch heute noch an die Worte des Kaisers, der vor über einhundert Jahren hierher gereist war und zur Begrüßung nur gesagt hatte: „Lange nich in der Provinz jewesen.“ Genau dort wollte Georg nun hin, dann zum Boot, Gepäck verstauen, aufklaren, lossegeln…

Jürgen hatte sich früh vom Schreibtisch losgerissen, war die Uferstraße entlang gefahren und hatte während der Fahrt mit einem Blick in den Jachthafen gesehen, daß Georg schon unterwegs war; sein Boot lag nicht mehr an seinem Platz. Nun fuhr er, ausnahmsweise vor dem Feierabendverkehr, nach Hause. Dafür mußte er einmal um die Kieler Förde fahren, wo Georg gerade zu ihm segelte. Er dachte zurück an das letzte Segelabenteuer mit ihm: sie waren bei Windstärke neun aufgebrochen, ein bißchen in die Ostsee zu schnuppern – eigentlich Sturm, einige wenige Boote liefen ein, während sie beide mit Sturmfock und Trisegel hinausfuhren. Draußen erwartete sie eine See von zwei bis drei Metern; sie stampften gegenan, das Boot fiel geradezu in die Wellentäler, um dann von den Wellen wieder empor geworfen zu werden. Gewaltig wirkte das, schwer – aber auch ruhig und sicher. Sie fuhren reibungslos die Wendemanöver, das Boot nahm Gischt über, aber noch keine schwere See; es war alles im Griff. Erleben pur, sie strahlten sich an. Die „Germania VI“ lief ein, das hellgrüne Flaggschiff des Krupp-Konzerns, ebenfalls unter knapper Sturmbesegelung. Eine große moderne Yacht kam ihnen entgegen, sie surfte auf den Wellen und sprang fast in die Luft, wenn sie auf einem Wellenkamm stieg. Dabei wurde sie jedesmal in eine weiße Wolke aus Gischt eingehüllt. Jürgen schoß ein paar Fotos. So etwas gab es nur mit Georg zu erleben.

Im Autoradio hörte Jürgen von einem schweren Bahnunglück, aber man wußte noch nichts Genaues. Die Reporter kündigten an, sich wieder zu melden, wenn Einzelheiten bekannt werden. Zu Hause angekommen setzte Jürgen Teewasser auf und sah aus dem Küchenfenster nach Süden. Die Sonne glitzerte auf dem Wasser, der Himmel leuchtete in zartem Hellblau. Friedlicher, verheißungsvoller Frühsommer. Ein Boot fiel ihm auf, das mit achterlichem Wind geradenwegs auf den Möltenorter Hafen zu hielt: das könnte er sein. Ein Griff zum Fernglas, das bei ihm immer im Fenster steht: ja, er ist es. Höchste Zeit, die Sahne zu schlagen.

Wenig später stand Georg in der Tür, in weißen Turnschuhen und Hemd, in Urlaubslaune. Sie begrüßten sich herzlich; Jürgen entschuldigte sich: „Normalerweise mache ich nicht den Fernseher an, wenn Gäste im Haus sind. Aber da ist ein Bahnunglück passiert; ich möchte nur kurz reinschauen, was da los ist, dann können wir draußen auf der Terrasse Kuchen essen.“ „Okay, natürlich … macht mir nichts aus.“ Sie setzten sich, das Geflimmer verdichtete sich zu einem Bild, lange, weiß-rot gestreifte Streichhölzer lagen da wild kreuz und quer neben- und übereinander in der Landschaft, der Reporter saß offensichtlich in einem Hubschrauber, von dort konnte er anscheinend nur die Bilder kommentieren, erfuhr jedoch nichts von den Ermittlungen, von vielen Toten war die Rede, man sah eine eingestürzte Brücke, die mehrere Waggons unter sich begraben hatte. Schließlich zurück ins Studio: der Moderator berichtete, daß der ICE auf der Strecke von München nach Hamburg gewesen sei, daß er zehn Uhr sechsunddreißig Hannover verlassen hätte und um elf Uhr bei Eschede entgleist sei.
Georgs Gesicht wurde starr, fassungslos sah Georg Jürgen an: „Das ist mein Zug! Den hatte ich nehmen wollen! Ich habe mich erst nachts entschieden, doch einen Zug früher zu nehmen.“
„Na dann … herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Georg!“

Epilog: Beim Unglück in Eschede am 3. Juni 1998 starben 101 Menschen, 88 wurden schwer verletzt. Der entgegenkommende Zug aus Norden war zwei Minuten verspätet, sonst wäre er genau im Augenblick des Unglücks mit dem entgleisten Zug kollidiert. Georg starb 2008 beim Waldlauf an einem Herzinfarkt.

