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Gerechtigkeit

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18.05.2004
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Gerechtigkeit

Die letzten Jahre musste Toni immer den Umweg rund um das kleine Bergdorf nehmen, er konnte den Anblick des Friedhofs, des Grabes von Martin Steinwender einfach nicht ertragen. Doch in letzter Zeit traute er sich immer öfter, quer durch den Ort zu seinem Haus zu gehen. So wie an diesem Tag.
Gerade wollte er die Türe aufsperren, als ihn eine Stimme zusammenzucken ließ.
»Toni!«
Diese Stimme hatte er schon jahrelang nicht mehr gehört, er hatte gehofft sie nie mehr hören zu müssen. Toni hielt inne und ließ die Hand sinken.
»Hans«, erwiderte er tonlos. Zögernd drehte er sich um.
»Hans. Bist wieder zruck? Homs di ausselossn?«
Sein Gesicht war schmal geworden, der Körper ausgemergelt, hager.
»Wiast sigst. I bin wieda do.«
»Und wos wüllst jetzt von mir?«
»Wos i wüll? Wos i von dir wüll!? Warum host domols gsogt doss i...«
»I hob g’sehn wos i g’sehn hob! Und des hob i a dem Richter g’sogt!«
»An Dreck host g’sehn!«
Sie sahen sich an, ein paar Sekunden lang sagte keiner der beiden etwas.
»Kummst mit?«, fragte Hans unvermittelt, als Toni sich wieder umwenden wollte, um in seinem Haus zu verschwinden.
»Wohin soll i mitkummen?«, sah Toni ihn herausfordernd an.
»Aufn Berg. I muaß wos holn.«
Toni wurde misstrauisch. Was will er denn vom Berg holen?
»Do obn is wos, des du nia obegholt host«, beantwortete Hans die unausgesprochene Frage, »etwos des zagn werd wer den Martin umbrocht hot.«
Mit diesen Worten drehte sich Hans um und ging. Toni starrte ihm sprachlos nach. Was meinte er damit?
Hastig sperrte Toni die Haustüre auf, holte die Bergschuhe aus dem Schrank im Vorhaus, kramte noch das Seil heraus, und eilte Hans nach. Dieser war längst nicht mehr zu sehen, doch Toni wusste genau, wohin er ihm folgen musste.

Der Pfad zur Nordwand des Spitzkofels wand sich steil hinter dem Dorf durch den Wald. Hans war schon weit voraus, und Toni hatte Mühe ihm zu folgen. Die Erinnerungen an den Tag vor fünf Jahren kamen Toni wieder hoch. Mit Hans und Martin wollte er eine neue Route, die bisher noch niemand durchstiegen hatte, ausprobieren. Sie hatten den Klettersteig markiert und Haken gesetzt. In Gedenken an Martin wurde er später „Martin-Steinwender-Steig“ genannt.
Als Toni Hans einholen konnte, hatten sie die Baumgrenze weit hinter sich gelassen.
Hans schien erstaunlicherweise keine Probleme zu haben, den Berg in diesem Tempo hinaufzugehen. Toni konnte keinerlei Anzeichen von Erschöpfung erkennen.
»Wort, wos lafst denn so?«, rief Toni völlig außer Atem.
Hans ignorierte die Frage.
»Do homma üba die Anna g’redet. Du worst in sie verliebt. Und da Martin hot genau do g’sogt, doss er de Anna heiraten will. Genau do wors.«
Ohne das Tempo zu vermindern, eilte Hans weiter den Berg hinauf. Toni wusste nicht warum, aber er musste ihm folgen. Irgendwas führte er im Schilde. Wollte er wirklich da oben nach Beweisen suchen, jetzt, nach fünf Jahren? Oder wollte er ihn am Ende vom Berg stoßen? Ja, die Anna hatte er immer geliebt. Ja, er hatte gewusst, dass der Martin und die Anna zusammen waren. Und ja, er hatte den Gedanken nicht ausgehalten, dass die beiden eines Tages heiraten würden. Als Martin zu ihnen gesagt hatte, er würde am nächsten Sonntag die Anna zum Altar führen, da wusste er – es musste etwas geschehen.
An der Felswand hatten sie damals Rast gemacht. Hans sollte voraus klettern, Martin ihm folgen, den Schluss sollte Toni machen. So hatten sie es geplant. Doch Toni änderte die Pläne. In einem unbeobachteten Moment manipulierte er das Seil, mit dem Hans Martin sichern wollte.
»Losst’s mi zerst klettern«, hatte Toni den anderen zugerufen, und war schon in die Wand eingestiegen. Konzentrieren musste er sich damals, ja immer hinauf anstatt nach unten auf Martin sehen. Als Toni oben als Erster angekommen war, sah er die anderen Bergsteiger, die den Wanderweg von der hinteren Seite des Berges genommen hatten. Er wusste, dass Martin sich am letzten Stück schwer tun würde, die Überhänge hatten ihm schon immer Probleme bereitet. Toni hoffte, dass sein so schnell gefasster Plan aufgehen würde. Hans erreichte als Nächster die Kante am Gipfel, und setzte sich mit abgestützten Füssen hin, um Martin sichern zu können. Und tatsächlich, als Martin den Überhang erreichte, rutschte er ab und fiel in das Seil. Der Körper von Hans straffte sich. Die Stelle, an der das Seil eingeschnitten war, musste nun genau vor Hans liegen. Die anderen Bergsteiger wurden auf sie aufmerksam und eilten herbei. Das war die Chance.
»Hans. Wos mochst denn! Spinnst? Schneid des Seil net durch! Net!«
Verblüfft hatte sich Hans zu Toni umgedreht. In diesem Augenblick riss das Seil.

