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Gespräch im Morgengrauen

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22.08.2007
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Gespräch im Morgengrauen

Gespräch im Morgengrauen

Emil Lizio hat noch eine halbe Stunde Streifendienst. Es ist fünf Uhr früh. An den Berghängen ziehen Nebelschwaden, verfangen sich in Schluchten, wabern hoch und lösen sich in feinen Schleiern auf. Im Park hängt vage Dämmerung. Sie lässt den Morgen ahnen, gewährt ihm aber noch Zeit, sich aus der Nacht zu lösen.

Emil Lizio sieht flüchtig zum See und zu den Bänken, die das Gartenbauamt erst vor wenigen Tagen aufgestellt hat. Er rechnet kaum damit, einen dieser armseligen Bankschläfer anzutreffen, deren Papiere er ordnungshalber zu kontrollieren hat. Aber da sitzt doch einer! Lizio brummt:
„Geht das schon los. So früh, noch nich mal April. Is ja noch viel zu kalt“, und seufzt: „Kannst deinen Feierabend wieder mal vergessen, Emil!“
Er geht zu dem Mann, stellt sich neben ihn und fragt:
„Haste nich kalt?“
„Es macht mir nichts“, antwortet der Mann und blickt freundlich zu ihm auf.
'Der macht keine Schwierigkeiten', denkt Lizio erleichtert und fragt weiter:
„Was machst ’n hier?“
„Ich warte.“
„Auf was?“
„Dass die Menschen aufwachen.“
„Oha“, stösst Lizio aus, „gibt’s da nichts Besseres zu tun?“
„Was könnte es Besseres geben?“
„Arbeitslos?“
„Nein“, lächelt der Mann, „ich habe genug zu tun.“
„Na, was tuste dann, erzähl mir das mal, das interessiert mich nämlich.“
„Ich“, der Mann hebt die rechte Hand und zeigt zu den Häusern im Ort, „ich bin bei den Menschen, höre ihnen zu, spreche mit ihnen und ...“
Lizio unterbricht ihn ungeduldig:
„Und wartest, dass sie aufwachen, was? Red mal vernünftig! Oder ...“, er zögert misstrauisch, zieht die linke Augenbraue hoch und fragt lauernd: “Haste Krawall im Sinn, Schlägerei, Lärm oder so?“
„Das nützt nichts!“
„Was!“
„Schlagen, Lärmen! Sie müssen allein aufwachen, jeder für sich, sonst merken sie’s ja nicht.“
„Was, Mensch!“
„Dass sie geschlafen haben, all die Zeit.“
Es wird allmählich heller. Lizio erkennt ein paar Narben im Gesicht des Mannes. Ein eigenartiges Mitleid steigt in ihm auf. Er hat ein weiches Herz und noch viele Fragen. Aber seine langjährige Erfahrung mahnt ihn zu Vorsicht und Pflichterfüllung.
„Zeig mal deine Papiere!“
„Ich habe keine.“
„Dein Name?“
Der Mann sagt ihn so leise, dass Lizio ihn kaum recht versteht. Trotzdem erschrickt er, besinnt sich einen Moment und spricht dann sehr hastig, als müsse er sich rechtfertigen:
„Ich hab mal einen erwischt, der hiess auch so, war Spanier, glaub ich, oder Portugiese, eingeschleust jedenfalls. Bei Nacht und Nebel über die grüne Grenze. Arbeitete in der Maschinenfabrik, illegal! Bist du so einer?“
Der Mann schüttelt den Kopf und schweigt. So unbegreiflich, so fürchterlich und rätselhaft ist dieses Schweigen, dass Lizio spürt, wie sein Herz klopft und sich kalte Schweissperlen auf seiner Stirn bilden. Sein Uniformkragen klebt am Hals, Angst breitet sich in ihm aus, wie die Stille im Park: Die ersten Vögel sind wieder verstummt und auch die kleinen Wellen schwatzen nicht mehr am Seeufer.
„Mensch“, stammelt er, „fass dich kurz. Ich bin noch im Dienst. Hab die ganze Nacht Streife gehabt. Bin durch die Strassen gelaufen. Nix war los, rein gar nix. Jetzt will ich meinen Feierabend, der steht mir zu!“
Er steht einen Moment hilflos wie ein Kind vor dem Mann. Dann richtet er sich auf, räuspert sich und sagt streng:
„Ich muss dich zur Wache bringen, verstehst du? Ich muss meinen Dienst ausführen, meine Pflicht erfüllen! Dafür werd ich bezahlt. Du hast keine Papiere. Ich muss gradestehen, wenn was passiert, muss mich verantworten! Tut mir leid, aber ...“, er zuckt mit den Schultern. Der Mann nickt.
„Also, gehen wir.“
Sie gehen durch den heller werdenden Park. Plötzlich bleibt Emil Lizio stehen und lauscht:
„Haste das gehört?“
„Nur unsere Schritte, was sonst?“
„Da hat doch ’n Hahn gekräht. Hast du nicht gehört? Da! Grad nochmal! Wo gibt’s denn hier Hähne, is doch gar nicht möglich hier in der Stadt. Ich kenn doch die Gegend. Da gibt’s schon lange keine Hähne mehr.“
„Aber wenn du ihn doch hörst?“
„Da, schon wieder!“ Lizio greift sich an den Kopf, stammelt:
„Das darf doch nich wahr sein sowas!“ Und dann fragt er mit heiser gepresster Stimme:
„Warum läufste nich weg, Mensch!“
„Ich will dir keine Schwierigkeiten machen.“
„Wirst aber selber welche kriegen, das sag ich dir! Ohne Papiere glaubt dir keiner was, nich ein Wort!“
Der Mann lächelt und legt ihm die Hand auf die Schulter: „Glaubst du mir denn?“
Lizio schweigt betroffen. Dann stösst er die Hand weg und keucht:
„Hau ab, Mensch! Schlag dich in die Büsche, ich will mit all dem nix zu tun haben!“