 

Hallo Set!
Ich weiß nicht so recht, was ich von der Geschichte halten soll. Es wird schon rasch klar, dass etwas passieren wird, so akribisch, wie Du Georgs Vorbereitungen, seine Gedanken und seine Vorfreude beschreibst. Doch ich habe einfach keine Spannung aufkommen fühlen. Auch nicht, als Jürgen von dem Unglück im Radio hört. Da habe ich gedacht: Es wäre jetzt zu einfach, wenn Georg in dem Zug gesessen hätte. Sind es zu viele Nebenbaustellen, die ablenken, ich kann es nicht richtig packen, denn insgesamt habe ich die Geschichte ganz gerne gelesen. Vielleicht wolltet Du aber auch zeigen, von welchen Banalitäten ein Leben abhängen kann und wie zufällig Dinge geschehen, doch auch da fehlt mir was. Mehr fällt mir aber jetzt nicht ein.
LG,
Jutta

 

Hallo Setnemides,
tut mir leid, mit der Geschichte kann ich nicht viel anfangen. Sprachlich finde ich sie misslungen, teilweise kitschig („bis er eins wurde – mit den Wellen, dem Himmel, der Welt“), teilweise einfach zu lang und überflüssig (was bitte soll das Kaiser-Zitat???).
Der Dialog zwischen den Freunden ist künstlich, die (ausbleibende) Reaktion auf das Zugunglück („Okay, natürlich … macht mir nichts aus.“) wirkt deplaziert und die Geburtstagsglückwünsche am Ende schon fast zynisch.
Und dann stirbt Georg zehn Jahre später beim Waldlauf – so what?
Einzig die Segelatmosphäre hat mir gut gefallen – da scheinst Du Dich gut auszukennen, schreib doch eine Seefahrergeschichte, würde ich gerne lesen!
Viele Grüße
TeBeEm

 

hi Setnemides,
auch mir war klar, dass irgendwas passieren würde, ich finde allerdings, das du einen tollen schreibstil hast, gut leserlich und auch wenn ich nichts vom segelns verstehe, hat es mir spaß gemacht, das zu lesen.
Das mit zug finde ich ganz okay... das drumherum gefällt mit besser.
kennst du das buch "zwei wege in den sommer"?? das wäre was für dich! =)
Gruß,
Johanna

 

Hallo, liebe Kritiker,

es ist, wie es ist. Hat ihn seine Langsamkeit beschützt, dieses eine Mal noch?
Was ist gefährlicher, bei Windstärke neun auf die Ostsee zu fahren oder in einen modernen Zug zu steigen? Warum fühlt es sich nördlich von Hamburg immer noch so an wie vor einhundert Jahren? Warum sind so verschiedene Welten so dicht beieinander, der saubere ICE und der verdreckte Regional-Express, das Sitzen im Zug und das Segeln im Boot, das Verspeisen von Erdbeeren mit Sahne und zerquetscht unter einer Brücke zu liegen?

Ich fand, es lohnt, die Geschichte aufzuschreiben. Ob sie es wert ist, gepostet zu werden, weiß ich nicht. Es war den Versuch wert.

"Georgs Folkeboot": Textstelle geändert.

"zwei wege in den sommer": ist bestellt.

Vielen Dank an alle,

Set

 

Hallo Set,

interessante Aufarbeitung der Geschichte aus Georgs Sicht und aus Sicht seines Freundes, der auf ihn wartet.

Am Anfang hat mich die Aufzählung der Vorbereitungen ein bisschen gestört, da war mir zuviel "erst das, dann das" usw., irgendwie zuviele Details.
Ich wüsste aber auch nicht, wie ich es anders geschrieben hätte.

Die Segelatmosphäre dagegen bringst Du gut rüber, da können sich Segellaien wie ich richtig einfühlen.

Allerdings ist auch mir der Satz mit dem herzlichen Glückwunsch zu platt, irgendwie der Tragik unangemessen.
Aber was hätte ich an Jürgens Stelle gesagt? Schwer vorstellbar, die Situation. Da kommt der Freund fröhlich zur Tür rein, aber wäre er eine Stunde später in den Zug gestiegen, würde er vielleicht nicht mehr leben.

