Gewitter
Gewitter inspirieren mich
Gewitter inspirieren mich. O ja, wenn es gewittert – der Regen auf den Asphalt trommelt – dann bin ich inspiriert. Dann stehe ich am Fenster und schaue hinaus.
Hier und da ein paar Menschen, die Unterschlupf und Schutz vor den ersten Regentropfen suchen.
Dort ein Hund, der vor Aufregung bellt.
Und die nasse Straße. Yeah. Die ganz nasse Straße...
Hast Du den Blitz gesehen? Ein Blitz – ich stelle mir vor, wie es für ein Opfer aussehen muß, das gleich mit einem Axtschlag getötet wird – ein Blitz, so muß es sein. Das müßte das Letzte sein, was ein Mensch vom Leben sieht; die Axt, die ihm das Licht ausbläst. Zack. – vorbei.
Und was hört er? Einen Donner. Ja. Natürlich nicht so einen, wie ich ihn gerade höre, nein. Das wäre zu simpel. Gott hat sich da doch sicher was Besseres ausgedacht – meinst Du nicht auch? ha-ha
Der Donner müßte auf jeden Fall das letzte Geräusch sein, das so ein sterbender Mensch wahrnimmt – kurz vor seinem Tod. Ganz kurz davor, denn sonst könnte er uns ja davon erzählen. In diesem Fall wäre der Donner das Zischen der Axt, wie sie die Luft schneidet (--- zack! ---) bevor sie aufprallt. PLOCK.
Blitz und Donner haben mich seit je her fasziniert. Naturgewalten – yeah. Ich wünschte, sie würden sich vereinen und gemeinsam gegen uns angehen – da hätten wir keine Chance mehr. Da wirst Du wie `ne Nuß geknackt. Haha.
Kommen wir zum Regen. Weißt Du, woran ich da immer denken muß? Das ist ein langer Gedanke, aber ich erzähle ihn Dir gerne, wenn Du ihn hören willst.
Ich denke an Leichen. Ja. An Menschen mit verrenkten Gliedern. Mit aufgerissenen Augen. Tote Menschen. Menschen, die vom Himmel fallen – Kinder, Rentner, Versicherungsvertreter (hahaha - ist das nicht komisch?) – und schreiend auf den Asphalt klatschen. Ich sehe es bildlich vor mir; - ich sehe, wie sie im Fluge zappeln, wie sie zu Gott beten, er möge doch seine Hand ausstrecken und sie ergreifen, sie halten, sie retten. Aber neinneinnein, böses Kind - Gott bleibt hart auf seinem Thron im Himmel. Gott kann sterbenden in die Augen sehen – er kann JEDEM in die Augen sehen, bevor er ihn tötet. O Scheiße – Flehen, beten und betteln hilft nichts. O du verdammte Scheiße. Halleluja liebe Brüder und Schwestern.
Es ist ein langer Flug vom Himmelreich auf die Erde.
Hörst Du die Kinder nach ihren Müttern schreien? Sie haben Angst. Sie glauben und sie haben Angst. Sobald sie die ersten Bäume erkennen, ist Schluß mit Lustig – sie werden mit ihrem Tod konfrontiert. Nee, dat is‘ kein Traum.
Du fliegst und fliegst, vergißt schon, daß Du überhaupt fliegst – und dann kommt’s Dir so unbarmherzig wieder. Gott.
In den letzten Sekunden kommt es Dir wieder.
Du weißt, wenn Du unten Hallo sagst – und das wirst Du, jaja, das wirst Du ganz sicher haha –, bist Du tot. Dann hörst Du das Kreischen um Dich herum ein Letztes Mal – es macht Plock und Dein Licht geht mit einem letzten Blitz aus. Mit dem Axtzischen. Yeah.
Deine Gedärme fliegen in alle Richtungen, denn es ist ein weiter Weg vom Himmel auf die Erde, in die Hölle – aber keine Panik, das kriegst Du schon nicht mehr mit. Gott ist barmherzig – halleluja. Das kriegst Du nicht mehr mit.
Platsch.
Ein Meer Toter = ein Meer Regentropfen. ‹- das wär so die verfluchte Metapher, für all diejenigen, die sich gerade Gedanken über meinen Geisteszustand machen. Hehe.
Ein Meer Toter = ein Meer Regentropfen
Gewitter inspirieren mich. Ich stehe mit hinter dem Rücken verschränkten Armen da und überlege mir, wie es ist, zu sterben. Nur bei Gewitter kommen mir solche Gedanken. Ich glaube, wenn Gott richtet, dann wird es ein Gewitter geben. Ein Gewitter für all diejenigen, die aus dem Himmelreich gekickt werden. Sie werden schreien, flehen, (---PFLATSCH---) und sterben. Es wird das letzte und das grausigste Gewitter aller Zeiten sein. Und die Erde wird zur Hölle werden; ein Meer Toter wird sie bergen, wenn Gott fertig ist. Vorausgesetzt, er wird fertig werden, denn vielleicht kickt er ein paar seiner Engel gleich mit auf die Erde.
Gewitter inspirieren mich.
Aber jetzt ist es vorbei.
... Drum vergiß den Scheiß und lies was anderes.
Stefanie Kißling, 30. August