Der frühe Morgen hat die Dämmerung verdrängt und Emil Lizio steht wieder allein bei den leeren Bänken im Park.
„Je …“, murmelt er, schüttelt den Kopf und blickt sich vorsichtig um, „da könnte ja jeder kommen.“
Nachdenklich, fast ein wenig traurig bleibt er eine Weile stehen. Dann schiebt er den Ärmel seiner Uniformjacke zurück und sieht auf die Uhr an seinem Handgelenk.
„Nix gewesen, Emil, halb sechs, Feierabend, kannst nach Hause gehn.“

 

Hallo Gisanne,

eine schöne Geschichte. Hat mir gefallen. Habe aber nicht ganz verstanden, warum Emil den Mann dann doch wieder weg schickt, gutes Herz gg. Pflichterfüllungseifer? Naja, kann sein, das Selbstzweifel ihn plagten, und der deplacierte Hahnschrei das Blatt wendete. Handwerklich finde ich die Geschichte gelungen, und atmosphärisch sehr dicht.

Gern gelesen,
-- floritiv.

 

Salve Gisanne,

ich rate mal ganz wild: da hat sich Jesus auf die Parkbank gesetzt. Der Schupo mag kein Judas und kein Petrus sein, und will ihn nicht verpfeifen. Und darum lässt er den Allmächtigensohn auch wieder laufen.

Ich hab mal einen erwischt, der hieß auch so, war Spanier, glaub ich, oder Portugiese, eingeschleust jedenfalls. Bei Nacht und Nebel über die grüne Grenze. Arbeitete in der Maschinenfabrik, illegal! Bist du so einer?
Falls ich richtig gemutmaßt habe, hast Du ein nettes kleines Ostergeschichtchen geschrieben, wie ich es in der Kindersonntagschulzeitung des öfteren gelesen habe.
Das ist keinesfalls böse gemeint. Gott ins Spiel zu bringen, ohne banal, rührselig, kitschig, weltverbesserisch belehrend oder naiv zu werden, ist schwer.
Mit Teufel und Dämonen geht's literarisch oft leichter aus der Feder, weswegen sie wohl auch häufiger auftreten dürfen.

