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Geschichte über eine Frau, mit der man glücklich werden könnte.

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02.03.2008
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Geschichte über eine Frau, mit der man glücklich werden könnte.

(inspiriert von Tom Waits)

Es war Winter.
Benjamin hatte vor drei Tagen seinen Geburtstag gefeiert.
„Gefeiert“ war übertrieben, er fand einfach statt, eher unbemerkt.
Zwar hatten ihm seine Freunde und seine Verwandtschaft alles Gute gewünscht, und all die anderen Floskeln, die einen an einem solchen Tag erwarten, zukommen lassen, aber von einer Feier war keine Rede.

„Ich könnte Urlaub machen...“, dachte er, „Irgendwo hinfahren, egal wohin, einfach die Zeit nehmen und in irgendeinen Bus einsteigen, schauen wohin er fährt....“
Und das tat er.
Er kaufte sich eine Fahrkarte für einen Bus der eine ziemlich lange Strecke zurücklegen würde, es war ihm wirklich egal wohin es gehen sollte, er wählte einfach den Bus der die weiteste Strecke fahren würde.

Er musste noch eine Stunde warten, bevor der Bus schließlich losfahren sollte.
Also sah er sich ein wenig genauer auf dem Busbahnhof um, der in seiner grauen Eintönigkeit sehr gut zu der Jahreszeit passte.
Benjamin entfernte sich also vom Schalter, begab sich nach draußen und schaute auf die Straße, die parallel zum Gebäude verlief. Kaum Verkehr, trotzdem laut und unreine Luft.
Auf einer Holzbank mit Stützen aus Industriebeton saß ein alter Mann, er trug einen braunen Filzhut, der vom Aussehen her noch älter schien als der Mann selbst.
Benjamin sah den alten Mann eine Weile an und sagte schließlich: „Ist Ihnen nicht kalt hier draußen? Drinnen gibt es doch auch Bänke, und da ist es in jedem Fall wärmer als hier...“.
„Entschuldigung?“, fragte der Mann, und es schien Benjamin, dass er wohl zu leise gesprochen haben musste, also wiederholte er seinen Satz etwas lauter:
„Ist Ihnen nicht kalt hier draußen? Drinnen...“,
„Ich hab Sie schon verstanden junger Mann, aber was glauben Sie denn was ich davon hätte, wenn ich die Mühe auf mich nehmen, und mich nach drinnen setzten würde?“
„Naja, wie gesagt, es ist nicht gerade warm hier draußen.“
„Kann sein, aber ich friere lieber als dass ich meine Tochter verpasse. Sie holt mich nämlich gleich hier ab.“
„Wird sie denn nicht in den Busbahnhof reingehen, wenn Sie nicht hier draußen sitzen? Sie weiß doch allem Anschein nach dass Sie auf sie warten, und wenn Sie nicht hier draußen sind, wird sie drinnen nach Ihnen suchen...“
„Ja natürlich weiß sie dass ich auf sie warte! Und natürlich würde sie auch hineingehen, aber junger Mann, Sie müssen verstehen, in meinem Alter will man kein Risiko mehr eingehen... kein unnötiges, und kein nötiges.“
„Was denn für ein Risiko?“
„Das Risiko, dass sie vielleicht doch nicht reingehen würde.“
„Aber wieso sollte sie denn nicht?“
„Was weiß ich, aber es wäre doch gut möglich, oder? Fährt hier vorbei, sieht mich nicht, und fährt einfach weiter. Nein, das kann ich nicht riskieren, sie wird jeden Moment hier sein, und im Auto ist es dann warm. Wird sicher nicht mehr lange dauern, bestimmt ist sie schon fast da, ja ganz bestimmt, nur noch ein paar Minuten...“
Benjamin war etwas verwirrt, aber nickte dem alten Mann trotzdem freundlich zu und ging wieder ins Innere des Busbahnhofs.
Er ging zu einem Zeitungsstand und kaufte sich eine Zeitschrift über Motorräder.
Nicht dass er etwas übrig hatte für Motorräder, aber er dachte das würde ihn auf andere Gedanken bringen.
Er setzte sich auf eine der blauen Plastik-Bänke und blätterte in dem Magazin herum.
Als er das nächste Mal auf seine Uhr sah, war es fünf vor zwölf – der Bus würde gleich losfahren.
Er stand auf, warf die Zeitschrift in einen Mülleimer und ging wieder nach draußen zur Straße, wo auch schon der Bus wartete.

Mit wenig Vorfreude stieg er ein, und als er dies tat, sah er nochmal nach links über seine Schulter.
Der alte Mann saß noch immer da, und wartete.
Er hatte mittlerweile seinen Hut abgenommen und dieser lag nun auf seinem Schoß.