Toni kam an die Stelle, an der Martin den Halt verloren hatte. Auch heute noch, nach all den Jahren, konnte er den durchdringenden Schrei hören. Er überwand den Überhang und kroch über Kante. Hans saß schon oben unter dem Gipfel und sah in die Ferne.
»Fein host des gmocht. De ondern hom glabt, i schneid des Seil durch. Klor, auf mein Messa worn de Spurn drauf. Daham schneid i de Seil jo a mit mein Messa zrecht.«
Hans sah Toni an.
»Und meine Schuldn beim Martin solln da Grund gewesn sein, doss i erm umbring! Oba de hätt i schon zruckzohlt. Und da Martin hot des a g’wusst. «
Sein Blick wurde härter.
»Warum? Wos hob i da ton? Sog ma wenigst heut ins Gsicht, doss du den Martin auf’m Gwissn host!«
Toni brachte kein Wort heraus. Auf diesen Tag hatte er gewartet, diesen Tag hatte er gefürchtet. Der Tag an dem er sich zu rechtfertigen hatte. Er wollte etwas sagen, doch sein Hals war wie zugeschnürt, kein Wort brachte er heraus.
»Durt unterm Stan, tiaf in de Ritzn, do liegt DEI Messa! Mit DEINE Fingerabdrück. Und mit de Fosern vom Seil. Von mein Seil. De von da Polizei könnan damit olles beweisn. Hätt i des olles lei früha gwusst. Mei Leben, des hätt i gern wieder zruck. Sog ma jetzt anfoch, doss DU ihn umgebrocht host!«
Toni konnte sich nicht mehr halten. Das Messer. Er hatte es später nicht mehr finden können.
Alles brach jetzt aus ihm heraus. Er blickte zu Boden.
»Jo, i hob den Martin umbrocht. I hob des Seil ongschnittn. Der wollt ma de Anna nehmen! I hobs tuan miassn!«
Er blickte wieder auf. Doch Hans war nicht mehr zu sehen.
»Hans? Hans, wo bist denn?«

Die Stimme ließ ihn zusammenzucken.
»Und für des host uns do aufe g’jogt? Des hättst uns a unt’n sog’n können!«
Entgeistert starrte Toni auf Albin, den Dorfpolizisten, der in Begleitung von zwei anderen Beamten hinter dem Kreuz hervorkam.
»Albin, wos mochst du do?«, starrte er ihn überrascht an.
»Du host uns jo angruafn, wir sollt ma aufekummn, du host uns wos zum Martin zu sogn, wos Wichtigs.... Jo, und des host uns jo jetzt gsogt.«
Albin schob ein paar Steine beiseite und untersuchte die darunter liegenden Spalte.
»Und do hätt ma jo a des Corpus delicti.«
»I hob eich net gruafn. I bin mit ’n Hans aufe kummen. Da Hans hot mi aufe g’holt!«
»A so, da Hans. Es wor oba dei Stimm am Telefon. Dra di um. «
Die Handschellen klickten.
»Anton Mitteregger, i verhoft di wegn Mordes on Martin Steinwender.«
Verwirrt blickte sich Toni noch einmal um. Von Hans war keine Spur mehr zu sehen.
Albin drehte Toni um und sah ihm in die Augen.
»Übrigens, da Hans, der hot sie umbrocht. Vurgestern. In da Zelln hot a si aufghängt. Mit DEM bist sicha net aufe kummen.«

 

Hallo zusammen!

Ich war mir nicht sicher, ob ich die KG in "Mundart" reinstellen, da die Dialoge in Mundart gehalten sind, habe mich dann aber doch für die Rubrik "Krimi/Spannung" entschieden.

Es würde mich interessieren in wie weit die Mundart-Dialoge den Lesefluss hemmen bzw. verständlich sind.

Bin schon gespannt auf eure Rückmeldungen!

Grüße
Andreas

 

Hallo McMcDonald,

mich haben die Dialoge nicht gestört, obwohl ich schon ein, zwei Sätze gebraucht habe, mich an den Dialekt zu gewöhnen. Ich fand sie sogar sehr passend - immerhin spielt die Geschichte ja in den Bergen.