Wie mehr Pfeffer ans Steak kommt? Keine Ahnung. Vielleicht ein ordentlicher Konflikt? Ein Gott, der auchmal zornig, ironisch, genervt sein darf?

Das alles immer gesetzt den Fall, ich schieße mit meienr Interpretation nicht meilenweit ins Grüne ...

Nun denn. Schönen Restfeiertag noch und liebe Grüße
der Leopard

 

mir deucht es auch österlich - der Hahnenschrei, der dreimalige, brachte mich auf diese Spur....

Trotzdem fehlt mir eine "Aussage"....ich bin da wohl sehr konservativ :-)

 

Salü floritiv, Pardus und NikitaF,

floritiv:

Handwerklich finde ich die Geschichte gelungen, und atmosphärisch sehr dicht.
Das freut mich sehr und auch, dass Du sie gern gelesen hast.

Pardus:
Naja, mich im Kirchenblättchen gedruckt zu sehen, wär ja wenigstens mal etwas :) Da würde sie dann aber wohl eher zum Karfreitag erscheinen ... Ostern ist dann ja alles wieder ganz anders ... Und das mit dem Pfeffer am Steak, ja, da hast Du auch Recht, da hab ich immer so meine Schwierigkeiten, obwohl, in der Küche drehe ich die Pfeffermühle gern und ausgiebig *nachdenk*
'Hiess' lass ich mal so stehen, weil es auf meiner schweizer Tabulatur kein spontanes Eszett zu drücken gibt. Und 'Einer' klein? Da muss ich nachschauen ...

NikitaF:
die fehlende 'Aussage' wollte ich dem Leser überlassen, sonst wäre vielleicht doch ein Mahnfinger hochgejuckt und den mag ich selber auch nicht lesen :)

Herzlichen Dank für Eure Kommentare!

Liebe Grüsse,
Gisanne

 
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Hallo Gisanne!

Nun steht sie da, deine neue Geschichte ;) - ich freue mich! Atmosphärisch finde ich sie auch gelungen, der Morgen ist greifbar, die Situation auch. Der Interpretationsraum bleibt sehr offen - das ähnelt Gleichnissen, vielleicht dachten deswegen alle bis jetzt an Ostern. :) Beim 'Obdachlosen' musste ich auch direkt an Jesus denken, ich wüsste auch nicht, wer sonst einen so beeindruckenden Namen haben soll - außerdem passt dieser als einziger in den Kontext: Ich glaube nicht, dass ein nicht-religiöser Name oder einer aus nicht-christlicher Kultur dem Emil so viel (Ehr-)furcht eingeflößt hätte.
Aber zurück: Ich mag das Offene der Geschichte und ich mag Emil. Vor Allem die Sprachfarbe, die du ihm verpasst hast, macht ihn lebendig. Der Fremde allerdings bleibt blass. Naivität im positiven Sinne ist zu erkennen und mehr nicht. Möglicherweise soll er etwas gepfeffert werden. :)

Lieben Gruß
Kasimir

 

Lieber Kasimir,

Dein Kommentar freut mich riesig und ich freu mich besonders über:

Der Fremde allerdings bleibt blass. Naivität im positiven Sinne ist zu erkennen und mehr nicht.

Weil: Genauso sehe und empfinde ich ihn. 'Pfeffer' haben oder bekommen die Emils, denen er begegnet (oder die ihm begegnen), meist in ihren Reaktionen :)

Schön auch, dass Dir das Offene gefällt!

Danke wärmstens und lieben Gruss,
Gisanne

 

Hallo Gisanne,

ich fand deine Geschichte etwas verwirrend, weshalb kannste weiter unten im Textkram lesen.
Trotzdem entwickelst du mit wenigen Federstrichen eine besondere Atmosphäre und das gefällt mir gut.
Was mir nicht gefällt, ist, dass ich leider nicht verstanden habe, worum es dir geht, denn ich unterstelle dir, dass du mit der Geschichte irgendetwas Nachhaltiges aussagen wolltest. Nur ich finde nicht heraus, was. Sorry.