Benjamin versuchte nicht mehr über den Mann nachzudenken und wandte sich zum Busfahrer. Er wollte einfach losfahren, nur möglichst schnell weg von hier.
Er zeigte dem Fahrer wortlos seine Fahrkarte, da er ganz genau wusste, jedes Wort von ihm wäre verschwendet gewesen, weil der Fahrer, egal was er auch sagen würde, mit irgendeiner frustrierten, knappen, ja sogar unfreundlichen Antwort angekommen wäre.
Auf diese Weise konnte er dies vermeiden so gut es ging.
Nachdem er seine Karte vorgezeigt hatte, begab er sich ans hintere Ende des Busses und setzte sich.
Er sah aus dem Fenster, sah den dreckigen Busbahnhof und schloss die Augen, hoffend dass der Bus bald losfahren und vielleicht ein Stück schneebedeckten Wald erreichen würde, damit er endlich wieder die Augen aufmachen konnte.
Der Bus, und mit ihm Benjamin, fuhren los.
Er öffnete seine Augen nicht.
Deshalb schlief er ein.
Als er aufwachte und seine Augen vorsichtig öffnete, wurde er nicht enttäuscht – sie fuhren gerade durch einen dichten, dunklen Wald mit Fichten, Tannen und ein paar Eichen, auch eine einzelne Birke glaubte er, schläfrig wie er war, zwischen den ganzen anderen Bäumen und dem Schnee der ringsum lag, zu erkennen.
Deswegen war er zufrieden.
Er schaute sich um.
Im Bus waren noch etwa zehn andere Leute, hauptsächlich Männer, die allesamt aussahen, als wären sie Karikaturen irgendeines Gebrauchtwagenhändlers, der Leute mit Freude ihres Geldes beraubte und es zu Hause stolz ihrem zwölf Jahre alten Sohn erzählten.
Die Frauen waren durchwegs ein Schatten ihrer selbst, überschminkt, überparfümiert, mit aufgezeichneten Augenbrauen und gefärbten Haaren.
Darum schloss er seine Augen wieder und schlief erneut ein.
Er wurde durch das abrupte Halten des Busses geweckt, und als er halb wach aus dem Fenster blickte, fand er sich in einer kleinen Stadt, direkt vor einem noch kleineren Café wieder.
Scheinbar war der Bus nun schon eine längere Zeit unterwegs und machte Halt, damit sich die Passagiere erholen konnten, bei Kaffee und Zigaretten.
Auch er stieg aus und ging in das Café.
Er setzte sich in die linke hintere Ecke an einen Tisch.
Es war recht gemütlich eingerichtet, mit kleinen runden Tischen, auf denen rot-weiß karierte Tischtücher ausgebreitet waren, Bilder von unbekannten Personen und hübschen Gärten an den Wänden, eines, und dieses gefiel Benjamin ganz besonders gut, zeigte einen Mann und seine Gefährtin an einem Lagerfeuer in einem Wald bei Nacht, vielleicht etwas kitschig, aber dennoch wunderschön.
Als er noch ganz vertieft war in dieses Bild, hörte er auf einmal eine Stimme neben sich sagen: „Was kann ich Ihnen bringen?“.
Er sah zu der Person, zu der diese Stimme gehörte auf, und sah die Kellnerin.
Es wäre eine Lüge zu behaupten, dass sie eine Schönheit war, doch sie hatte etwas unglaublich beruhigendes und, ja doch, schönes im wörtlichen Sinn an sich.
Er sah sie wohl etwas zu lange wortlos an, denn sie hob eine Augenbraue leicht an und sagte: „Verzeihung..?“.
Er fasste sich und bestellte einen Kaffee.
Dann sah er ihr nochmal aufmerksam ins Gesicht und erkannte eine kleine, kaum merkbare Narbe unter ihrem rechten Auge.
Er fragte sich, was wohl die Geschichte hinter dieser Verletzung war, und es war ein Makel, der sie nur noch anziehender und, auf unperfekte Weise, noch perfekter machte.
Sie lächelte ihn an, und er glaubte in diesem Lächeln das Schönste seit sehr langer Zeit gesehen zu haben.
Als sie sich umdrehte um seinen Kaffee zu holen, sah er ihr so lange nach, bis sie in der Küche verschwand.
Er dachte die ganze Zeit, während er wartete, über ihr Lächeln nach, es war so.... erfüllend, so als würde man nach einem kalten Wintertag eine heiße Dusche nehmen, doch alle Worte die ihm dazu einfielen, waren im Grunde nur lächerlich und klischeehaft, es war einfach mehr als man in Worte fassen konnte.
Sie brachte seinen Kaffee, lächelte ihn wieder an, und diesmal lächelte er zurück.
Als sie gegangen war, dachte er darüber nach, dass er doch hier bleiben könnte.
Er könnte sie doch einfach fragen, ob sie mal ins Kino gehen möchte, oder zum Essen.
Er könnte sich doch in dieser kleinen Stadt eine Wohnung mieten, alles hinter sich lassen, hier neu anfangen, er könnte doch hier wohnen, mit ihr, er könnte doch ein glückliches Leben haben.
Hier in dieser kleinen Stadt.
Durch das laute Hupen des Busses wurde er aus seinen Gedanken gerissen.
Er stand auf, legte Geld für den Kaffee auf den Tisch und verließ das Café.
Er stieg ein, setzte sich, und nach kurzer Zeit befanden sich wieder alle Passagiere im Bus und er fuhr los.
Er blickte aus dem Fenster zurück und sah wie sich das Café immer mehr zu verkleinern begann, es schien ihm, als würde sich der Bus mit unglaublicher Geschwindigkeit davon weg bewegen.
Er wandte seinen Blick nach vorne und sah die Leute an.
Sie hatten nichts, rein gar nichts von der Magie des Ortes, des Cafés und der wundervollen Kellnerin bemerkt.