Das Leben hängt von so vielen Zufällen ab, manchmal klappt's und manchmal nicht, man hat es nicht in der Hand.

Liebe Grüße
Giraffe :)

 

Hallo Set,


am Anfang hat mir die Story ein wenig gelangweilt... ich wusste nicht warum du mir das alles erzählst... gegen Ende kommt aber dann doch etwas spannung auf. Ich finde du führst den Leser gekonnt in die Irre. Ich dachte mir jedenfalls, er stirbt beim Segelunglück (irgendwann war an dem Schreibstil klar, dass etwas Schlimmes passiert), dass es aber dann doch der Zug ist, den er knapp entkommt, find ich gut. Vom Segeln habe ich leider keine Ahnung, insofern haben mir diese Segelsachen eher verwirrt...
Vielleicht könntest du gleich zu Beginn etwas spannenderes passieren lassen, um die Geschichte gleich von Anfang mehr Schwung zu geben. So nimmt sie für mich nur langsam Fahrt auf.
Fands nicht schlecht.

mfg,


JuJu

 

Hallo Setnemides,

in der Geschichte geht es darum, dass der Protagonist per Zufall dem Tod entgeht, das ganze wird verpackt in eine Segeltörn-Geschichte, der Rückblick auf früher Erlebtes zeigt, wie wichtig das gemeinsame Segeln für die Freunde ist.
Der zentrale Punkt, das Unglück, der Zufall als Lebensretter, geht in dem Text leider unter. Das liegt zum Teil an der distanzierten Erzählweise; ein Ich-Erzähler, ein dramatischeres Erkennen des Noch-einmal-davon-gekommen-seins (zeitnah erlebt), hätte dem Text sicher gut getan.
Einen interessanten Ansatz bietet die Geschichte, wenn man den Gegensatz Naturgewalt/Technik gegenüberstellt: Die Aufgewühlte See wird als „ruhig“ empfunden, der sichere Zug birgt (zumindest im Nachhinein) Gefahren. In der Praxis ist das Meer aber genauso unberechenbar wie die Technik, deshalb ergibt sich kein besonderer Kontrast beim Vergleich der beiden Gefahren.
Gegensätzlichkeit ist aber grundsätzlich ein gutes dramaturgisches Mittel, so könnten zwei Personen das gleiche Ziel haben, der zufällige Zeitunterschied von einer Stunde macht dann den Unterschied zwischen Leben und Tod aus …
An sich eine gute Thematik (gut die Verknüpfung mit einem reellen Ereignis), auch die Segelsequenz ist recht ansprechend, insgesamt kommt aber der Effekt des Aufatmens zu kurz.

Noch einige Änderungsvorschläge:

„Immer wieder war er unschlüssig, zögernd. Er mußte sich zusammenreißen, stopfte noch einen Pullover hinein und verschloß ihn mühsam.“


Immer wieder war er unschlüssig, zögernd, mußte sich zusammenreißen, stopfte noch einen Pullover in den Seesack und verschloß ihn mühsam.

So ‚spart’ man ein „er“, der Bezug von ‚verschließen’ auf ‚Pullover’ wird vermieden. Es wird nicht deutlich, unter welchem Stress er steht, so das er sich „zusammenreißen“ muss.


„Aus der engen Wohnung in Hannovers Univiertel, in die sich nur selten ein Sonnenstrahl verirrte, in die Weite, wo nur Himmel und Wasser auf die Sinne wirkten“

Aus der dunklen Wohnung in Hannovers Univiertel, in die Weite, wo nur Himmel und Wasser auf die Sinne wirkten (wirken? Wie angegeben wird der Satz kürzer und weniger verschachtelt)

„bis er eins wurde – mit den Wellen, dem Himmel, der Welt.“

Klingt sehr pathetisch …


„Dort lag, unweit des „Millionenbeckens“, wie die Kieler diesen Hafen nannten, wo vor dem feinsten Yachtclub die Reichen und die Schönen ihre Rennyachten ausstellten, sein Folkeboot.“

Unweit des „Millionenbeckens“, wie die Kieler den Hafen mit all den Rennyachten der Reichen nannten, lag sein geliebtes Folkeboot. (Reichen und Schönen – ist arg abgenutzt)


„aufklaren, lossegeln…“

aufklaren, lossegeln …


„sie stampften gegenan“

sie stampften dagegen an


„gewaltig wirkte das, schwer – aber auch ruhig und sicher.“

Schwer – in welchem Sinne?