Textkram:

„Kannst deinen Feierabend wieder mal vergessen, Emil!“
Hm... so früh am Morgen weiß der Emil schon, dass sein Feierabend gefährdet ist? Da hab ich Zweifel. Das mag ja auch durchaus angehen, sowas gibt es natürlich, aber doch nicht bei diesem Beruf oder? Wäre er Lokführer und würde er bereits Morgens 30 Minuten Verspätung haben, würde das Problem vermutlich nicht ohne besonderes hinzutreten besonderer Umstände zu beheben sein. So liegt der Fall hier aber wohl eher nicht.

Der Mann schüttelt den Kopf und schweigt. So unbegreiflich, so fürchterlich und rätselhaft ist dieses Schweigen, dass Lizio spürt, wie sein Herz klopft und sich kalte Schweissperlen auf seiner Stirn bilden. Sein Uniformkragen klebt am Hals, Angst breitet sich in ihm aus, wie die Stille im Park:
Ich habe an dieser Stelle der Geschichte den Eindruck irgendwo den Zug verpasst zu haben. Es erschließt sich mir nicht, wieso das dort so steht. Wesalb ist dieses Schweigen rätselhaft und fürchterlich?

auch die kleinen Wellen schwatzen nicht mehr am Seeufer.
schwatzen = wunderschöne Formulierung !


„Mensch“, stammelt er, „fass dich kurz. Ich bin noch im Dienst. Hab die ganze Nacht Streife gehabt. Bin durch die Strassen gelaufen. Nix war los, rein gar nix. Jetzt will ich meinen Feierabend, der steht mir zu!“
Es tut mir leid, Gisanne, wenn du jetzt den Eindruck hast, ich hätte mich in was verbissen, aber dieser Satz ist wieder so einer, der mich verwirrt bezüglich der Zeit, in der die Geschichte spielt. Hier wirkt es auf mich so, als habe dein Protagonist bereits vor, ganz früh Feierabend zu machen und nicht erst seinen Dienst, den er am frühen Morgen begonnen hat, erst gegen Nachmittag zu beenden. Mir gerät da was durcheinander.

„Nix gewesen, Emil, halb sechs, Feierabend, kannst nach Hause gehn.“
halb sechs? Morgens oder abends? :D


Lieben Gruß
lakita

 

:dozey: Oh jaaaa, stimmt.

Danke Kasimir, jetzt ist mir die Geschichte wegen der Zeiten KEIN PROBLEM mehr.

Oh, Gott, wie doof kann ein Mensch wohl sein? Dass ich das gleich am Anfang der Story überlesen habe. :Pfeif: Peinlich...

 
Zuletzt bearbeitet:

Salü lakita,

ich weiss nicht, ob ich Dir richtig antworten kann, aber ich versuche es mal:

Zuerst die Zeitfrage:
Emil hatte Nachtstreife bis 'fünf Uhr früh' - da wäre er natürlich gerne ohne 'Bankschläfer' direkt nach Hause gegangen. Aber nun sitzt da doch einer ... Da der aber ein umgänglicher Typ ist und sich in die 'Büsche schlägt', kann Emil dann doch 'Feierabend' machen. Ich weiss jetzt nicht, wie das ist, aber hier reden Nachtschwestern auch von 'Feierabend' und nicht 'Feiermorgen' :D

Zum Schweigen und warum es so fürchterlich ist: Es gibt in der Matthäus-Passion eine Stelle, wo der Evangelist singt: Jesus aber schwieg. Musikalisch hat Bach nach schwieg eine Pause komponiert, die mich immer enorm berührt und mir Schauer über den Rücken jagt. Ja, da könnte ich mir in gewissen Situationen auch Angst vorstellen, sogar rasende Angst.

Habe ich etwas zur Klärung beitragen können?

Trotzdem entwickelst du mit wenigen Federstrichen eine besondere Atmosphäre und das gefällt mir gut.