Er blickte traurig und alles was er hören konnte war der Bus und der Klang der Reifen im Schnee.

 

ich hoffe einfach mal, dass ich diesmal eine halbwegs passende rubrik für die geschichte gefunden hab ;)

*angst vor mods*

 

Hallo f.s.,

unkommentiert steht sie hier rum, Deine Story über die unendliche Einsamkeit in Greyhoundland.

Witzigerweise habe ich genau das vor mehr als 20 Jahren mal getan, habe mich in einen Greyhoundbus gesetzt und bin einfach irgendwohin gefahren. :D

Wo soll ich anfangen mit meiner Kritik und wo enden? Fangen wir mal mit Tom Waits an. Der Mann ist reinster Blues, tiefste Melancholie, der kratz und beißt, ist derb, abweisend und zugleich unglaublich sinnlich. Wäre ich inspiriert von Tom, wollte ich einen seiner Songs in einer Geschichte aufnehmen, die Sprache sollte zumindest in Ansätzen bluesig sein. Dass das unglaublich schwer ist, gebe ich unumwunden zu und dass es Dir nicht gelungen ist, auch nur annähernd melancholische Bilder in mir hervorzurufen liegt an Deinem rein beschreibenden Erzählstil.

Ich vermeide ja tunlichst das Wort Klischee, aber bei Dir muss ich es denn doch wieder einmal verwenden. Die Geschichte wird für mich - und das nimm als persönliche Empfindung - unglaubwürdig, weil sie in dieser Schwarz-Weiß-Malerei bleibt. Alle Busfahrer sind unfreundlich, alle Menschen sind einsam, alle Mitfahrer sind hässliche, unangenehme Karikaturen und keine Menschen in bunter Vielfalt und Skurrilität, wie man sie bevorzugt in solchen Verkehrsmitteln trifft.

Teilweise ist Deine Sprache unbeholfen und umständlich:

Er blickte aus dem Fenster zurück und sah wie sich das Café immer mehr zu verkleinern begann, es schien ihm, als würde sich der Bus mit unglaublicher Geschwindigkeit davon weg bewegen.

Warum beginnt sich das Café zu verkleinern? Der Bus fährt schon, also gibt es keinen Beginn. Es wird kleiner. Punkt. Und dass der Bus sich wegbewegt, ist irgendwie auch keine erhellende Information, sondern logisch.

Mein Tipp: Räum den Text gründlich auf. Du verwendest sage und schreibe 22 mal das Wort Bus. Monotonie kann wenn sie geschickt eingesetzt ist, Melancholie verstärken, oftmals führt sie allerdings zur Langeweile.

Ich finde die Idee für die Geschichte gut. Aber du solltest sie mit interessanten Begebenheiten und Beobachtungen füllen. Mit Verlaub, der alte Mann zu Beginn ist schlicht und ergreifend überflüssig. Du weißt schon ... und in Georgia fährt ein Bus über den Highway ...

Schreib die Geschichte so um, dass sie das Versprechen des Titels hält. Stelle die Kellnerin in den Vordergrund und erzähle die Szene im Café noch ein bisschen ausführlicher, erzähle uns wie er schwankt und warum er dann dennoch fährt.

Liebe Grüße
melisane

 

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