Die Geschichte selbst hat mir gut gefallen, obwohl ja ziemlich schnell klar war, dass Toni wohl der Mörder gewesen war und dass Hans jahrelang unschuldig im Gefängnis gesessen hat. Durch den Kniff mit dem Geist des verstorbenen Hans hat die Geschichte aber doch noch eine Wendung bekommen, die vorher so nicht abzusehen war. Doch, hat mir gefallen.

Irgendwo hast Du noch einen Zeitenfehler drin und ein, zwei Vertipper sind mir auch noch über den Weg gelaufen. Aber zum einen bin ich im Moment so müde, dass ich die bestimmt nicht mehr finde und zum anderen war's nicht so schlimm, als dass sie mir den Spaß an der Geschichte verdorben hätten. So gut, wie die Geschichte geschrieben ist, findest Du die Vertipper beim nochmaligen Lesen bestimmt selbst.

Viele Grüße
George

 

Hallo George,

Freut mich dass dir meine Geschichte gefallen hat!

mich haben die Dialoge nicht gestört, obwohl ich schon ein, zwei Sätze gebraucht habe, mich an den Dialekt zu gewöhnen. Ich fand sie sogar sehr passend - immerhin spielt die Geschichte ja in den Bergen.
Gut dass der Dialekt angekommen ist - und der Lesefluss nicht gelitten hat.

...obwohl ja ziemlich schnell klar war, dass Toni wohl der Mörder gewesen war...
Es war auch nicht meine Absicht das irgendwie verborgen zu halten - mir ist es mehr darum gegangen was Hans mit Toni vor hat.

Durch den Kniff mit dem Geist des verstorbenen Hans hat die Geschichte aber doch noch eine Wendung bekommen, die vorher so nicht abzusehen war. Doch, hat mir gefallen.
:)

Irgendwo hast Du noch einen Zeitenfehler drin und ein, zwei Vertipper sind mir auch noch über den Weg gelaufen....
Ich werde mich auf die Suche begeben.


Danke für deine Kommentare und viele Grüße
Andreas

 

Hallo McMcDonald,

die Dialoge sind gut geschrieben und passend. Auf Kärntnerisch? Die Geschichte wäre noch besser, wenn der Mord nicht so offensichtlich und leicht durchschaubar wäre. Inspektor Columbo müsste nicht auf den Spitzkofel steigen, um herauszufinden, was da passiert ist ;)

Die Schulden als Motiv, und der Ruf:

»Hans. Wos mochst denn! Spinnst? Schneid des Seil net durch! Net!«

sind gut ausgedacht. Aber wer sollte verstehen, was Toni schreit? Wenn Hans alles durchschaut hat, würde er doch versuchen, vor Gericht seine Sichtweise vorzubringen.
Dem würde man nachgehen, und herausfinden, dass Toni ein starkes Motiv hatte.

Außerdem sieht man, wenn ein Seil angeschnitten ist, oder? Man weiß auch nicht, wann genau das Seil reißen wird. Wenn es in der Geschichte Antworten auf diese Kleinigkeiten geben würde, wäre sie noch besser.

Schreiben im Dialekt ist schwierig, und du hast es sehr gut hinbekommen!

lg Fritz

 

Hallo Fritz!

die Dialoge sind gut geschrieben und passend.
Danke :)

Auf Kärntnerisch?
Stimmt genau!

Die Geschichte wäre noch besser, wenn der Mord nicht so offensichtlich und leicht durchschaubar wäre. Inspektor Columbo müsste nicht auf den Spitzkofel steigen, um herauszufinden, was da passiert ist ;)
Mein Hauptaugenmerk ist darauf gelegen, was Hans mit Toni anstellen will.

Die Schulden als Motiv, und der Ruf:
»Hans. Wos mochst denn! Spinnst? Schneid des Seil net durch! Net!«
sind gut ausgedacht. Aber wer sollte verstehen, was Toni schreit? Wenn
Hans alles durchschaut hat, würde er doch versuchen, vor Gericht seine
Sichtweise vorzubringen.
Dem würde man nachgehen, und herausfinden, dass Toni ein starkes Motiv
hatte.
Außerdem sieht man, wenn ein Seil angeschnitten ist, oder? Man weiß auch
nicht, wann genau das Seil reißen wird. Wenn es in der Geschichte
Antworten auf diese Kleinigkeiten geben würde, wäre sie noch besser.
Ja, die Anklage steht auf sehr wackeligen Beinen.
Vielleicht sollte ich es so darstellen, dass Hans denkt er sei schuld am Tod von Martin und dass er die letzten Jahre in der Psychiatrie verbracht hat.

Schreiben im Dialekt ist schwierig, und du hast es sehr gut hinbekommen!
Freut mich dass dir meine Geschichte gefallen hat!


Viele Grüße
Andreas

 

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