Da freue ich mich sehr und schick Dir liebe Grüsse,
Gisanne

Nachtrag: Wow, nun hat sich alles geklärt und ich hab soo gefeilt an der Antwort *grummelgrummel* Danke Kasimir und Danke auch Dir, lakita, fürs merken.

 

Liebe Gisanne,


ich möchte mich nochmals für meine Begriffsstutzigkeit bei dir entschuldigen. Obgleich ich nicht vorsätzlich so unterbelichtet war, schäme ich mich doch dafür, dir extra nur deswegen Zeit abgenötigt zu haben. Also, das Missverständnis mit der Zeit haben wir ja nun aus dem Weg.

Aber...
ich komme mit deiner Antwort auf meine Frage, nach der Angst und dem Schweigen nicht klar und möchte dazu noch etwas mitteilen:

Mit Ängsten kenne ich mich ansich gut aus und keine Frage, liebe Gisanne, Schweigen einer Person kann durchaus bei einer anderen angstauslösend sein, nämlich immer dann, wenn die eigene Phantasie ihr Übriges dazu tut.
Insoweit bezweifele ich nicht, dass Emil Angst bekam und darauf auch wie ein Angstbesessener körperlich reagiert.

Nur, passt diese Sequenz so unangedockt nicht in die Geschichte rein. Da schweigt jemand und der andere bekommt Angst, aber nichts hat sich vorher dahingehend angedeutet und nachher löst sich das alles in Wohlgefallen auf.
Da fehlt die Verbindung zum Geschehen.
Ich bin ein Leser, der weder an Jesus, noch an die Matthäus-Passion gedacht hat. Ich bin garantiert nicht die einzige, die diese Verbindungen zu deiner Geschichte nicht herzustellen vermag.
Zudem hast du diese Geschichte in die Abteilung Alltag gesetzt, schon deswegen würde ich nie einen Gedanken daran verschwendet haben, dass du mit dem Herrn auf der Bank, Jesus gemeint haben könntest. Aber vielleicht habe ich das auch wiederum missverstanden?
Scheint fast so, als sollte ich heute etwas vorsichtiger an Geschichten heran gehen. :D

Lieben Gruß
lakita

 

Liebe lakita,

Tut mir echt leid, dass ich erst jetzt antworte. Da hat sich Einiges dazwischen geschoben (was nichts mit Deinen Fragen zu tun hat) und ich musste mich erst wieder büscheln.
Mach Dir keine Gedanken zu den Zeitfragen ‚Feierabend bzw. -morgen’, es kann doch immer mal passieren, dass wir etwas überlesen, oder missverstehen. Für mich ist das kein Problem :)

„Dein Name?“
Der Mann sagt ihn so leise, dass Lizio ihn kaum recht versteht. Trotzdem erschrickt er, besinnt sich einen Moment und spricht dann sehr hastig, als müsse er sich rechtfertigen:
„Ich hab mal einen erwischt, der hiess auch so, war Spanier, glaub ich, oder Portugiese, eingeschleust jedenfalls. Bei Nacht und Nebel über die grüne Grenze. Arbeitete in der Maschinenfabrik, illegal! Bist du so Einer?“
Der Mann schüttelt den Kopf und schweigt. So unbegreiflich, so fürchterlich und rätselhaft ist dieses Schweigen, dass Lizio spürt, wie sein Herz klopft und …

Ich meine, hier ist das für Dich fehlende ‚Angedockte’ in den Zeilen verborgen? Vielleicht zu verhalten? Vielleicht zu unverständlich? Ich konnte und wollte es nicht anders schreiben und stehe dazu.

Noch kurz ein Wort zur Rubrik ‚Alltag’: Ich empfand und empfinde diese Geschichte ausgesprochen alltäglich, daher die Wahl. ‚Karfreitag’ kann doch jeden Tag sein … Aber das ist wohl Ansichtssache oder ich habe mich allzulange mit diesem Thema beschäftigt :D

Lieben Gruss :)
Gisanne

 

"Menschen schlafen, auch wenn sie gleich wach wären!" -
Ja, sagt der Normalo, manchmal. -
Immer schon!, widerspricht der Anomalo,

und da halte ich Deine kleine Geschichte durchaus für ein Ereignis, dass nicht jedem geschieht,

liebe Gisanne.