„keine schwere See; es war alles im Griff“

keine schwere See; sie hatten alles im Griff


„So etwas gab es nur mit Georg zu erleben.“

Vielleicht: konnte man nur


Tschüß,

Woltochinon

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Set,

dann will ich auch was dazu sagen, obwohl schon alles gesagt sein könnte.

Das soll's geben, dass jemand einem kollektiven Unglück entgeht, trotz oder - wie ich meine - gerade wegen der präzisen Reisevorbereitung. Da kann man sich glücklich schätzen, durch Reisefieber die Planung geändert zu haben, denn dass Georg gerne oder auch zwanghaft seine Expedition(en) plant, stellst Du "haarklein" dar (Form = Inhalt).

Du hast Dich nahezu zu einem Erzähler/Archivar der jüngeren deutschen Geschichte entwickelt (zuletzt "Krisensitzung") - mit kleineren Abstechern in die weiter zurückliegende Geschichte (bis hinein in Stein- und Bronzezeit). Zur Präzision Deiner Sprache hat Are schon einiges gesagt. Darüber ist meine Kleinkrämerseele betrübt, hat sie doch nur ein Komma vermisst (was Schnitzer ihrerseits nicht ausschließt): >Er schaffte es, wie nachts geplantKOMMA den früheren Zug zu erreichen<, dass man sich Zeit für anderes nehmen kann.

So ist "verirren" (in >Aus der engen Wohnung in Hannovers Univiertel, in die sich nur selten ein Sonnenstrahl verirrte, in die Weite, wo nur Himmel und Wasser auf die Sinne wirkten, ...<) m. E. nicht der richtige Ausdruck. Schon die vereinfachende Modellvorstellung stellt sich den Sonnenstrahl als geradlinig vor, der gerade mal gebrochen werden kann bis hin zur Reflexion und so seine Richtung ändern wird. Verirren ist aktiv, der Strahl aber wird von der Sonne gesandt (passiv). Vielleicht wäre "hineinstahl" oder besser, um den vielleicht unangemessenen Reim zu vermeiden, "hineinstehelen konnte" der bessere Ausdruck.

>Es war ein kleines unauffälliges Segelboot aus Holz, wie sie zu hunderten im Ostseeraum gesegelt werden.< Was sollten Segelboote besseres tun als "segeln"? Vielleicht besser " ..., wie sie zu hunderten den Ostseeraum befahren."

Dann zu den würde-/Konjunktiv-Konstruktionen:

>Die Schlei oder Fehmarn als erstes Ziel anzulaufen würde bedeuten, dass er gleich am ersten Tag in die Nacht segeln musste.< Vielleicht besser "Die Schlei oder Fehmarn als erstes Ziel anzulaufen bedeutete, dass er gleich am ersten Tag in die Nacht segeln musste<, wobei die mögliche Verwechselung der Zeiten wurscht sein kann, muss doch etwas, dass es realisiert werde, erst einmal möglich sein (wie kommt denn hier der Tillich mit seiner Theologie in meinen Schädel?).

> – es war zehn Uhr, in einer Stunde käme der nächste ICE hier vorbei, würde ebenfalls genau hier dem entgegenkommenden Zug aus Hamburg begegnen. Ohne Georg, die Bewohner würden wieder den selben Lärm erleben, wie alle Stunde jahraus, jahrein.< Vielleicht: "– es war zehn Uhr, in einer Stunde käme der nächste ICE hier vorbei, begegnete genau hier dem entgegenkommenden Zug aus Hamburg. Ohne Georg, die Bewohner würden wieder den selben Lärm erleben, wie alle Stunde jahraus, jahrein.<

> ... der Moderator berichtete, daß der ICE auf der Strecke von München nach Hamburg gewesen sei, daß er zehn Uhr sechsunddreißig Hannover verlassen hätte und um elf Uhr bei Eschede entgleist sei.< Besser " ... daß er zehn Uhr sechsunddreißig Hannover verlassen habe und um elf Uhr ...", da ein Abrutschen von Konj I (indirekte Rede) nach Konj II nicht notwendig ist: der Zug ist das abgefahren zu der Zeit.

Doch halt: ich sang zu Anfang das Loblied des Zufalls - und sei's Reisefieber und/oder Pingeligkeit. Doch was ist mit den Fällen, in denen man gerade durch den Zufall in schlimme Situationen gerät? Durch den Epilog wissen wir um Georgs Tod - trotz Gesundheitsfürsorge ...

So viel oder wenig für jetzt

Gruß

Friedel

 

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