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Geschichten vom Arbeitsamt
Geschichten vom Arbeitsamt
„Nicht unaufgefordert eintreten, NICHT KLOPFEN!“ prangt es auf dem Türschild der Arbeitsberaterin. Seit einer halben Stunde sitze ich vor ihrem Zimmer und höre ihren Privattelefonaten zu. Das Gespräch handelt von Gartengeräten und von Werkzeug. Die Versuchung anzuklopfen ist groß, dennoch lasse ich es sein, denn die Strafe würde unermesslich hoch sein. Ein Beamter sitzt gegenüber dem Normalbürger nun mal am längeren Ast.
Schließlich öffnet sich die Tür. Vor mir steht eine kleine, leicht übergewichtige Frau, Mitte 30. Ihre Igelfrisur ist mit Gel geformt. Der "Nasseffekt“ kommt deutlich zur Geltung. Die rechteckigen Brillen geben ihr etwas von einem jugendlichem Stubenhocker, einem Nerd, einem Freak, dessen Anzahl an Freunden jener Zahl mit Divisionsverbot gleicht. Ihr Gesicht sieht frisch aus, wohl auch aufgrund der roten Wangen, die ich als Folge eines erhöhten Blutdrucks deute. Eine Deutung die sich bewahrheiten wird.
Die Dame sieht mich abwertend an und bittet mich in ihr Zimmer. Ich erinnere mich daran, dass ein Nachahmen der Mimik des Gesprächspartners Sympathie erzeugt und werfe ihr ebenfalls einen abwertenden Blick zu. Ich folge ihr und nehme auf einem Sessel der im 90 Grad Winkel zu ihrem Stuhl steht Platz und überschlage meine Beine.
Die Beraterin will den Idealtypus der schnellen Abfertigung durchziehen: Ein paar bürokratische Floskeln und ein Stempel zur Bestätigung der Wahrnehmung des Beratungstermins in den Arbeitslosenpass. Ist mir eigentlich ziemlich recht so.
Dann der Schock: „Nächste Woche müssen sie zu einem erneuten Beratungsgespräch, bei einem anderen Berater“.
„Was? Wozu nächste Woche wieder ein Termin?“ schießt es aus mir heraus.
Es ist keine gute Idee eine Frage mit kritischem Unterton an einen Arbeitsberater zu richten. Der Arbeitsberater ist nämlich ein Mensch mit einer ungeheuren Sensibilität und Reizbarkeit. Ich ergänze dass mein Geist, der dem Ihrem natürlich deutlich unterlegen ist, nicht in der Lage ist zu verstehen, warum ich dafür heute über 2 Stunden (Hinfahrts-, Rückfahrts-, Warte- und Beratezeit) meiner unermesslich kostbaren Freizeit opfern musste.
Die Beraterin wirkt angespannt und sieht mich böse an. Ich versuche unterwürfig zu wirken um einen Angriff ihrerseits zu verhindern. Diese Verhaltensweise kenne ich aus dem Tierreich. Und irgendwie ist der Mensch ja auch ein Tier und daher kann es ja wohl nicht ganz falsch sein das Tierverhalten zu kopieren. Doch trotz meines Bemühens unterwürfig zu wirken reagiert sie aggressiv und droht während sie schelmisch lächelt, mich sofort für einen Weiterbildungskurs einzutragen. Um sie zu besänftigen, lächle ich freundlich zurück. Trotz „Mimikspiegelung“ keine gute Taktik. Ich habe die härteste Bestrafungsmethode und gleichzeitig auch das Machtinstrument des Arbeitsberaters (Verschreibung eines völlig belanglosen Weiterbildungskurses) mit einem Lächeln quittiert, wo ich doch eigentlich um Vergebung hätte bitten sollen. Sie begegnet meinem lächelndem Gesichtchen daher mit einer hassverzerrten Fratze. Ich kann sogar erkennen, dass ihr Kopf vor Aufregung leicht zuckende Bewegungen macht. Vegetative Begleiterscheinungen die auf keinen guten Ausgang des Gespräches hindeuten. Warum ist sie bloß so reizbar? Ich wage kaum zu ihr aufzublicken. Wenn Augen wirklich der Spiegel zur Seele sind, dann muss Luzifer die Gestalt dieses Frauenkörpers angenommen haben. Ihre Gedanken scheinen sich nun zu einem gigantischen Spannungsfeld aus sämtlichen negativen Emotionen zusammenzubrauen. Der Hass brodelt in ihr wie in einem Vulkan, dessen Magma die Erdoberfläche bereits wölbt und erhebt. Ihre Brüste beben, was ich geil finde. Schließlich wird die Spannung zu groß und in einer gewaltigen Erruption speit sie mir die Anmeldung für den Kurs „Neu Starten – Jobsuche mit Kompetenz intensiv“ entgegen. Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. Als ich „Kursbeginn um 08:00 Uhr“ lese, bin ich zutiefst erschüttert. Noch dazu fast eine Stunde von meinem Wohnort entfernt, was so viel heißt wie um 06:00 Uhr aus dem Bett zu kriechen. Aufgrund meiner nächtlichen Computerexzesse und einem Biorhythmus, der aufgrund bis in die Morgenstunden dauernder wöchentlicher Saufgelage, völlig gestört ist, werde ich diesen Termin wohl unmöglich einhalten können.
Noch immer zitternd vor Zorn überreicht sie mir die Kursinformation. Aufgrund ihres Tremors bekomme ich die Blätter nicht zu fassen und alles fällt zu Boden. Ich bücke mich sofort um die Zettel wieder aufzuheben und erneute negative Reaktionen meiner Beraterin zu vermeiden. Als ich mich bücke mache ich plötzliche eine Entdeckung. Ihre Hose ist ja in feinster Uniformsfarbe gehalten. Wie ich dieses Braun liebe, womöglich aufgrund meiner Vorliebe für Soldatenlieder und schnittige Uniformen. Assoziationen wie Gesundheit, Abenteuer, Zusammengehörigkeit und Tradition tanzen durch mein Gedankengebäude. Ich merke wie ein Sympathiegefühl für die Dame in mir erwächst. So viel Sympathie, dass ich die Alte richtig geil finde. Eine enorme Errektion entwickelt sich in meiner Hose. Ich laufe jedoch keine Gefahr, dass ebensolche bemerkt wird, da ich eine Technik entwickelt habe die es aufs Vorzüglichste vermag, eine von Errektionen verursachte Wölbung der Hose zu verhindern. Es ist mir daher ein Leichtes, die zu Boden gefallenen Zettel in Ruhe einzusammeln und gemäß der auf den unteren Blattrand gedruckten Ziffern in aufsteigender Reihenfolge zu sortieren. Während ich mich im Einsammelprozesses befinde, schaltet die Beraterin das Radioempfangsgerät ein. Es spielt „Do it like Dude“ von Jessie J. in der Akkustikversion. Leise singe ich mit. Die Beraterin stimmt ein. Ich richte mich auf und sie lächelt mich an. Doch die Zeit ist reif um Abschied zu nehmen. Ich gehe Richtung Ausgang. Aus der Ferne kann ich noch vernehmen wie sie mir ein „Goodbye schöner Mister!“ nachruft.