So können Legenden entstehen. Der Streifenpolizist Emil L. hat in der Nacht vom 12. auf den 13. April 2009 eine halbe Stunde vor Ende der langen Nachtschicht eine seltsame Begegnung mit einem Penner und wird zum (berufsmäßig) ungläubigen Thomas (Tommy auf Neudeutsch). Das ist in der von Dir gewohnten unaufgeregten Art geschrieben und hebt an mit einer wunderschönen Umschreibung des beginnenden Morgens. Beim Lesen dieser wenigen Minuten hab ich an Jean Pauls natürliche Uhr denken müssen (hierbei nutzt er den beginnenden Gesang zu den verschiedenen Phasen der Morgendämmerung der einzelnen Vögel je nach Art aus) und zu der Parkscenerie den Vogelsang hinzugetan, bis sie wieder verstummen ...

Die Verwandlung des Emil L. erkennt man deutlich an der sich ändernden Sprachhaltung:

>„Haste nich kalt?“<
>„Was machst ’n hier?“<
>„Na, was tuste dann, ...<, usw. Und dann:
> Bist du so Einer?“<, wobei er - der ironische Schlenker sei mir erlaubt - das vertrauliche Du tatsächlich mit Großbuchstaben begänne ...

Aber, warum zum Teufel, hat Emil ANGST? Dass er den Feierabend verpasse kann's doch nicht sein!

Aber ja doch: statt der Vögel singt/schreit/kräht ein Hahn ...

Mir gefällt's -

selbst wenn da jeder käme.

Gruß & halt die Ohren steif

Friedel

 

Salü Friedel,

auch Dir (Dir) mein Dank und was ich ganz toll finde, ist dies:

Die Verwandlung des Emil L. erkennt man deutlich an der sich ändernden Sprachhaltung
dass Du das gemerkt hast freut mich sehr. Zeigt mir auch, dass sich das Feilen lohnt. Und wo, bitte sehr, hab ich das gelernt? Beim Kg.de natürlich :)
Und:
statt der Vögel singt/schreit/kräht ein Hahn ...
Perfekte Zusammenfassung!

Lieben Gruss,
Gisanne

 

Hallo Gisanne,

schon die Entscheidung, diesen Text unter "Alltag" zu platzieren, hat etwas augenzwinkernd Hintergründiges.

Emil ist dir sehr gut gelungen, ich habe schnell ein klares Bild vor Augen gehabt. Ein feiner, ruhiger, gelassener Text. Ja, man kann sich da jede Menge zu denken. Und dann kräht der Hahn, was die Interpretationsmöglichkeiten dann doch ein wenig einschränkt. Oder auch nicht. Warum soll da nicht ein Hahn dreimal krähen?

Ich hab's gern gelesen und denke ständig darüber nach, wie die Geschichte wohl ohne das Krähen funktionieren würde. Nein, der Hahn muss bleiben!

Rick

 

Salü Rick,

danke schön! Für das 'Augenzwinkern' und dafür, dass der Hahn drinbleiben muss. Ich bin mir bewusst, dass dies eine heikle Stelle ist, aber es gibt kein anderes Tier, was krähen könnte :)

Das der Emil in Deiner Lesart gelungen ist, freut mich natürlich ganz speziell und darauf bilde ich mir jetzt mal so richtig was ein. Versprochen: Nur vorübergehend!

Lieben Gruss,
Gisanne

 

Hallo Gisanne,

ich muss zugeben, dass ich mich mit deiner Geschicht etwas schwer getan habe.
Beim ersten Lesen bin ich recht ratlos zurück geblieben. Oder sagen wir etwas enttäuscht. Da waren mir irgendwie zu viel der Leerstellen, zu wenig greifbares.
Und irgendwie hatte mich auch schnoddrige Ton der beiden gestört.
Jetzt, beim zweiten Lesen, empfinde ich das kaum noch so. Jetzt kann ich diese Weite besser annehmen, weshalb auch immer. Dennoch bleibt der Wunsch, mehr über den Clochard erfahren zu haben. Oder über dessen Wahrnehmung (Denn das fand ich richtig spannend, als es dazu kam, dass der Kerl darauf wartet, dass die Menschen erwachen. )
In jedem Fall bin ich froh, die kg ein zweites Mal gelesen zu haben. :)

Rein formal bin ich persönlich kein Freund hiervon:

, einen dieser armseligen ‚Bankschläfer’ anzutreffen,
wehalb nciht kursiv? Meine Augen irritiert das zumindest stets aufs Neue

Glaubst d u mir denn?
ebenso d i e s e s
ist natürlich ein legitmes Mittel, um Betonung auszudrücken, aber bei einem Wort, das aus 2 Buchstaben besteht, sieht das eher wie ein Unfall aus als wie gewollt

„Das darf doch nich wahr sein sowas!“ und dann fragt er mit heiser gepresster Stimme:
das kleine und sieht auch merkwürdig aus. Ein großes wäre in jedem Fall nciht falsch.

grüßlichst
weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Gisanne,

mir hat Deine kleine Geschichte sehr gut gefallen.
Ich habe bei dem Landstreicher auch an Jesus gedacht, schon bei dem "spanischen" Namen kam es mir so vor. Bestätigt gefühlt habe ich mich dann bei dem dreimaligen Hahnenschrei. Die Idee gefällt mir, dass einer auf einer Parkbank sitzt und darauf wartet, dass die Menschen erwachen.
Ich habe mich nur gefragt, was er dann macht, wenn sie erwacht sind. Aber das sind die Interpretationsmöglichkeiten, die Du - zu Recht - offen lässt in Deiner Geschichte.

Ich spüre die Ehrfurcht von Emil diesem Fremden gegenüber, der so eine heroische Gelassenheit ausstrahlt, eine die durch nichts zu erschüttern ist, so hatte ich den Eindruck. So wird Jesus oft in Filmen dargestellt, so über allem stehend. Das Gefühl hast Du gut erzeugt, finde ich.

Gerne gelesen.
LG
Giraffe :).

 

Hallo Gisanne,

kleine feine Geschichte, die ich sehr gern gelesen habe.

Ich mag Emil und ich glaube auch an den Hahn, selbst wenn ich hier mal voll daneben greifen mit meiner Interpretation:

„Ich warte.“
„Auf was?“
„Dass die Menschen aufwachen.“

Und dann hört Emil den Hahn krähen, wo kein Hahn sein sollte. Er lässt ihn gehen, was sicher gegen seine sonstige Auffassung von Dienstbeflissenheit stehen dürfte, nachdem, wie Du Emil zuvor schilderst.

Und auch die Frage, nach der Angst, erscheint mir glaubhaft.

Angst breitet sich in ihm aus, wie die Stille im Park: Die ersten Vögel sind wieder verstummt und auch die kleinen Wellen schwatzen nicht mehr am Seeufer

Es ist eine unnatürliche Stille, in ihr liegt eine Bedrohung, wenn die Vögel verstummen und der See ruht. Da kann man es schon mal mit der Angst zu tun bekommen.

Was ich dagegen nicht verstehe:

„Mensch“, stammelt er, „fass dich kurz ...

Woher kommt das "fass dich kurz"?
Er hat doch nicht ein Wort gesagt?

Und sprachlich bin ich über:

Aber da sitzt doch einer!

gestolpert. Wirkt auf mich irgendwie gezwungen.

Und noch schnell meinen Lieblingssatz:

„Hau ab, Mensch! Schlag dich in die Büsche, ich will mit all dem nix zu tun haben!

Der passt!

Zum Morgengrauen wurde schon einiges gesagt, zu Deinen Bildern und zu Emil. Dem kann ich mich nur anschließen.

Vielen Dank für Deine Geschichte
Beste Grüße Fliege

 

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